Kurz-Freund Thomas Schmid fühlte sich "benutzt" und packt aus
Seit Wochen brodelt die Gerüchteküche, nun ist es amtlich. Thomas Schmid, die zentrale Figur der Chatprotokolle und Vertrauter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, hat vor der Justiz ausgepackt - und möchte Kronzeuge im sogenannten Casag-Verfahren werden. In diesem sind alle Ermittlungen zusammengefasst, die sich aus dem Ibiza-Video ergeben haben, darunter auch die aktuellen Ermittlungen in der ÖVP-Inseraten-Causa, Stichwort: Beinschab-Tool.
Während Meinungsforscherin Sabine Beinschab von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den Kronzeugenstatus bereits erhalten hat, ist der Status beim Tiroler Schmid noch offen. Ein formeller Kronzeugenantrag sei bisher nicht gestellt worden.
Laut einer Aussendung der Behörde sei Schmid bereits im April 2022 „mit dem Wunsch, zu kooperieren und einen Kronzeugenstatus zu erlangen“, an sie herangetreten. Im Juni haben dann „insgesamt 15 ganztägige Vernehmungen stattgefunden“.
Dem KURIER liegt ein erster Teil des Ermittlungsaktes vor.
Kurz schwer belastet
Schmid erklärt eingangs, er wolle einen Schlussstrich ziehen und habe begonnen, die Sache aufzuarbeiten. „Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren.“ Nach seinem Ausscheiden habe der Ex-ÖBAG-Chef und Ex-Generalsekretär des Finanzministeriums den Eindruck gehabt, er sei „benutzt worden“ – konkret von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, den Schmid in dem Protokoll auch schwer belastet.
Dieser habe rund um die Hausdurchsuchung im Oktober 2021 (siehe Chronologie) von ihm verlangt, „die ganze Schuld“ auf sich zu nehmen und ihn aufgefordert, ihm seine Festplatte mit den Handychats auszuhändigen. Kurz meinte, er müsse sich „um diese Chats jetzt selber kümmern, weil sonst die ÖVP und das ganze Land den Bach hinuntergehen“.
Spannend ist Schmids Aussage zum Thema Beinschab-Tool. Zuletzt hieß es ja, dass nur das Umfeld von Kurz mit der Abwicklung der (frisierten) Umfragen befasst war, als der damalige Außenminister 2017 auf dem Sprung ins Kanzleramt war.
Sabine Beinschab hat es im Sommer vorgemacht: Die Meinungsforscherin, die für die ÖVP Umfragen frisiert haben soll, packte bei der WKStA aus – und könnte (teils) straffrei gehen.
Prinzipiell kann man nur dann Kronzeuge werden, wenn noch kein Zwang ausgeübt wurde und man von sich aus auf die Behörden zugeht und Tatsachen offenbart, die noch nicht Gegenstand von Ermittlungen sind.
Bei Beinschab lief es so: Zwar gab es bei ihr eine Hausdurchsuchung, und sie war auch kurzfristig in Haft. Dann lieferte sie der WKStA aber neue Sachverhalte und kooperierte.
Zum Ablauf: Die bzw. der Betroffene muss selbst einen Antrag auf den Kronzeugenstatus stellen, die WKStA entscheidet dann, ob sie von der Verfolgung zurücktritt. Diese Entscheidung muss von der Oberstaatsanwaltschaft als Fachaufsicht und schließlich vom Justizministerium genehmigt werden.
Schmid allerdings erzählt der WKStA, er habe „das Tool nur deshalb umgesetzt, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe. Ich habe dieses Tool für Kurz umgesetzt.“ Auf die Frage, ob Kurz gewusst habe, dass das Tool über das Finanzministerium (und damit mit Steuergeld) finanziert wird, sagt Schmid: „Ja, das war ihm klar.“
Nachsatz: „Kurz war zu diesem Zeitpunkt nicht Parteiobmann und konnte das nicht über die Partei finanzieren und organisieren.“ Schmid aber war zu dem Zeitpunkt Generalsekretär im Finanzministerium – und hatte Zugang zu Geld.
