Neues Gesetz: So soll eine Handysicherstellung künftig ablaufen
ÖVP und Grüne haben gestern, Mittwoch, im Nationalrat einen gemeinsamen Antrag für eine Reform der Strafprozessordnung eingebracht. Herzstück ist die Handy- bzw. Datensicherstellung, für die eine neue Ermittlungsmaßnahme eingeführt werden soll.
Der KURIER erklärt, wie solche Maßnahmen künftig ablaufen würden:
1. Die Anordnung
Derzeit muss die Staatsanwaltschaft zwar eine Hausdurchsuchung vom Gericht bewilligen lassen, dann kann sie aber mitnehmen bzw. von der Polizei mitnehmen lassen, was sie für nötig hält.
Das soll sich ändern, indem eine eigene Ermittlungsmaßnahme eingeführt wird: die "Beschlagnahme von Datenträgern und Daten". Für Beschlagnahmen wird immer eine gerichtliche Bewilligung benötigt, und davor steht eine Anordnung.
Die Staatsanwaltschaft müsste in diese Anordnung schreiben, um welches Verfahren und welche Tat es geht, warum die Maßnahme zur Aufklärung der Tat erforderlich und verhältnismäßig ist. Zudem muss sie umschreiben, welche Datenkategorien und Inhalte in Bezug auf welchen Zeitraum zu beschlagnahmen sind.
2. Die richterliche Genehmigung
Ein Richter genehmigt dann diesen vorab festgesteckten Rahmen - nicht mehr und nicht weniger. Das ist wichtig, weil nach diesen Kriterien später die Aufbereitung der Daten stattfindet.
3. Zugriff durch die Polizei
Die Polizei darf auch selbst und ohne richterliche Bewilligung zugreifen. Und zwar bei "Gefahr in Verzug", wenn also ein Verlust des Datenträgers bzw. einzelner Daten droht. Im Entwurf werden aber auch Einzelfälle genannt - etwa, wenn ein Beschuldigter flüchtig ist und man auf einem Handy Hinweise vermutet, wo er sich aufhält.
Zudem können Nachrichten gesichert werden, die sonst nach Ablauf einer bestimmten Zeit verschwinden würden - wie es in vielen Messenger-Apps ja eingestellt werden kann.
Möglich ist auch ein "punktueller Zugriff", wenn die Ermittler genau wissen, was sie brauchen und nicht den gesamten Datenschatz sicherstellen wollen. Beispielsweise, wenn es um einzelne Videos aus einer Überwachungskamera oder ein einzelnes Dokument auf einem Server geht.
4. Die Aufbereitung der Daten
Von den "Originalsicherungen" wird eine Arbeitskopie erstellt, die Daten werden dann im Umfang der gerichtlichen Bewilligung aufbereitet.
Das Ergebnis muss im Fall einer Anklage auch dem Gericht übermittelt werden. Und: Beschuldigte haben ein Recht auf Einsicht in den aufbereiteten Teil ihrer Daten. Aber dazu später mehr.
Die vorab umstrittenste Frage bei dem Thema war: Wer darf in den gesamten Datenschatz hineinschauen und das herausfiltern, was in der Anordnung festgelegt wurde?
In der Regel macht das schon jetzt meistens die Kriminalpolizei mit ihren Datenforensikern. Nach Vorstellung der ÖVP wäre ihnen diese Aufgabe fix übertragen worden - ohne Möglichkeit für die Staatsanwaltschaften, hineinzuschauen. Das ist im vorliegenden Entwurf aber nicht der Fall.
Über einen recht subtilen Querverweis gelangt man zu jenem bestehenden Paragrafen in der Strafprozessordnung, der darauf hinweist, dass die Staatsanwaltschaft "auch selbst Ermittlungen durchführen oder durch einen Sachverständigen durchführen lassen" kann.
5. Die Auswertung
Das Ergebnis der Datenaufbereitung wird dann inhaltlich ausgewertet - sprich: einzelne Chats werden angeschaut und strafrechtlich analysiert. Dabei verwendet die Staatsanwaltschaft Suchbegriffe.
