Nehammer will 4,5 Milliarden für Kinderbetreuung bis 2030

ORF-SOMMERGESPRÄCHE: SCHNABL / NEHAMMER ++ ACHTUNG SPERRFRIST MONTAG, 4. SEPTEMBER 2023 - 21:05 UHR BEACHTEN ++
ÖVP-Chef Nehammer will die Kinderbetreuung ab 1. Lebensjahr ermöglichen. Er glaubt an die Unschuld seines Vorgängers Kurz und hält am Nein gegen Kickl und seiner FPÖ fest.

Im Gegensatz zu seinen Vorrednern (Grünen-Chef WernerKogler/mit hochgekrempeltem Hemd, FPÖ-Chef Herbert Kickl/mit Sakko, Jeans, krawattenlos, SPÖ-Chef Andreas Babler/mit Anzug und offenem Hemd) absolviert ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer sein zweites ORF-Sommergespräch mit Anzug und Krawatte.

Nehammer will 4,5 Milliarden für Kinderbetreuung bis 2030

SPÖ-Chef Andreas Babler

Sondersitzungen, wie jene, die jüngst von SPÖ und FPÖ einberufen wurde, erachtet er nicht als Ärgernis, sondern als "Chance“, wie der dritte Kanzler in vier Jahren auf Nachfrage, mitten im Parlament stehend, sagt. Im neu renovierten Parlament, das im II. Weltkrieg zerstört worden ist, das den „Charme der 50er und 60er Jahre in sich trägt“, wie Nehammer gleich einer Werbeeinschaltung für das Parlament festhält, vergegenwärtige er sich beim Blick auf die Besuchergalerie stets, dass „die Politik für die Menschen da ist“.

Beziehung zu Babler ist "professionell“

Dass der Umgangston im Parlament oft rau ist, wie Moderatorin Susanne Schnabl anmerkt, bestätigt Nehammer. Mit den „härtesten Kritikern“ wie SPÖ-Chef Andreas Babler gebe es „jedenfalls“ eine Gesprächsbasis und Kontakt. Die Beziehung sei „professionell“. Nehammer kennt den nunmehrigen SPÖ-Chef und Traiskirchner Bürgermeister aus seiner Zeit als ÖVP-Innenminister.

NATIONALRAT SONDERSITZUNG: NEHMAMMER / KICKL

ÖVP-Chef Karl Nehammer und FPÖ-Chef Herbert Kickl im Parlament

Nehammer definiert sich selbst als „sehr leidenschaftlichen Politiker“, der bereits als ÖVP-Generalsekretär einen Leitsatz verfolgt habe: „Mir war immer wichtig, hart in der Sache zu sein. Das ist Politik. Das macht uns auch aus als Politikerin und Politiker. Aber gleichzeitig immer auch den Menschen respektieren, der vor einem steht.“ Ob das auch für FPÖ-Chef Herbert Kickl gilt?

„Kickl hat sich selbst radikalisiert“

„Herbert Kickl hat sich selbst radikalisiert“, sagt der ÖVP-Chef, „im Lauf der Jahre“. Das merke man an seinem Auftreten. „Wenn man so will, ist das sehr authentisch. Er bleibt so wie er ist.“ Genau daher sei er ein „Sicherheitsrisiko“ geworden, begründet der Kanzler zum wiederholten Male den expliziten Anti-Kickl-Kurs der ÖVP. Ob er überhaupt eine Gesprächsbasis mit Kickl habe, beantwortet Nehammer mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges (24.2.2022). Er habe, nachdem er selbst um 4 Uhr 15 vom Heeresnachrichtendienst informiert wurde, alle Klubchefs der Parteien kontaktiert.

"Gescheit sitzen“

Im „Sprechzimmer 23“, das Beate Meinl-Reisinger als „Art Verhörzimmer“ und FPÖ-Chef Kickl als „Stasi-Verhörraum“ bezeichnete, adjustiert Nehammer erst seine Krawatte und achtet darauf, „dass wir gescheit sitzen“. Das tut er dann auch zurückgelehnt, teils gerade sitzend und nach vorne gebeugt, gestikulierend.

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Zu Beginn will Schnabl vom zweifachen Familienvater wissen, wie es um die Kinderbetreuung in Österreich bestellt ist. Diese ist, gesteht der ÖVP-Chef ein, „eine große Herausforderung schon während der Sommerferien“.