Kurz habe am Anfang gesagt, „dass das außer uns beiden niemand anderes wissen dürfe“ – nicht einmal jemand aus der Partei; abgesehen von Sophie Karmasin, mit der man die Umfragen „sehr wohl besprechen musste“. Karmasin war Geschäftspartnerin von Beinschab.
Wie wurden Österreich-Umfragen abgewickelt?
Auf den folgenden Seiten beschreibt Schmid detailliert die Abwicklung der Umfragen, die später in der Gratiszeitung Österreich erschienen sind, und das mutmaßliche Gegengeschäft über Inserate des Finanzministeriums.
Der Ex-Generalsekretär und ÖVP-Intimus hatte auch etwas über Wolfgang Sobotka zu erzählen: Der heutige Nationalratspräsident soll bei ihm interveniert haben, als beim Alois-Mock-Institut und bei der Erwin-Pröll-Stiftung Steuerprüfungen durchgeführt wurden. „Das könne nicht sein, es sei zu erledigen“, zitiert Schmid laut Akt Sobotka. Und tatsächlich sei es dann „im Sinne von Sobotka erledigt worden“.
Hausdurchsuchungen
Schmid gab anscheinend auch Anhaltspunkte für neue Ermittlungen, die am Dienstag gleich zu zwei Hausdurchsuchungen geführt haben. Es geht um den Verdacht der Bestechung bzw. Bestechlichkeit und des Amtsmissbrauchs.
Dem KURIER liegt auch die Durchsuchungsanordnung vor. Immobilieninvestor René Benko soll Schmid im Zeitraum 2016 bis 2018 um Unterstützung bei seinen Steuerverfahren gebeten haben. Schmid solle auf die zuständigen Beamten einwirken, damit keine oder möglichst geringe Abgaben festgesetzt würden, heißt es in dem WKStA-Papier.
Im Gegenzug soll Schmid eine Führungsposition bei Benkos Signa Holding angeboten worden sein. Jahresgehalt: 300.000 Euro, zuzüglich Bonuszahlungen und Dienstwagen. Schmid soll seinen Teil der Vereinbarung eingehalten haben, der Arbeitsvertrag kam letztlich aber nicht zustande. Der Grund laut Schmid: „Sebastian (Kurz, Anm.) will mich nicht gehen lassen.“
Bei den Steuerverfahren geht es erstens um den Tuchlauben-Komplex, das „Goldene Quartier“ im 1. Bezirk in Wien. Bis zuletzt war strittig, wie viel die Liegenschaften wert sind – davon hängt die Abgabenhöhe ab.
Keine Signa-Stellungnahme
Die WKStA war am Dienstag offenbar auf der Suche nach einem Gutachten und klopfte hierfür bei Spiegelfeld Immobilien, dem Unternehmen des Ehemannes von Gabi Spiegelfeld, PR-Beraterin und Kurz-Vertraute, an. Spiegelfeld sagt zum KURIER, ihr Mann habe bei der „freiwilligen Nachschau schlüssig nachweisen können, dass er das Gutachten nicht gemacht hat“. Die Beamten seien nach einer Stunde wieder gegangen.
Das zweite Steuerverfahren steht in Zusammenhang mit der Nutzung eines Privatjets. Von der Signa gab es keinerlei Stellungnahme gegenüber dem KURIER.
Außerdem wird drei Beschuldigten Untreue vorgeworfen: Schmid und ein weiterer Verantwortlicher des Finanzministeriums sollen „budgetäre Mittel zur Finanzierung von parteipolitisch motivierten Beratungskosten eines Consulting-Unternehmens zur Vorbereitung von Koalitionsverhandlungen im Interesse einer Partei verwendet haben“.
Detail am Rande: Schmid hat für sein Vorhaben einen neuen Strafverteidiger engagiert: Roland Kier. Dieser gibt sich auf Fragen nach dem angepeilten Kronzeugenstatus zugeknöpft. „Herr Schmid hat mir in dieser Causa gesagt, ich darf mit niemanden über irgendetwas reden. Ich muss mich daran halten“, sagt Kier.
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