ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner fremdelt mit Schwarz-Grün
KURIER: Sie regieren jetzt seit 2014 mit den Grünen. Wie groß ist Ihre gemeinsame Vertrauensbasis noch?
Markus Wallner: Wir haben vor zehn Jahren eine schwarz-grüne Regierung gebildet. Damals war der Wille stark zu spüren, die wirtschaftliche Ausrichtung des Landes und die ökologische Herausforderung unter einen Hut zu bringen. Da ist auch einiges gelungen. Die aktuelle Regierungsform endet mit der Landtagswahl am 13. Oktober. Wir werden jetzt in allererster Linie um einen eigenen Regierungsbildungsauftrag kämpfen und dann alle Optionen prüfen. Es ist nicht vereinbart, dass Schwarz-Grün fortgesetzt wird.
Sie haben den Grünen zuletzt vorgeworfen, sie würden Brücken abreißen. Ist es wirklich so dramatisch?
Es geht weniger um Befindlichkeit, sondern darum, was auf uns zukommt. Was sind die größten Herausforderungen, vor denen das Land steht? Wir brauchen einen starken Partner in der Standortpolitik. Wir brauchen einen verlässlichen Partner in der Infrastrukturpolitik. Und da haben wir mit den Grünen anhaltend Schwierigkeiten in den letzten Monaten bekommen.
Also Stichwort S18, dem seit Jahrzehnten diskutierten Straßenbauprojekt?
Das war natürlich im Vordergrund. Aber überhaupt bei Infrastrukturfragen war es so, dass die Meinungen stark auseinandergegangen sind. Bei der S18 ist das kumuliert. Da kam dazu, dass wir von außen von Verkehrsministerin Leonore Gewessler nicht einmal im Ansatz ernstgenommen wurden. Die Art und Weise, wie man da mit dem Bundesland umgegangen ist, ist untragbar. Im Bundesstraßengesetz steht, dass der Bund eine Autobahnverbindung in die Schweiz zu planen, zu errichten, zu erhalten und zu finanzieren hat. Da kam dann der Vorstoß, dass wir darauf verzichten sollen und dafür irgendwelche niederrangigen Straßen zu errichten. Das ist völlig undenkbar.
Aber dass die Grünen gegen die S18 sind, ist ja an sich nichts Neues. Man ist halt in der Landes-Koalition vor zehn Jahren mit einer Kompromissformel über diese Hürde gesprungen.
Wir haben vor 10 Jahren gesagt, und das hat auch funktioniert, wir unterbrechen keine laufenden Verfahren. Dass sie es jetzt in dieser Art und Weise bekämpfen, damit verlässt man unser Regierungsprogramm glasklar. Wir haben seit Jahren auf Bundesebene darum gerittert, dass wir ins Straßengesetz hineinkommen. Das heißt, der Bund ist gesetzlich verpflichtet, diese Verbindung herzustellen.
Wenn Sie die Grünen als Blockierer sehen, wäre es aus Ihrer Sicht dann leichter mit der FPÖ und kommt die somit eher als Regierungspartner infrage?
Ich treffe jetzt keine Koalitionsaussagen. Je klarer der Regierungsauftrag, umso besser lassen sich auch die Optionen diskutieren. Da gibt es keine Fixierung, es gibt auch keine auf Blau.
Sie haben 2019 im Wahlkampf gemeint, FPÖ-Landesobmann Christof Bitschi würde Bundeschef Herbert Kickl die Schuhe putzen und verfolge keinen eigenständigen Kurs. Hat sich Ihr Bild gewandelt?
Das ist Status quo sozusagen. Wobei das eine wichtige Frage aufwirft. Nämlich woran soll man einen Partner messen? Für mich ist klar, dass wir eine offensivere Standortpolitik und klare Entscheidungen in der Infrastruktur brauchen. Wir brauchen natürlich einen wesentlich härteren Kurs in Migrations- und Asylfragen.