"Sehr ambitioniert“: 4,5 Milliarden Euro für frühkindliche Erziehung

Es bestehe „nach wie vor die Herausforderung, dass es in Österreich in der Altersgruppe 1 bis 2 und 2 bis 3 eine Versorgungslücke gibt an Kinderbetreuungsplätzen. Mein Ziel ist es, dass wir diese Lücke jetzt schließen.“ Der Plan sei „sehr ambitioniert“, koste 4,5 Milliarden Euro bis 2030 und lasse sich nur mit Bund, Land und Gemeinden gemeinsam bewerkstelligen. „Es darf nicht an der Frage der Kinderbetreuung scheitern, wenn Frauen arbeiten gehen wollen.“

Nehammer will 4,5 Milliarden für Kinderbetreuung bis 2030

ÖVP-Chef Karl Nehammer und ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner

ORF-Moderatorin Schnabl zeigt sich überrascht, über einen Lösungsvorschlag gleich bei der ersten Antwort, betont allerdings zugleich, dass es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr seit einem Jahrzehnt gibt.

Budgetäre "Gewaltanstrengung“

Die ÖVP wolle das Leben der Familien in Österreich erleichtern, zumal Österreich das „Land mit den größten Familienleistungen in der EU ist“. Es gelte jedoch zu bedenken, dass Kinderbetreuung ein „sehr komplexes Thema“ sei – allein „wegen der über 2.000 Gemeinden“. Die vorgesehenen 4,5 Milliarden Euro kämen einer „Gewaltanstrengung“ gleich, die Mittel den Gemeinden zugute, um die Infrastruktur aufzubauen und das notwendige Personal auszubilden. Der Bund werde die Gemeinden begleiten, forciert werden sollen Kooperationen zwischen Firmen und Gemeinden. "Mut zu Initiative“, nennt Nehammer das.

Rechtsanspruch: "Falsche Erwartungshaltung“

Der Rechtsanspruch scheitert derzeit, so der ÖVP-Chef, „an der Infrastruktur und den nötigen Menschen“. Erst „am Schluss des Prozesses kann der Rechtsanspruch stehen. Wenn ich den Rechtsanspruch vor die Infrastruktur stelle, dann überfordere ich die Gemeinden, die Menschen, schaffe eine falsche Erwartungshaltung“.  Ein „Rechtsanspruch ohne Möglichkeit bringt weder den Kindern noch den Müttern etwas.“

PK: BUNDESREGIERUNG NEUE MASSNAHMEN GEGEN DIE TEUERUNG: KOGLER / NEHAMMER

Vizekanzler Werner Kogler und Kanzler Karl Nehammer

Nickend, ohne dabei den permanent lächelnd Gesichtsausdruck zu verändern, hört sich Nehammer, die Hände auf die Beine gelegt, die Frage nach dem Klimaschutzgesetz an. Er bitte um „Redlichkeit“ in der Diskussion und auf eine „intellektuelle“ Verständigung darauf, dass „das Klima global ist und nicht national“. Den Klimawandel zu verlangsamen gelinge nur, „wenn wir viele Verbündete auf der Welt dafür schaffen“.

"Durch Klimaschutzgesetz per se ändert sich gar nichts“

Mit Wildbachverbauung und anderem, versuche man die Auswirkungen abzufedern, so Nehammer, der die Gelegenheit nutzt, sich bei allen freiwilligen Einsatzkräften der heurigen Unwetterkatastrophen zu bedanken.

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Es seien zudem schon „viele Gesetze beschlossen“, die dem Klimaschutz und der  CO2-Frage dienen wie die ökosoziale Steuerreform, die Abschaffung der kalten Progression, der Transformationsfonds oder die 600 Millionen Euro schwere Photovoltaikförderung. „Durch das Klimaschutzgesetz per se ändert sich gar nichts“, befindet der ÖVP-Chef. Ganz anderer Meinung ist bekanntermaßen der grüne Koalitionspartner.

"Redlichkeit“ und „Österreich ist nicht alleine auf der Welt“

Nehammer fordert erneut „Redlichkeit“ ein, wenn es um das Thema geht und stellt folgende Schlussfolgerung an: „Jetzt ein Versprechen zu machen, wenn Österreich ein Klimaschutzgesetz beschließt, wird es deshalb keine Muren mehr geben, …keine Hochwasserereignisse oder Starregenereignisse… Das ist unredlich.“

FILE PHOTO: Smoke billows from the chimneys of Belchatow Power Station in Poland

 CO2  aus der Atmosphäre zu bringen, das sei der „Klimaschutz, von dem alle sprechen“, den aber auch alle weltweit verfolgen müssten. China und Indien inklusive, so der ÖVP-Chef. „Österreich ist nicht alleine auf der Welt. Und die EU ist nicht alleine auf der Welt.“ Die EU sei der einzige Staatenverbund, der den Verbrennermotor verboten habe. „Nicht Lateinamerika, nicht die USA, nicht Asien. Warum ich das betone“, fragt der Kanzler sich selbst und gibt die Antwort: „Weil der Wohlstand des Landes auf Export beruht. Auf Produkte, die wir tatsächlich von Österreich aus in die Welt verkaufen. Dass das Klimaschutzgesetz alle Probleme lösen würde, das ist gar nicht der Fall“, betont Nehammer das Gesprochene gestenreich mit der rechten Hand.

