Regierung schnürt im Eiltempo ein 1,5-Mrd.-Paket

APA13389882-2 - 25062013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - VK Michael Spindelegger (l.) und BK Werner Faymann während des Pressefoyers nach Ende einer Sitzung des Ministerrates am Dienstag, 25. Juni 2013, in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Knapp die Hälfte der 1,5 Milliarden Investitionen bis 2017 sind bereits geplante Maßnahmen, die vorgezogen werden.

Angesichts der Pleite des Baukonzerns Alpine und der nach wie vor schwachen Wirtschaftslage hat die Regierung am Dienstag ein Konjunkturpaket beschlossen. Die Schwerpunkte des Pakets, das bis 2016 bis zu 1,59 Mrd. Euro kosten soll, liegen auf der Anhebung der Wohnbauförderung der Länder sowie auf Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und der Pflege. Zusätzliches Geld soll es auch für die Hochwasserhilfe geben. Teils sind die Maßnahmen bereits bekannt bzw. werden schon beschlossene Maßnahmen vorgezogen.

Heuer soll das Konjunkturpaket den Unterlagen zufolge 161 Mio. Euro kosten, im Jahr 2014 ist der Schwerpunkt mit 745,5 Mio. Euro geplant. 2015 sollen es zumindest 170 Mio. Euro sein, 2016 zumindest 110 Mio. Euro. Außerdem sind für 2015 und 2016 noch jeweils 200 Mio. Euro an zusätzlichen Mitteln für die Wohnbauförderung möglich, die allerdings erst im Rahmen des Finanzausgleichs mit den Ländern verhandelt werden müssen. Mit eingerechnet werden von der Regierung auch die beim Familienpaket angekündigten 100 Mio. Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung ab 2014.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut bewertet das Konjunkturpaket grundsätzlich positiv. Für eine kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich seien nationale Konjunkturprogramme zwar nur "begrenzt wirksam", sagte Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker. Die beschlossenen Schritte seien "unter den herrschenden Budgetrestriktionen" aber "positiv zu beurteilen". Wichtig sei nun eine rasche Umsetzung der Maßnahmen, denn Bauinvestitionen hätten eine gewisse Vorlaufzeit.

Budgetschonend

Die Regierung betont, dass das präsentierte Konjunkturpaket möglichst budgetschonend ausfallen wird. Zusätzliches Geld wird in die Hand genommen, von insgesamt 800 Millionen Euro frischem Geld, wie es geheißen hatte, wollte indes Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) keinesfalls sprechen. Nicht zur Gänze definiert ist offenbar, ob Rücklagen, die aufgelöst werden, als "zusätzliche Mittel" gelten können. Und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) versprach laut ATV-Vorabmeldung im Interview mit dem Privatsender, dass es 2014 "kein Sparpaket" brauchen werde. Faymann und Spindelegger halten demnach am Ziel, 2016 ein Nulldefizit zu schreiben, fest. Dies betonten sie am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Insgesamt positiv fallen die Reaktionen aus. Neben Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer zeigten sich auch die Oppositionsparteien Grüne und BZÖ einigermaßen angetan. Auch die Kritik von Freiheitlichen und Team Stronach hielt sich in Grenzen (mehr Reaktionen siehe Bildergalerie).

