Hundezone Politik: Gut gebellt ist halb gewonnen
Karl Nehammer war noch keinen Monat im Amt, da hatte sich seine Gefährtin schon im Kreisky-Zimmer breitgemacht. So zu sehen auf einem Foto, das der Kanzler zu Silvester auf Instagram postete: Hündin Fanny fläzt sich selbstbewusst auf dem Sofa, das Nehammers Amtsvorgänger Sebastian Kurz hinterlassen hat.
Fanny ist in bester Gesellschaft. Auch ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler – zur Zeit wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne – hat einen Hund im Büro. Struppi weicht ihr nicht von der Seite. Bei Interviews kann es schon einmal vorkommen, dass die Ministerin zwischen den Fragen ein Spielzeug werfen muss.
Das Bundeskanzleramt ist, so hört man, ein höchst hundefreundliches Haus. Das sei schon bei Kurz so gewesen, der in Edtstadlers Büro zu Besuch gekommen sei, um Struppi zu streicheln. Auch Mitarbeiter dürfen ihre Haustiere mit ins Büro nehmen, beim Gassigehen hilft man einander aus.
Der Heldenplatz ist das Revier von Juli, der Hündin von Alexander Van der Bellen. Hier geht der Bundespräsident am liebsten spazieren. Zum Laufen (für Juli) eignen sich die langen, mit roten Teppichen ausgelegten Gänge in der Hofburg. Und, wie ein Instagram-Video von einem offiziellen Empfang im Maria-Theresien-Zimmer zeigt, zum Herumwuzeln.
Juli
Juli wurde als Welpe in einem Plastiksackerl in Griechenland ausgesetzt, jetzt lebt sie in der Hofburg. Ihr voriger Besitzer war ein verstorbener Freund Alexander Van der Bellens. Er nahm Juli zu sich, als seine Hündin Kita starb.
Juli ist bei vielen Terminen des Bundespräsidenten dabei und schläft bevorzugt neben seinem Schreibtisch. Man trifft die beiden auch beim Gassigehen am Heldenplatz an. Hier sind sie am Weg zur Arbeit zu sehen.
Fanny
Kanzler Karl Nehammer postete im Dezember dieses Bild. Es zeigt Fanny, die 2019 als Welpe zur Familie Nehammer kam. Die Kinder hatten sich nach Fisch und Meerschweinchen einen Hund gewünscht.
Für die Familie ist Fanny ein Allrounder: sportlich, aktiv und durch ihr entspanntes Gemüt auch kindertauglich. Die Rasse passt zum Kanzler, meint Tier-Experte Kurt Kotrschal: „Ein Gebirgsschweißhund ist kein Faserschmeichler. Er ist bodenständig und passt auch auf.“
Struppi
Struppi wurde von einer Tötungsstation in Ungarn gerettet und über Freunde an Karoline Edtstadler weitervermittelt. Seit 2021 tobt Struppi durchs Kanzleramt, weicht der ÖVP-Ministerin nicht von der Seite. „Es zeugt von einer ethischen Einstellung, sich einen Hund mit so schwieriger Vorgeschichte zu nehmen. Er braucht viel Geduld und Zuwendung“, sagt Tier-Experte Kotrschal.
Die Ministerin gilt generell als Hundefreundin. Dieses Foto postete sie nach einem Besuch bei der Polizei.
Nova
Auch im Arbeitsministerium von Martin Kocher gibt es einen Hund: Nova, ein Cockerspaniel.
Bobo
Pamela Rendi-Wagner hat auch einen Hund - der ist allerdings privat. Dieser hier ist Bürohund Bobo, ein Golden Doodle, und er gehört SPÖ-Geschäftsführer Christian Deutsch.
Der für Tierschutz zuständige Minister ist übrigens Wolfgang Mückstein.
Daran erinnert Mückstein am jährlichen Tierschutztag. In der Pandemie geht diese Funktion des Gesundheitsministers eher unter.
Lieber Hunde streicheln
In Österreich hat das Thema Tiere in der Politik eine lange Tradition. Legendär der Satz des verstorbenen Kronenzeitung-Herausgebers Hans Dichand, der in einem Interview behauptete, er streichle lieber zu Hause seinen Hund, als politische Macht auszuüben. Als ob das eine nicht auch mit dem anderen zu tun hätte.