"Klimaschutz mit Hausverstand"

Der Regierungschef habe „den Grünen immer gesagt: Wir brauchen ein Klimaschutzgesetz mit Hausverstand, das die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Betriebe und damit die Arbeitsplätze und den sozialen Wohlfahrtsstaat nicht gefährdet.“ Die Grünen und die ÖVP eine das Ziel des Klimaschutzes, nur der Weg dorthin sei ein anderer. Nehammer will dem Prinzip „fördern statt verbieten“ folgen, wie er sagt und mit dem rechten Arm weiter zu unterstreichen betont, macht es den Eindruck.

Österreich als "Freilichtmuseum"

Anhand eines Gesprächs mit einer „echten Kapazität“ auf dem Gebiet des Verbrennermotors, den er nicht namentlich nennt, legt er seine Auffassung von Klimaschutz dar. In der EU werde zu oft mit Verboten operiert. „Die Dampfmaschine ist nicht verboten worden, sondern von etwas Besserem ersetzt worden.“ Das sei auch sein Zugang, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. „Wir dürfen nicht ein Freilichtmuseum werden für die Welt, wo Deindustrialisierung stattfindet.“ Erneut stellt er sich selbst die Frage, was das heißt, um sich gleich darauf für die Gelegenheit zu bedanken, es sagen zu können. „Was heißt Deindustrialisierung: dass die Industrie abwandert, damit Arbeitsplätze und Wohlstand gefährdet werden.“

MINISTERRAT: BRUNNER / KOGLER / NEHAMMER / GEWESSLER

Ministerrat: Brunner, Kogler, Nehammer, Gewessler

Betont lächelnd, zurückgelehnt im Stuhl, hört der ÖVP-Chef nach einem gestenreichen Part die nächste Frage an. „Ein klares Ja“ gibt es vom Regierungschef hinsichtlich der Dauer der Koalition bis zum regulären Wahltermin. Nach vorne gebeugt, wieder betont freundlich sagt er Richtung Schnabl: Für die Opposition sei das Glas halbleer, für ihn halbvoll. Zwei Drittel des Regierungsprogramms aus 2019 seien „schon erledigt“ – trotz der Krisenjahre, lobt der Kanzler die Regierungsarbeit.

"Weg der Mitte“ mit dem Vizekanzler

Ein süffisantes Lachen kostet Nehammer die Frage nach der Teuerung und warum die Regierung den Mietpreisdeckel nicht bereits vor 5 Monaten beschlossen hat. „Da muss man ein stückweit differenzieren.“ Er und Vizekanzler Kogler hätten sich darauf verständigt, den „Weg der Mitte“ zu gehen. Die Kaufkraft sei inflationsbereinigt gesteigert worden – im Gegensatz zu anderen Ländern wie Spanien, das gerne ob der niedrigen Inflation ins Treffen geführt wird.

Direkthilfen wie die Valorisierung der Sozialleistungen würden nachweislich helfen, so Nehammer. „Wir haben es geschafft, die Inflation von 11 Prozent im Jänner auf 7,5 Prozent im August zu drücken.“ Die Prognosen besagen, so der VP-Chef, ein Sinken der Inflation. Gleichzeitig werde der Staat weiter in die Wirtschaft eingreifen wie beim Strompreisdeckel oder der Übergewinnsteuer.

