Johanna Mikl-Leitner: "Alle Minister standen zur Disposition"

Johanna Mikl-Leitner: "Alle Minister standen zur Disposition"
Die Landeshauptfrau von Niederösterreich erklärt, wie es zur Umbildung der Regierungsmannschaft kam, wie man mit den Grünen auskommt – und warum sie Lockdowns „satt hat“

Sie gilt als Chefin der mächtigsten Landes-Organisation der Volkspartei und hat beim Kanzler-Wechsel maßgeblich die Fäden gezogen: Im Club 3 von KURIER, Kronen Zeitung und profil äußerte sich Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner über den überraschenden Rücktritt von Sebastian Kurz, die Erwartungshaltung an Karl Nehammer – und warum sie die Lockdowns langsam „satt“ hat:

Frau Landeshauptfrau, gerade heraus gefragt: Ist Karl Nehammer ein Kanzler von Gnaden der Johanna Mikl-Leitner?   
Mikl-Leitner: Karl Nehammer ist eine Persönlichkeit, die Format, Kompetenz und Erfahrung hat, für Stabilität in der Regierung zu sorgen. Das ist das Wichtigste.

Aber Sie gelten als die Kanzler-Macherin.
Nach der Entscheidung von Sebastian Kurz ging es um eine Neu-Aufstellung und Weichenstellung. Alle Teil-Organisationen waren beteiligt und gemeinsam sind wir übereingekommen, dass Karl Nehammer der Richtige ist.

Ist er gekommen, um zu bleiben – oder nur ein Übergangskandidat.
Selbstverständlich bleibt er.

Wer hat über den Rücktritt entschieden? Der Bundesparteivorstand oder Kurz?
Sebastian Kurz hat für die Politik gebrannt, er  hat sich gejagt und verletzt gefühlt, am Ende kam ihm die Begeisterung abhanden. Es war seine Entscheidung, und dafür gebührt ihm auch Respekt.

Video: Club 3 mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner - Teil 1

Video: Club 3 mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner - Teil 2

Es gab keinen Druck von Ihnen?
Nein, den gab es nicht.

Was bleibt eigentlich von der Ära Kurz?
Sebastian Kurz hat großartige Arbeit geleistet. Ja, er hat Fehler gemacht, aber wer frei von Fehlern ist, werfe den ersten Stein. Bei der Frage, was bleibt, fallen mir spontan Projekte wie die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen, zwei Steuerreformen oder der Familienbonus ein. Und in der ÖVP ist er einer, der in guter Erinnerung bleibt, weil er wichtige Wahlerfolge gefeiert hat.

Ist es nicht eine Zumutung, dass sich mitten in einer Pandemie der Finanz- und der Bildungsminister „vom Acker“ machen?
Worum ging es? Es ging darum, Handlungsfähigkeit und Stabilität in der Regierung zu sichern. Wenn es um eine Neu-Aufstellung des Teams geht, dann stehen alle Minister zur Disposition. Und Karl Nehammer hat sich sein Team so ausgesucht.

Der neue Kanzler ist in der ÖVP Niederösterreich sozialisiert, das Selbe gilt für die Verteidigungsministerin und den neuen Innenminister...
Niederösterreich ist ein großes Land mit tüchtigen Kräften. Und in der Regierung kommt es nicht darauf an, aus welchem Bundesland jemand stammt. Man arbeitet für alle Österreicher.

Es ist Zufall, dass Nehammer aus der ÖVP Niederösterreich kommt?
Wenn Sie so wollen: ja.

Wie lang hält die Regierung?
Ich gehe davon aus bis zum Ende der Legislaturperiode. Es gibt viel zu arbeiten.

...und der Konflikt um den Lobautunnel?
Der ist ärgerlich und wir können das so sicher nicht stehenlassen, da geht es um  Projekte, die seit 20 Jahren in Planung sind. Ich lade Leonore Gewessler ein, mit mir in die Ostregion zu fahren. Da herrschen Wut, Zorn und Verärgerung.  Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Unsere Experten prüfen alle Rechtsmittel.

Eine Möglichkeit, den Tunnel schnell zu bauen, wäre ein fliegender Wechsel zur SPÖ.
Man kann nicht bei jeder Auseinandersetzung den Koalitionspartner wechseln. Nicht alle Entscheidungen der Grünen sind vertrauensbildend. Aber die Achse zwischen Karl Nehammer und Werner Kogler funktioniert.

Nächste Woche wird über den Lockdown entschieden. Ist es denkbar, das Land hier zu teilen?
Wien, Niederösterreich und das Burgenland hatten bereits einen längeren Lockdown als die anderen Länder. So etwas kann natürlich funktionieren.

Liegt die desaströse Impfquote auch daran, dass die ÖVP die Pandemie im Sommer für beendet erklärt hat?
Ja, ich fürchte, da waren wir wohl zu optimistisch.

Und die Impfpflicht?
Sie muss kommen. Es macht niemandem Freude,  Restriktionen vorzuschreiben und das Leben der Menschen einzuschränken. Und ja, auch ich habe es satt,  von einem Lockdown in den nächsten zu geraten – aber genau deshalb  mache ich mich jetzt für die Impfpflicht stark.

 

 

 

 

Pädagogin
Johanna Mikl-Leitner (*1964, Hollabrunn) studierte  Wirtschaftspädagogik und unterrichtete an der HAK Laa/Thaya, ehe sie 1995 in die ÖVP NÖ wechselte

Ministerin
1999 wurde sie Nationalratsabgeordnete. 2003 wechselte sie als Landesrätin  nach St. Pölten. Nach dem Rücktritt von ÖVP-Chef Josef Pröll  wurde sie 2011 Innenministerin und Bundeschefin des ÖAAB

Landeshauptfrau
2016 wechselte sie als Stellvertreterin Erwin Prölls nach NÖ, wurde 2017 zur ersten Landeshauptfrau von NÖ gewählt und schaffte bei der Landtagswahl 2018 mit 49,6 Prozent die absolute Mandatsmehrheit

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