Auch international verlassen sich Politiker auf tierische Verführungskräfte. Und zwar beileibe nicht nur auf jene von Hunden und Katzen. Selbst Kaninchen und Chinchillas (etwa beim ehemaligen kanadischen Premier Stephen Harper) werden mediengerecht gestreichelt.
Und stehen auch dann noch in der Öffentlichkeit, wenn es ihre Besitzer längst nicht mehr tun. Bill Clintons Kater Socks hat eine eigene Wikipedia-Seite, obwohl er längst tot und sein Präsident seit 21 Jahren nicht mehr im Amt ist.
Der französische Politik-Journalist Lucas Jacubowicz hat dem Tier in der Politik nun ein Buch gewidmet. In „Un animal pour les gouverner tous“ (etwa: „Ein Tier, um alle zu regieren“, die Übersetzung liegt noch nicht vor) beschreibt er die lange Tradition der politischen Instrumentalisierung von Haustieren.
Zu Beginn stand das Pferd als Symbol für Macht. Von Bukephalos, dem Pferd von Alexander dem Großen, über das Mittelalter, wo der Ritter, die Verkörperung von Stärke und Gerechtigkeit, ohne Pferd undenkbar war. Später inszenierten sich Feldherren wie Napoleon auf hohem Ross, heute tun das bevorzugt russische und nordkoreanische Machthaber.
Auch den Hund beutet man seit Jahrhunderten einschlägig aus. Traditionell wurde er mit der Jagd in Verbindung gebracht, eine dem Adel vorbehaltene Tätigkeit. In royalen Haushalten versammelte man Hunde pittoresk um den Thron, und auf royalem Haushaltsgerät wie Geschirr oder Waffen bildete man Wildtiere in Unterwerfungspose ab, um die Dominanz über die Tierwelt – und auch über das Volk – zu zeigen.
Mit der Demokratie und dem allgemeinen Wahlrecht kam der Wandel: Mit Unterwerfungsposen kam man nicht mehr weit, es galt, den Wähler zu verführen und Vertrauen zu gewinnen.
Wie man das macht? Am besten tut man so, als wäre man ihm nahe. Neben Familienfotos eignen sich dazu Haustiere. Sie bringen augenblicklich Volksnähe. So, wie das einfache Volk, geht auch der Ranghöchste im Staate mit seinem Hund Gassi, streichelt seine Katze und reinigt den Hamsterkäfig. Er zeigt Herz und Verantwortung.
Danke, ganz lieb
Die Entwicklung der sozialen Netzwerke leistete dem Hang zum Haustier weiteren Vorschub. Hund und Katz’ bringen Klicks, Quote und Stimmen. Zur Macht der „Schau, wie lieb“-Bilder gesellt sich die Authentizität. Eine begehrte Marketing-Währung – selbst dann, wenn sie künstlich ist. Auf jeder Industriemarmelade klebt heutzutage ein „Wie hausgemacht“-Pickerl.
Das Tier gilt als Quintessenz von Authentizität. Es lügt nicht und kann nicht so tun, als ob. Keiner kann einen Hund zwingen, mit dem Schwanz zu wedeln. Was für eine Gelegenheit für die Politik, der doch das Image anhaftet, ständig so zu tun, „als ob“.
Ein Jahrzehnte zurückliegender Familienurlaub verfolgte US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney 2012 im Wahlkampf. Dass Familienhund Seamus eine mehrstündige Autofahrt einst auf dem Autodach bewältigen musste, kam dem Wahlkampfteam von Barack Obama zupass.
Im Romney-Lager grub man dafür einen Satz aus der Obama-Biografie aus, in dem dieser schreibt, als Kind in Indonesien Hundefleisch gekostet zu haben. Das Bild vom „Hundeesser Obama“ saß. Die Republikaner gingen mit dem Slogan hausieren: „Ich habe zumindest nicht meinen Hund gegessen“. Und auf Twitter kursieren Rezepte zur „Hundesuppe nach Obama-Art“.
Auch Nager machen mitunter politische Karriere. Mike Pence, Donald Trumps-Vizepräsident, besaß neben Hunden und Katzen ein Kaninchen. „Marlon Bundo“ wurde Teil eines perfekt orchestrierten Storytellings. „The vice presidential bunny“ war das erste Kaninchen als Passagier der Air Force two Fotos zeigten Marlon mümmelnd auf einem Rednerpult.