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Mit 2024 wird ein Mietpreisdeckel schlagend – eingeführt deshalb, weil Mieter von Genossenschaftswohnungen 2024 15-prozentige Mieterhöhungen bekommen hätten. Mit seinem eigenen Zitat aus dem Frühjahr konfrontiert, wonach der Mietpreisdeckel nicht kommt, weil er ungerecht gegenüber den freien Mietnehmern wäre, sagt Nehammer im ORF: „Wir haben eine ganz andere Situation. Es sind über 1,2 Millionen Menschen, die von dieser Maßnahme profitieren werden.“

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Für 425.000 Menschen mit freien Mietverhältnissen werde im Anti-Teuerungsprogramm noch nach einer Lösung gesucht. „Das ist nicht trivial, weil es sich um freie Mietverträge handelt.“ Nehammer will das Gelungene benennen, weil es bis auf die Regierung niemand täte. Er will „nicht defensiv sein“. Es gebe über 200.000 offene Stellen, zeitgleich habe sich die Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich halbiert. Es sei nur „redlich“, das zu erklären. „Die eine und die andere Wahrheit gehören zusammen, dann ist es die ganze Wahrheit, sonst ist es eine Halbwahrheit“. Nehammer will mit jedem Satz weg von der Krisen-Erzählung führen. Hin zu „Mut“ und: „Es war noch nie so gut für einen jungen Menschen den Job für sich zu finden, den sie für sich als richtig empfinden.“ Kritik sei immer wichtig, lässt sich Nehammer nicht unterbrechen. „Aber Kritik allein löst nichts.“

„Was lerne ich daraus?“

Die Frage nach eigenen Fehlern kostet Nehammer erneut einen kurzen Lacher. Wo gearbeitet werde, würden Fehler passieren. „Die Frage ist: Was lerne ich daraus?“ 

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Um die Wirtschaft in Krisen-Zeiten zu unterstützen, da das BIP um 1,1 Prozent gesunken ist, habe die Regierung bereits die Steuerfrei-Prämie eingeführt. Hinsichtlich der bevorstehenden KV-Verhandlungen und geforderten Lohnerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich lässt er wissen: „Die Sozialpartnerschaft weiß am besten, was sich ausgeht und was nicht.“ Er habe „hohes Vertrauen, dass diese Herausforderung gestemmt wird“.

"Wer kompensiert den Schaden“ oder der Plan B

Dann kommt Susanne Schnabl auf eine andere Herausforderung zu sprechen. Die Regierung habe Vorsorge bezüglich der Energieunabhängigkeit von Russland getroffen. Gazprom habe 2022 weniger geliefert als verabredet, dennoch sei Österreich kein Nachteil daraus entstanden, so Nehammer, der auf die strategische Gasreserve der Republik verweist. Dass Österreich zu 60 Prozent weiter von Russland abhängig ist, stellt Nehammer nicht in Abrede. Aus den Gasverträgen zwischen OMV und Gazprom auszusteigen, sei keine Alternative, denn: „Wer kompensiert den Schaden?“ Man prüfe derzeit andere Gasversorgungsmöglichkeiten, beispielsweise via Kroatien oder Deutschland.

Nehammer will 4,5 Milliarden für Kinderbetreuung bis 2030

Nehammer und sein Vorgänger im Amt des Bundeskanzlers und ÖVP-Chefs Sebastian Kurz

„Der nächste Winter ist gesichert“, sagt Karl Nehammer. Beide Hände wie ein Buch vor sich gefaltet, setzt er fort: „Wir müssen davon ausgehen, dass alles schlechter wird. Und machen jetzt alles, damit die Unabhängigkeit Wirklichkeit wird.“

Russlands Präsident Wladimir Putin, den Karl Nehammer 2022 aufgesucht hat, ist für ihn auf Nachfrage ein „Kriegsverbrecher“. Österreich sei militärisch neutral, aber „nicht, wenn es darum geht, Haltung zu zeigen.“

"Parteipolitische Marotte“

In den letzten Minuten des Sommergesprächs kommt die Sprache auf Herbert Kickl, den Nehammer in seiner Zeit als ÖVP-Generalsekretär in der ÖVP-FPÖ-Regierung „sechs Mal gegen Misstrauensanträge verteidigt hat“, wie er sagt.

Kickl sei ein Sicherheitsrisiko, habe als Innenminister den „Verfassungsschutz total zerstört, total verunsichert“. Nehammer, der Kickl als Innenminister folgte, ist sich sicher: „Kickl hat als politischer Verantwortungsträger nicht Politik gelebt.“ Er sorge mit seiner Politik für Verunsicherung – bei Corona, im Ukraine-Krieg und der Frage nach Österreichs Neutralität und Kickls damit verbundener Kritik an dem Projekt Skyshield – einer gemeinsamen Raketenabwehr der EU-Staaten. „Dass Herbert Kickl ein Sicherheitsrisiko ist, das ist keine parteipolitische Marotte.“

Dass in Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich die ÖVP mit der FPÖ regiert, ist für Nehammer kein Beleg für Widersprüche in der ÖVP-Haltung. „Wir haben drei Bundesländer, wo die ÖVP mit der SPÖ regiert. Das sind Landesregierungen.“ Das Video der FPÖ-Jugend, das nun den Verfassungsschutz beschäftigt, stehe „klar unter dem Einfluss von Herbert Kickl“, so Nehammer.