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Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger präsentierten am Dienstag das im Vorfeld angekündigte Konjunkturpaket.
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Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar betonte, dass es sich bei vielen der nun angekündigten Budgetmittel um Investitionen handle, die von den Oppositionsparteien schon mehrmals gefordert worden seien. Nun kurz vor der Wahl schütte die Regierung das Füllhorn aus, wobei laut Lugar noch unklar ist, ob die versprochenen Gelder überhaupt vorhanden seien.
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Etwas milder urteilt für einmal das BZÖ. Obmann Josef Bucher findet es positiv, dass Bauprojekte vorgezogen werden. Das helfe jedoch Österreichs Wirtschaft nicht langfristig. Das beste Konjunkturprogramm bestehe darin, Steuern zu senken und Verwaltung abzubauen.
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Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen gingen von der Idee her durchaus in die richtige Richtung, meinte Grünen-Vize Werner Kogler. Allerdings ist er genervt davon, dass die Regierung ohnehin schon bekannte Maßnahmen wie den Ausbau der Kinderbetreuung schon wieder verkaufe.
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Rundum zufrieden zeigte sich Arbeiterkammer-Chef Rudolf Kaske. Investiert werde "genau in jenen Bereichen, die nicht nur den Menschen wesentlich helfen sondern auch Arbeit schaffen", sagt Kaske.
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Als "wichtige Maßnahme zur rechten Zeit" bezeichnete Karl Wurm, Obmann des Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen, die Pläne der Regierung. Es sei zu hoffen, dass die Mittel in hohem Maße der Finanzierung von preisgünstigen Mietwohnungen zu Gute kämen.

Die angekündigten Maßnahmen im Detail:

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WOHNBAUFÖRDERUNG: Die Länder erhalten 2014 zusätzlich 276 Mio. Euro für die Wohnbauförderung. Das Geld soll aus der Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen im Herbst stammen, die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes noch vor der Wahl erfolgen. Abrufen können die Länder das Geld, wenn sie mehr Wohnungen bauen als im Durchschnitt der letzten Jahre. Insgesamt sollen so 14.000 zusätzliche Wohneinheiten entstehen, wobei die Regierung mit durchschnittlich vier Arbeitsplätzen pro Wohnung und insgesamt 0,5 bis 0,8 Prozentpunkten zusätzlicher Wirtschaftsleistung (BIP) rechnet. Im künftigen Finanzausgleich stellt die Regierung den Ländern für 2015 und 2016 je 200 Mio. Euro zusätzlich in Aussicht. Das muss allerdings noch verhandelt werden.

Außerdem soll das Konjunkturpaket binnen zwei Jahren jeweils 5.500 zusätzliche Wohnungen bringen, also in Summe 11.000 mehr. Diese je 5.500 Einheiten sollen 2014 und 2015 zu den derzeit jährlich rund 23.000 geförderten Neubauwohnungen hinzukommen, von denen etwa 15.000 auf den Geschoßwohnbau entfallen, sagte Gemeinnützigen-Obmann Karl Wurm am Dienstag zur APA.

RÜCKLAGEN: Gemeinnützige Bauträger haben derzeit die Möglichkeit, Rücklagen bis zu fünf Jahre lang anzusparen (danach müssen sie steuerwirksam aufgelöst werden). Diese Frist will die Regierung auf drei Jahre verkürzen. Sie erwartet sich davon einen Anreiz für zusätzliche Neubauten. Beziffert ist die Maßnahme im Ministerratsvortrag nicht.

KMU-FÖRDERUNG: Für Klein- und Mittelunternehmen (KMU), die wegen der schwachen Wirtschaftslage unter Kapitalknappheit leiden, will die Regierung Garantien für Überbrückungskredite auflegen. Die Garantien werden mit insgesamt 50 Mio. Euro begrenzt (maximal zwei Mio. Euro pro Einzelfall). Außerdem soll das Budget für die Förderung innovativer Investitionen auf 20 Mio. Euro verdoppelt werden (im Einzelfall ist die Investitionsprämie mit 37.500 Euro bzw. 5 Prozent der Investition gedeckelt).

PFLEGE und KINDERBETREUUNG: Die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, einen Teil der für die kommenden Jahre zugesagten Bundesmittel für die Pflege (Pflegefonds) vorzuziehen. Damit sollen heuer bis zu 71,25 Mio. Euro und 2014 bis zu 36,25 Mio. Euro zusätzlich zum Ausbau der Pflegeeinrichtungen zur Verfügung stehen. Außerdem sollen auch von den ab 2014 zugesagten jährlich 100 Mio. Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung ("Familienpaket") 50 Mio. Euro auf heuer vorgezogen werden.