Zuletzt haben uns etwa die Grünen nicht mitgemacht bei der Frage von Verpflichtungen – z. B. Sprache lernen, Wertekurse zu machen oder gemeinnützige Arbeit zu leisten –, ob wir auch sanktionieren können, wenn sich einer verweigert. Das ist für mich ein Punkt, über den man gar nicht reden kann.
Und wenn sich jemand Arbeit verweigern würde, muss klar sein, dass gewisse Sozialkürzungen stattfinden. Auch beim Umbau der Sozialhilfe muss klar sein, dass man eine Wartefrist einführt und es nicht gleich volle Leistung am ersten Tag für Asylberechtigte gibt.
Wobei es lebhafte Debatten dazu gibt, was in diesen Bereichen überhaupt rechtlich machbar wäre.
Richtig, aber es werden Reformen kommen in diesem Bereich. Im nächsten Regierungsprogramm muss da ein klarer Kurs in dieser Frage drinnen sein. Den halte ich nicht für besonders diskutabel, da wird es keinen Millimeter geben. Man wird auch österreichweit über die Reform der Sozialhilfe reden müssen, auch des Arbeitslosengeldes - degressive Modelle, Wartefristen. Das wird kommen.
Man kann nicht so tun, als hätte keine Migrationswelle stattgefunden. Mit den Grünen natürlich denkbar schwierig. Die letzten Monate sind die einfach mehr nach links gedriftet, ideologischer geworden, sehr blockierend bei den großen Infrastrukturprojekten, sie haben völlig auf Blockade geschaltet.
Sie haben Klimaschutz schon vor Jahren ein „Gebot der Stunde“ genannt. Die FPÖ zweifelt in dieser Thematik wissenschaftliche Fakten an. Schwierig für Sie?
Im Land selbst würde ich es nicht unbedingt so sehen, weil wir in den wesentlichen Entscheidungen sogar einstimmig im Landtag waren. Wir haben ein eigenständiges Programm zur Energieautonomie entwickelt, da gibt es einstimmige Beschlüsse dazu. Es gibt den einstimmigen Beschluss zum weiteren Ausbau der Wasserkraft.
Vor Ihren Landtagswahlen finden die Nationalratswahlen statt. Einige Ihrer Landeshauptmann-Kollegen haben für Schwarz-Rot im Bund Stimmung gemacht. Wie halten Sie es damit?
Ich habe in der Frage immer den Bundeskanzler unterstützt, der nach außen hin immer klar formuliert hat: Mit Kickl nicht. Und dass sich die Frage stellt, wer soll die Republik führen. Die Chancen, Erster zu werden, sind intakt. Ich würde jetzt anraten, bevor man Koalitionen diskutiert, eher diese Frage im Vordergrund zu halten. Eine Zusammenarbeit mit Kickl ist ÖVP-intern durchwegs abgelehnt worden.
Egal ob als Klubobmann, Minister, Bundeskanzler oder was auch immer?
Wir haben nicht über Funktionen geredet. Aber eine Kickl-FPÖ wurde abgelehnt. Ich kenne niemanden, der das befürworten würde.
Zurück nach Vorarlberg. Die ÖVP hat durch die Wirtschaftsbund-Inseratenaffäre, in der auch die WKStA ermittelt hat, einen Imageverlust erlitten. Befürchten Sie, dass der Wähler das quittiert?
Diese Causa halte ich eigentlich für beendet. Es ist ja auch so ausgegangen, wie ich es immer gesagt habe. Da wurden glatte Lügen über mich verbreitet. Es gab nicht einmal ein Verfahren. Das ist über die Prüfung eines Anfangsverdachts gar nie hinausgekommen. Wir haben insgesamt ein paar Schlüsse daraus gezogen. Wir haben das strengste Parteiengesetz in Österreich gemacht.