Mit einem Buch war zu rechnen. Nicht jedoch mit einem, das beschreibt, wie sich Marlon in ein anderes männliches Kaninchen verliebt. Mike Pence, erklärter Gegner der Schwulenehe, war wenig begeistert. Schnee von gestern. Im Jänner hat das konservative Kaninchen die Löffel abgegeben.
Kann man davon ableiten, dass Demokraten Tiere zur Volksverführung nutzen, während Despoten via Vierbeiner ihre Überlegenheit unterstreichen wollen? Ja, obwohl es natürlich Ausnahmen gibt, sagt Autor Jacubowicz. Denn auch ein demokratisch legitimierter Herrscher muss von Zeit zu Zeit zeigen, dass er an der Spitze der Pyramide steht.
Freundliche, ruhige Tiere lassen einen Menschen vertrauenswürdig und sympathisch wirken – dieser so genannte „Biophilie-Effekt“ liege in unserer Natur, erklärt Verhaltensforscher Kurt Kotrschal. Für einen Politiker habe ein Haustier abgesehen von der positiven Inszenierung auch ganz persönliche Vorteile: „Studien zeigen, dass gerade ein Hund eine große soziale und emotionale Unterstützung ist. Er ist ein Puffer gegen Alltagsstress.“
Obendrauf kommt der Faktor „bedingungslose Zuneigung“: „Mit einem Hund muss man nicht diskutieren, es ist ihm egal, was man sagt und wie man ausschaut – solange man nett ist zu ihm. Das kann für Menschen, die sich im Beruf permanent beweisen müssen, wohltuend sein.“
In den USA gab es seit zwei Jahrhunderten keinen tierlosen Präsidenten. Bis auf Donald Trump, der, wie semantische Untersuchungen seiner Tweets zeigen, Tieren gegenüber kritisch eingestellt ist. „Hunde“ ist eines seiner beliebtesten Schimpfwörter.
Nach vier Jahren Tierpause zogen mit Joe Biden wieder Hunde ins Weiße Haus. Die Schäferhunde, die in den wahlentscheidenden „Swingstates“ besonders beliebt sind, kamen im Wahlkampf oft zum Einsatz. Dass einer davon aus dem Tierheim stammte, hat auch nicht geschadet.
„Gerettete Tiere“, wie auch jener von ÖVP-Ministerin Edtstadler oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, stehen besonders hoch in der Wählergunst. Macron war zudem der erste Präsident, der einen Nicht-Rassehund zum Premier Chien machte, den Labrador-Mischling Nemo.
Apropos Labrador: Seit Charles de Gaulle hatten alle französischen Präsidenten ein Exemplar dieser Rasse. Zufall? Der Labrador gilt als beliebtester Hund in Frankreich. Im Gegensatz zu Macrons früherem Haustier, einer Argentinischen Dogge, die als Kampfhund eingestuft wird. Dogge Figaro wurde diskret in der Familie zugunsten des Sympathieträgers Nemo weitergegeben. „Macron wollte das Image des kalten Bankers gegen jenes eines empathischen Familienmenschen tauschen,“ sagt Journalist Jacubowicz.
Cat-Content von Rechts
Ob man mit Hund oder Katze Wählerherzen erobern will, ist grundsätzlich egal. Beide Tiere sollen die Halter freundlicher wirken lassen.
Was allerdings auffällt, ist, dass die extreme Rechte einen besonderen Hang zu Katzen hat. Weil sie als „süß“ gelten und so das harte Image der Rechten weichzeichnen sollen.
Vor allem aber sind Katzenbilder ein Renner in den sozialen Medien. Das weiß auch Lega-Nord-Politiker Matteo Salvini, dessen Instagram-Profil vor Cat-Content eine Zeit lang geradezu überging.
Auch Front-National-Chefin Marine Le Pen ist Katzenfan. Le Pen, deren Vater Jean-Marie sich gerne mit Dobermännern zeigte, ist übrigens geprüfte Katzenzüchterin.
Ein Haustier hat auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Fotos davon gibt es nicht, das Tier sei privat, sagt ihre Pressesprecherin auf KURIER-Anfrage. Sie versichert aber, dass Hündin Button „ein sehr süßer Familienhund“ sei.
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