Neu ist, dass auch Beschuldigte Suchbegriffe definieren dürfen - etwa, wenn sie glauben, dass es zu ihrer Entlastung dienen würde, wenn die Ermittler den einen oder anderen Chat auch lesen, auf den sie sonst vielleicht nicht gekommen wären.
Beschuldigte dürfen auch beantragen, dass Daten aus der Aufbereitung gelöscht werden, wenn sie meinen, dass sie für das Strafverfahren nicht von Bedeutung sind.
6. Zufallsfunde
Auch ein Knackpunkt in den politischen Verhandlungen des Entwurfs: Wie geht die Staatsanwaltschaft damit um, wenn sie bei der Durchsicht der Daten Hinweise auf eine andere Straftat entdeckt? Der Ibiza-Akt besteht bekanntlich zum Großteil aus Zufallsfunden, die die WKStA auf dem Handy von Thomas Schmid entdeckt hat - dazu gehört unter anderem die Inseratenaffäre.
Die ÖVP wollte die Möglichkeiten, Zufallsfunden nachzugehen, einschränken, Grüne, aber auch die SPÖ haben sich dagegengestemmt.
Im Entwurf sind "Zufallsfunde" nun im neuen Paragrafen 115j extra abgesichert.
"Ergeben sich bei der Auswertung von Daten Hinweise auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung als derjenigen, die Anlass zur Beschlagnahme von Datenträgern und Daten gegeben hat, so ist mit diesen ein gesonderter Akt anzulegen, soweit die Verwendung als Beweismittel zulässig ist", heißt es da.
Und: Wenn der Staatsanwaltschaft der aufbereitete Teil nicht reicht und sie in der Arbeitskopie des Originals weitersuchen will, muss sie eine neue Anordnung schreiben und diese wieder vom Gericht bewilligen lassen.
Nach den alten Regeln hat die WKStA über alle Chats verfügt und konnte nach Belieben selber suchen und auswerten. Künftig soll es also zumindest eine kleine Hürde geben.
7. Beschuldigtenrechte
Wie schon erwähnt, können Beschuldigte künftig Einsicht in die Aufbereitung der Daten nehmen - aber nur in ihre eigenen. Sie können beantragen, dass die WKStA nach Begriffen sucht, die sich entlastend auswirken könnten, und sie kann auch die Löschung von Daten beantragen.
Der Rechtsschutzbeauftragte der Justiz muss stärker eingebunden werden als bisher. So kann er die Anordnung und Durchführung der Beschlagnahme kontrollieren, ihm ist dabei "jederzeit Einblick in alle erforderlichen Akten, Unterlagen und Daten" zu gewähren, und auch er kann eine Löschung beantragen.
Nach Beendigung des Strafverfahrens müssen alle Daten gelöscht werden. Laut Gesetzesentwurf muss dem Rechtsschutzbeauftragte auch "die Gelegenheit gegeben werden, sich von der ordnungsgemäßen Vernichtung der Originalsicherung, der Arbeitskopie und des Ergebnisses der Datenaufbereitung zu überzeugen".
... und so geht's jetzt weiter
Der Antrag von ÖVP und Grünen wird jetzt im Justizausschuss im Parlament behandelt und kann im Zuge dessen noch erweitert bzw. geändert werden. In Stein gemeißelt ist das, was auf den 78 Seiten steht, also noch nicht.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat schon angekündigt, dass sie an dem Entwurf weiterarbeiten möchte - unter Einbindung von Experten.
Zudem gilt es, noch Partner zu finden. ÖVP und Grüne haben gemeinsam ja keine Mehrheit mehr im Nationalrat. Die SPÖ hat schon signalisiert, dass sie prinzipiell dazu bereit wäre.
Geplant ist, das Gesetz am 11. Dezember zu beschließen, die neuen Regeln gelten dann ab 1. Jänner 2025.
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