Knalleffekt: Peschorn will das BVT umbauen
Am Freitag trudelte in der Kanzlei von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ein zweiseitiges Schreiben ein – mit brisantem Inhalt. Der Innenminister des Expertenkabinetts, Wolfgang Peschorn, erklärt sich in dem Dokument überraschend selbst zum neuen Leiter der Reform des österreichischen Verfassungsschutzes (BVT).
Das ist ein Paukenschlag. Denn bisher wurde erwartet, dass eine derartig wichtige Angelegenheit erst von einer neuen, gewählten Regierung durchgeführt werde. Doch nun ist alles ganz anders.
„Es ist meine Absicht, die Abgeordneten des Nationalrates im Ständigen Unterausschuss des Ausschusses für innere Angelegenheiten darüber ehestmöglich in Kenntnis zu setzen. Ich freue mich auf einen diesbezüglichen Terminvorschlag“, schreibt Peschorn an Sobotka.
Zu „Chefsache“ gemacht
Der Innenminister bestätigt den Plan auf KURIER-Anfrage: „Die Neustrukturierung der nachrichtendienstliche Aktivitäten und damit des BVT ist für die Republik von besonder Bedeutung, deswegen habe ich das zur Chefsache gemacht“, sagt Peschorn.
„Für mich ist es wichtig, dass gerade auch diese Reform alleine von sachlichen Argumenten bestimmt wird und für jedermann nachvollziehbar ist. Für eine erfolgreiche Reform ist ein parteiübergreifender politischer Konsens notwendig. Um diesen werde ich mich bemühen.“
Doch schon der Fahrplan des Mammutprojekts könnte zum Stolperstein werden. Denn derzeit tagen keine Ausschüsse des Parlaments. Laut Parlamentsinsidern kommt ein Termin für den Ausschuss nur zustande, wenn sich alle Parteien darauf verständigen können.
In der SPÖ zweifelt man, ob sich Peschorns Plan noch ausgeht in den nächsten Monaten – vor der Wahl und während der dann anstehenden Regierungsbildung. Stephanie Krisper, Sicherheitssprecherin der Neos, „pocht auf einen baldigen Termin. Ich fordere, was die vergangene Regierung nicht zuließ: eine Reform, die offen unter Einbindung von Parlament, Rechnungshof und Rechtsschutzbeauftragtem erarbeitet wird.“
Vorerst ist der Verfassungsschutz jedenfalls eine Baustelle, an der zuletzt einiges herumgedoktert wurde. Tatsächlich gibt es innerhalb der Behörde zwei Bereiche, bei denen unklar ist, ob und wie diese zusammenpassen.
Das BVT hat nämlich in Europa eine Sonderrolle: Es analysiert und ermittelt – ist aber zugleich eine Polizeibehörde, die selbstständig Festnahmen durchführen kann. Reist beispielsweise ein russischer Spion ein, könnten die Beamten die Reisebewegung abklären, ihn beobachten – und dann auch aus dem Verkehr ziehen.
Doch das alles hat auch Nachteile: Das BVT ist kein „echter“ Geheimdienst und muss sich stets penibel an alle Vorschriften halten. Nicht zuletzt die BVT-Razzia zeigte, dass in der Behörde alles verschriftlicht wird – was etwa der Justiz den Zugriff auf sensibelste Informationen ermöglichte.
Deutsches Modell?
Das Gegenmodell ist etwa das deutsche. Dort werden Analyse und Ermittlung strikt von der Polizeibehörde (Staatsschutz) getrennt. So bleiben Geheimnisse und verdeckte Ermittlungen meist besser geschützt. Dafür wird oft parallel ermittelt, die linke Hand weiß mitunter nicht, was die rechte tut. Die nunmehrige Reform dürfte das Ziel haben, das deutsche Modell einzuführen, meinen Insider.
Wie die Trennung aussehen kann? Eine Variante wäre, die Analyse im BVT zu belassen und die Ermittlungen dem Bundeskriminalamt zu übergeben. Das wäre ein sauberer Schnitt. Das war zunächst auch der Plan des damaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ). Die Reformgruppe im Innenministerium hat das bereits durchgeplant, dann wurde die Idee aus ungeklärten Gründen von Kickls Gefolgsleuten über den Haufen geworfen.
In weiterer Folge sollten die zwei Einheiten zwar getrennt werden, aber unter einem Dach im BVT bleiben. Diese zweite Variante hätte den Vorteil gehabt, dass alle Spitzenposten im BVT neu ausgeschrieben hätten werden können.
Der Plan hätte im Juni – nach Probeläufen und Geheimprojekten – umgesetzt werden sollen. Kickls Abberufung verhinderte das. Peschorn startet nun einen neuen Anlauf. Bis zur vollen Umsetzung wird es wohl Jahre dauern.
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