"Die FPÖ ist nicht Herbert Kickl“

„Die FPÖ muss entscheiden, wohin sie geht. Sie hat 2019 entschieden, für Herbert Kickl die Regierung zu verlassen. Seitdem ist die Volkspartei die einzig glaubhafte Partei, die nie mit Herbert Kickl kooperiert habe. Als es beispielsweise darum ging, Sebastian Kurz das Misstrauen auszusprechen, seien alle Oppositionsparteien inklusive Kickls FPÖ geeint gewesen. „Es wird mit Karl Nehammer als Bundeskanzler keine Regierung geben mit Herbert Kickl. Auch nicht als Minister“, beteuert der ÖVP-Chef. Das gelte – auf mehrfache Nachfrage – auch für Kickl als Parteichef. „Natürlich. Es ist auch freiheitliche Tradition, Regierungen zu sprengen. Deswegen ist Herbert Kickl ein Sicherheitsrisiko. Nicht nur, weil er Verschwörungstheorie begonnen hat politisch zu inszenieren, sondern er glaubt selbst daran.“

Der ÖVP-Chef wiederholt: „Es gibt keine Koalition mit Herbert Kickl – und der FPÖ. Die FPÖ ist nicht Herbert Kickl. Wenn er Parteichef ist, wenn er Minister werden soll: Solange Herbert Kickl diesen Einfluss hat, ist die FPÖ gebunden an ihn; bindet sich an ihn auf Gedeih und Verderb; hat es eben 2019 schon bewiesen, dass sie dafür eine Regierung verlässt. Das ist die Entscheidung der FPÖ.“

"Redliche Antwort“

Mittlerweile im Lederstuhl nach vorne gebeugt, erklärt Nehammer, es gehe um die Entscheidung der Wähler. „Deswegen sind die Spekulationen für danach grundsätzlich so schwierig.“

Die redliche Antwort auf die nochmalige Koalitionsfrage und deren Haltbarkeit: „Werner Kogler und ich haben es uns vorgenommen.“

Nach den Ermittlungen rund um Kurz‘ Kanzlerschaft und dessen Prozesstermin im Oktober gefragt, sagt Nehammer: „Ich glaube an die Unschuld von Sebastian Kurz.“ Zudem glaube er an die „unabhängige Gerichtsbarkeit“ – absichtlich, wie er betont und die WKStA damit außenvor lässt. Die ÖVP habe in den letzten Monaten bewiesen, was sie alles zu ertragen imstande sei.

Eine „Vorverurteilung der Beschuldigten“ lehnt Nehammer ab. Auch die Volkspartei als Gesamtes mit ihren 600.000 Mitgliedern dürfe nicht vorverurteilt werden. Dann setzt Karl Nehammer kurz zur Inszenierung an, reicht mit der rechten Hand an die Holz vertäfelte Wand und sagt: „Der Raum, in dem wir hier sitzen, ist aufgebaut worden nach dem Krieg. Hier haben viele interessante Besprechungen stattgefunden, unsere vielleicht hier jetzt die originellste.“ In den letzten Jahrzehnten habe sich die ÖVP als „verlässlicher Partner“ erwiesen. Die ÖVP habe sich für mehr Transparenz eingesetzt, dass Informationsfreiheitsgesetz sei zu „90 Prozent fertig“.

Nehammer will 4,5 Milliarden für Kinderbetreuung bis 2030

Leopold Figl

Welcher Satz von Karl Nehammer in Erinnerung bleiben soll? Gemäß seinem großen Vorbild Leopold Figl schreibt Nehammer mit Bleistift auf einen Block Figls Zitat: „Glaubt an dieses Österreich“.

Er begründet diesen Satz damit, dass Österreich gut durch drei Jahren Pandemie und nun durch die Folgen des Krieges in Europa gekommen sei. „Mit Pessimismus hat man noch keine Krise überwunden. Damals hatten die Menschen nichts. Dieses Haus lag in Trümmern“, betont der ÖVP-Chef ein letztes Mal die Bedeutung des restaurierten Parlaments. „Er glaubt an dieses Österreich“, so Nehammer. Und den Glauben werde er nicht verlieren. Dann blickt er ein letztes Mal ernst in die Kamera und auf die Decke.

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