Ich wollte gar nicht auf Sie als Person hinaus, da sich diese Vorwürfe nicht erhärtet haben. Aber es ging in der Affäre auch darum, mit welchen Methoden der Wirtschaftsbund Inserate lukriert hat und dass Steuern nicht abgeführt wurden. Befürchten Sie Nachwehen?
Als Vorteil kann man es nicht bezeichnen. Wir haben aber rasch aufgeräumt. Natürlich ist es nicht gut, wenn man nicht weiß, wie die steuerliche Handhabung ist. Es wurde dann ja auch korrigiert. Es sind auch klare personelle Konsequenzen gezogen worden damals. Und einige Dinge haben wir einfach abgestellt, auch in diesem Inseratenbereich.
Ihre ÖVP muss mit Verlusten rechnen. Was heißt für Sie, klarer Regierungsauftrag?
Wir legen uns da nicht auf Prozente fest. Es ist klar, dass die Ausgangslage keine einfache ist. Es lässt sich mit den vergangenen Wahlen nicht einmal im Ansatz vergleichen, weil große Krisen dazwischen gelegen sind. Das haben ja andere Bundesländer auch erlebt. Wir gehen natürlich nicht vom selben Ergebnis wie beim letzten Mal aus. Das wird sich wohl dort bewegen müssen, wo andere auch waren. Aber es sollte trotzdem ein ordentlicher Abstand zum Zweitgereihten da sein.
Aber man kann davon ausgehen, dass Sie auf jeden Fall eine Zweierkoalition bilden wollen oder sind auch Dreivarianten denkbar?
Ein Option ist es schon, aber nicht bevorzugt. Das sind keine Modelle, die unbedingt zum Erfolg führen. Das sieht man ja auch in Deutschland. Ausschließen kann man derzeit gar nichts. Wenn irgendwie möglich, werden Zweiervarianten bevorzugt.
Sie sind unter den amtierenden Landeshauptmann der längst dienende, aber mit 57 Jahren für einen Politiker noch nicht alt. In Vorarlberg wird aber darüber spekuliert, ob Sie nach dem Wahltag bleiben und wenn ja, wie lange. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube, das ist die Freude der Mitbewerber, solche Gerüchte in Umlauf zu setzen. Die Entscheidung ist glasklar gefallen. Wenn man antritt, tritt man auch für eine ganze Periode an. Ich habe keinerlei andere Überlegungen.
Die Industrie in Österreich kriselt. Machen Sie sich diesbezüglich auch Sorgen um den Standort Vorarlberg?
Wir spüren die letzten zwei Jahre natürlich schon. Hohe Lohnabschlüsse und verschärfte Wettbewerbsbedingungen. Wir spüren es im Export. Der große Handelspartner Deutschland lahmt. Das heißt, man muss die Wachstumschancen intakt halten. Das führt uns zum Anfang des Gesprächs zurück. Wir sind ein Produktionsstandort und wollen konkurrenzfähig bleiben. Dazu muss man ein paar Weichen stellen.
Auf der Bundesebene sind es wohl eher Steuerfragen und Lohnnebenkosten. Auf Landesebene ist es eine Fachkräfteoffensive. Ich halte auch die Leistungsdiskussion für absolut richtig. Auch da kann man schauen, mit wem kann man was umsetzen. 32-Stunden-Wochen lassen bei uns die Grausbirnen steigen. Das ist für Vorarlberg überhaupt kein Rezept.
Ihr ÖVP-Slogan im Wahlkampf heißt „Vorarlberg geht vor“. Das erinnert an „America first“ von Donald Trump. Haben Sie diesbezüglich Anleihen genommen und wollen eigene Interessen über die von anderen stellen?
Nein, das war eindeutig nicht das Vorbild. Es ist ein gesundes Selbstbewusstsein dahinter. Vorarlberg geht vor ist ja auch ein Wille voranzugehen, also nicht nur im Sinne, von Interessen gehen vor.
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