Koalitionsblockade: Mehr Transparenz bei EU-Jobvergabe
Othmar Karas – diesen Namen wird die ÖVP so schnell nicht mehr los. Nachdem vergangene Woche ihr kleiner Koalitionspartner, die Grünen, den langjährigen EU-Parlamentarier als EU-Kommissar vorgeschlagen hat (wie zuvor schon die Oppositionsparteien Neos und SPÖ), spricht sich mit Andreas Treichl jetzt auch eine honorige Persönlichkeit mit ÖVP-Vergangenheit für Karas aus.
„Der europäischste Österreicher, den ich kenne, mit der größten Erfahrung in Europa ist Othmar Karas“, sagt der Präsident des Europäischen Forums Alpbach und Ex-Erste-Bank-Chef, als er von der APA nach seinem Favoriten für die Nachfolge von Kommissar Johannes Hahn gefragt wird.
Kritik an ÖVP
Durch die Blume kritisiert Treichl, der im Umfeld von Erhard Busek in Wien engagiert war und in den 1990ern dann Finanzreferent der Bundespartei, die EU-kritische Haltung der türkisen Regierungsriege: Österreich habe sich in den vergangenen 20 Jahren „nicht sehr darum gekümmert, in Europa wirklich eine Rolle zu spielen“, sagt Treichl. „Und wenn wir noch dazu manchmal sehr eigene Positionen vertreten, die nicht unbedingt als solidarisch angesehen werden, dann hilft das natürlich auch nicht.“
Zuletzt bezeichnete etwa EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler das EU-Renaturierungsgesetz als „weiteres Diktat aus Brüssel“. Edtstadler gehört übrigens zu jenen, die sich für den Posten in der EU-Kommission interessieren würden.
Zusammenraufen
ÖVP-Favorit ist Finanzminister Magnus Brunner. Da spielen aber die Grünen nicht mit – und schlugen deshalb vor rund einer Woche Karas als Kompromiss vor. Seine Amtszeit als Erster Vizepräsident des EU-Parlaments neigt sich dem Ende zu. Er selbst sagte bereits, er würde „zur Verfügung stehen“, sollte es zu einem Vorschlag kommen.
Inzwischen ist ein neuer Name aufgetaucht: Johannes Kopf, derzeit AMS-Chef. Die Grünen dementieren das aber. Auf KURIER-Nachfrage heißt es am Freitag, der Stand der Verhandlungen mit der ÖVP sei unverändert.
Regierung solle sich beeilen
Als Nächstes meldet sich Franz Fischler in den Oberösterreichischen Nachrichten zu Wort; er war Österreichs erster EU-Kommissar (1995 bis 2004). Fischler mahnt zur Eile – Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sollen sich „zusammenraufen“. Denn: „Je länger man jetzt mit der Nennung zuwartet, desto weniger Portfolios sind noch offen.“
Fischler geht „mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit“ davon aus, dass Ursula von der Leyen kommende Woche im EU-Parlament als Kommissionspräsidentin wiedergewählt wird, danach muss sie ihre Kommission zusammenstellen. Eine Reihe von Staaten hätten ihre Kandidaten schon gemeldet bzw. Wünsche deponiert.
Sorge vor einem Lückenbüßer
Auch SPÖ und Neos kritisieren, dass das österreichische Kommissionsmitglied (wer auch immer es dann wird) durch das gegenseitige Blockieren von ÖVP und Grünen nicht zu einem Lückenbüßer mit weniger relevanten Zuständigkeiten werden dürfe.
Zudem fordern sie ein öffentliches Hearing potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt, bevor der Hauptausschuss des Parlaments auswählt, „wer die europapolitisch kompetenteste und am besten geeignete Person ist“, so SPÖ-Chef Andreas Babler. Schließlich müsse die Besetzung eines derart wichtigen Amts „transparent und mit einer breiten, öffentlichen Debatte stattfinden“, ergänzt Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Bürgerinnen und Bürger sollen sich ein Bild der Personen machen können, die Abgeordneten beim Hearing die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen. Bereits vor der Bestellung Johannes Hahns (ÖVP) 2019 hatten die Neos für ein öffentliches Hearing plädiert, blieben damit aber erfolglos.
Auch die Grünen haben sich „seit jeher“, wie es aus dem Klub heißt, dafür ausgesprochen – und unterstützen auch jetzt die Forderung von SPÖ und Neos. „Wir Grüne sind für rechtlich verpflichtende Hearings bei künftigen Kommissarsbestellungen.“
Die ÖVP hält davon nichts. Aus der Parteizentrale heißt es am Freitag: „Wir sind mit der jetzigen gesetzlichen Regelung zufrieden.“
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