Chat-Affäre: Wie Thomas Schmid ins Parlament gezwungen werden könnte

Thomas Schmid: Am Ende landet man bei den meisten Malversationen und Korruptionsvermutungen, die die Justiz seit mehr als 2,5 Jahren untersucht, bei dem früheren ÖVP-Pressesprecher und ÖBAG-Boss. Oder genauer: bei seinem Mobiltelefon und den darauf gespeicherten Chats.
Sie waren es, die im Herbst zum Sturz von Parteichef und Kanzler Sebastian Kurz geführt haben; sie waren es, die vor wenigen Wochen zu einem U-Haftbefehl gegen die früheren Familienministerin Sophie Karmasin geführt haben; und sie waren es auch, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass es den laufenden ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss überhaupt gibt.
Vor der Justiz, konkret der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA, musste Schmid bereits im März aussagen. Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass der gefallene ÖBAG-Boss nicht mehr in Österreich lebt und seinen Hauptwohnsitz nach Amsterdam verlegt hat. Die Justiz verfügt über Amtshilfeabkommen, zur Not hätten niederländische Staatsanwälte bzw. die Polizei Schmid vorgeladen, einvernommen – oder geholfen, ihn nach Österreich zu bringen.
Etwas anders ist die Sache beim parlamentarischen ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Hier galt bislang die Regel: Wer im Ausland lebt, dem kann die Parlamentsdirektion keine Ladung zustellen – ergo kann auch niemand im U-Ausschuss zur Aussage verpflichtet werden, sofern er nicht in Österreich gemeldet ist.
Das könnte sich nun ändern.
In der U-Ausschuss-Fraktion der SPÖ wird seit März ein Projekt vorangetrieben, das – in Anlehnung an den Disney-Klassiker „Finding Nemo“ - unter dem Arbeitstitel „Finding Schmid“ firmiert. Und wie dem KURIER bestätigt worden ist, haben die Juristen im Parlament eine bzw. mehrere Möglichkeiten ausgemacht, um Schmid möglicherweise doch ins Parlament zu bekommen.
Eine der Möglichkeiten: niederländische Gerichtsvollzieher. In den Niederlanden können sich nicht nur einheimische, sondern auch Behörden aus anderen Ländern an diese wenden. Die Parlamentsdirektion, die die Ladungen für den U-Ausschuss formal organisieren muss, könnte einen solchen einschalten und dieser ist dazu angehalten, das Schriftstück – also die Ladung – von Amts wegen an Thomas Schmid zuzustellen.
Gemäß § 33 der Verfahrensordnung im U-Ausschuss müssen Auskunftspersonen einer Ladung Folge leisten – unabhängig davon, wo ihr Hauptwohnsitz ist. Dass sie dafür eine längere Anreise oder Kosten in Kauf nehmen müssten, ist streng genommen irrelevant – die Parlamentsdirektion ersetzt Reise- und Aufenthaltskosten.
Konsequenzen
Sollte es dem Parlament gelingen, Schmid die Ladung in Amsterdam zuzustellen, hätte das weitreichende Auswirkungen für alle künftigen Untersuchungsausschüsse. Weniger für Schmid - er könnte sich angesichts der gegen ihn laufenden Ermittlungen bei einzelnen Fragestellungen entschlagen - als vielmehr für andere Zeugen. Denn eine erfolgreiche Ladung Schmids würde bedeuten, dass man sich auch dann nicht vor dem U-Ausschuss verstecken oder ihm entgehen kann, wenn man im Ausland wohnt bzw. dort seinen Hauptwohnsitz hat.
Ob Schmid im Falle einer erfolgreichen Ladung in den Niederlanden mit Zwangsmaßnahmen zu rechnen hätte, sprich: ob er im Ernstfall wirklich vorgeführt werden würde, ist offen.
In der SPÖ hieß es dazu nur: „Wir betreten hier absolutes Neuland.“
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