HOCHWASSER: Für vom Hochwasser betroffene Unternehmen (Produktion, Tourismus) soll es bis zu 400 Mio. Euro zinsfreie Kredite (aus dem ERP-Fonds) geben. Die Kredite starten ab 10.000 Euro und gehen bis zu 7,5 Mio. Euro. Die für thermische Sanierung vorgesehenen Fördermittel werden außerdem für bestimmte Hochwassermaßnahmen bzw. zur Behebung bestimmter Hochwasserschäden geöffnet (Einbau einer Heizung auf Basis erneuerbarer Energieträger nach Hochwasserschäden). Der Konjunkturbonus auf die thermische Sanierung wird zudem von Ende Juni bis Ende September verlängert (was innerhalb des vorgesehenen 100 Mio. Euro-Budgets 20 Mio. Euro kosten soll).

Außerdem wird auch der Ausbau des Hochwasserschutzes an der Donau beschleunigt. Der Bund wird dafür 2014 bis 2019 jeweils 10 Mio. Euro vorzeitig zur Verfügung stellen. Das Budget für Bundeswasserbau sowie die Wildbach- und Lawinenverbauung wird für zehn Jahre auf 200 Mio. Euro jährlich aufgestockt. Zusätzlich 500.000 Euro soll es für Tourismus-Marketing geben.

BUNDESBAUTEN: Die Bundesimmobiliengesellschaft soll zusätzlich zu den heuer geplanten Energieeffizienz-Investitionen (38,1 Mio. Euro) noch Baumaßnahmen im Wert von 44,6 Mio. Euro vorziehen (insgesamt also 82,7 Mio. Euro aus Gewinnrücklagen). Die für historische Gebäude zuständige Burghauptmannschaft wird 2,5 Mio. Euro aus Rücklagen für Sanierungsprojekte verwenden.

Seit Wochen hagelt es schlechte Nachrichten: 279 verlorene Jobs bei Niedermayer; 800 Steirer zittern wegen der Pleite einer Grazer Leiharbeitsfirma; 300 Mitarbeiter sind bei Dayli ihre Arbeit los; 5000 Jobs hängen nach dem Alpine-Crash in der Luft. Damit war endgültig Feuer am Dach der Politik: „Die Einschläge kommen immer näher. Wir müssen alles, was wir haben mobilisieren“ (VP-Wirtschaftsminister Mitterlehner).

Wie viel darf’s denn sein? 100 oder 500 Millionen? Oder gleich 1,5 Milliarden? 100 Tage vor der Wahl hat die rot-schwarze Auktion beim Konjunktur-Paket viel von einer billigen Milliarden-Show. Auf dem Papier steckt die Regierung 1,5 Milliarden in die Wirtschafts-Belebung. Gut die Hälfte wurde bloß neu verpackt: Mehr Kindergärten wären auch ohne Pleite-Welle gebaut worden.

Die Alpine-Jobs werden zudem nicht von der Regierung, sondern von jenen Firmen auf Zeit gerettet, die deren Baustellen und Baulose übernehmen. Wie viele Jobs die Steuer-Millionen auf Dauer retten, werden wir erst lange nach der Wahl wissen. Ob damit „neue Schulden“ gemacht werden, bleibt eine akademische Frage. Ausgaben, die nichts kosten, gibt es nur auf Wahlplakaten. Das nun aus Budget-Reservetöpfen aktivierte Geld ist perdu – und fehlt so auch beim künftigen Abbau alter Schulden. Der Job-Rettungsschirm ist dennoch mehr als ein klebriges Wahlzuckerl. Denn nichts zu tun, kostet nicht mehr Jobs, sondern noch mehr Rückhalt beim nächsten Rettungsschirm für den Euro. Dafür gab es zu Recht Milliarden, weil diese Investition „systemrelevant“ war und ist.

Zieht man den Propaganda-Zuschlag ab, steckt die Regierung pro Jahr etwas mehr als hundert neue Budget-Millionen in die gestern präsentierte Bau-Offensive. Das ist vor allem für jene Tausende Familien „systemrelevant“, die jetzt um ihr Arbeitseinkommen zittern.

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