Neues Gesetz für Handyabnahme: ÖVP und Grüne einigten sich doch noch
Turbulente Stunden haben ÖVP, Grüne und SPÖ im Vorfeld und während der heutigen Nationalratssitzung hinter sich: Während es gestern Nacht noch so aussah, als hätten Grüne und ÖVP im Finale der gemeinsamen Koalition bei dem Thema Handysicherstellung noch einmal zerkracht und die SPÖ das Vakuum mit einem eigenen Vorschlag zu füllen versuchte, gibt es jetzt doch noch eine Einigung.
Das gaben Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und der ÖVP-Klub mit ihrer Abgeordneten und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) heute gegen 13.30 Uhr in separaten Presseaussendungen bekannt. Der rund 78 Seiten starke Antrag wurde im Nationalrat eingebracht.
"Der parlamentarische Prozess kann nun in Gang gesetzt werden. Damit ermöglichen wir eine rechtzeitige Beschlussfassung am 11. Dezember im Nationalrat“, sagt Edtstadler.
"Staatspolitische Verantwortung"
Die ÖVP-Ministerin hebt noch einmal hervor, dass sie diejenige war, die jahrelang darauf hingewiesen hat, dass das Gesetz geändert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden müsse. "Mit dem nun eingebrachten Antrag, kommen wir einer grundrechtskonformen Sicherstellung von Datenträgern einen bedeuteten Schritt näher."
Türkis-Grün braucht allerdings noch einen Partner, seit der Wahl hat die Koalition keine Mehrheit mehr im Parlament. Laut Edtstadler gelte es jetzt, "gemeinsam mit SPÖ, Neos und Expertinnen und Experten weiter an dieser wichtigen Materie zu arbeiten".
Im Statement von Justizministerin Zadic lässt sich herauslesen, wie mühsam die Verhandlungen zuletzt wohl gewese sind: "Ich freue mich, dass die ÖVP nach vielen Monaten intensiver Verhandlungen einlenkt und ihre staatspolitische Verantwortung wahrnimmt."
Zadic weiter: "Für mich war immer klar: Es braucht eine grundrechtskonforme und praxistaugliche Neuregelung der Sicherstellung, bei der keine Verbrechen unentdeckt bleiben oder Verfahren grundlos monatelang verzögert werden."
Der nun eingebrachte Entwurf werde "von allen relevanten Expertinnen und Experten unterstützt", zudem sei er "praxistauglich und grundrechtskonform".
ÖVP rückt von Forderung nach Trennung ab
Der nunmehrige Entwurf entspricht dabei in weiten Teilen den schon vor Wochen diskutierten Regelungen - wobei es nun offenbar doch zu keiner Trennung bei der Aufbereitung und Auswertung von Datenträgern kommt und die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens bleibt. Die Verwertung von Zufallsfunden wird zwar eingeschränkt (auf die gerichtliche Bewilligung), bleibt aber weitgehend möglich.
In der geplanten Novelle wird nicht nur die Handy-Sicherstellung geregelt, vielmehr soll es auch zu weiteren Änderungen der Strafprozessordnung kommen. So sollen etwa Opfer die Möglichkeit haben, gegen eine Anzeigenrücklegung vorzugehen. Dazu wird ihnen (wie auch Beschuldigten) von Beginn weg Akteneinsicht gewährt und nicht erst mit formeller Einleitung des Ermittlungsverfahrens.
SPÖ mit eigenem Antrag
Zuvor hatten am Vormittag noch kurz die Roten das Heft in die Hand genommen: Weil bis dahin noch immer eine Einigung mit der ÖVP fehlte - und sich die Partei angeblich auch intern nicht einig war - kündigte Justizsprecherin Selma Yildirim an, dass ihre Partei heute selbst einen Antrag einbringen werde:
"Allen vernünftigen Politikerinnen und Politikern muss klar sein, dass hier rechtzeitig vor Jahresende eine neue Regelung kommen muss. Wir bringen einen Antrag ein, der die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs umsetzt, sodass ab 1. Jänner Sicherstellungen weiterhin möglich sind. Eine größere Reform der Strafprozessordnung sollte dann im Rahmen der laufenden Regierungsverhandlungen beraten werden", heißt es in einem schriftlichen Statement.
Der rote Vorschlag wäre die Minimalvariante gewesen, damit es überhaupt ein Gesetz gibt, bevor das aktuelle ausläuft, er ist auch nur zwei Seiten stark.
Heikle Punkte
Die ÖVP wurde diese Woche ausgerechnet von Edtstadler, der eigenen Abgeordneten und Noch-Ministerin, unter Zugzwang gebracht. Bei einer Podiumsdiskussion am Montagabend verkündete sie vor der versammelten Juristen-Prominenz des Landes, dass am Mittwoch ein Initiativantrag eingebracht wird, und skizzierte grob das Modell – inklusive eines besonders heiklen Punktes.
Konkret geht es um die Frage, wer sichergestellte Daten aufbereitet und welche Befugnisse die Staatsanwaltschaft dann noch hat. Obendrein kursierten am Dienstag auch noch verschiedene Entwürfe. Das Chaos war perfekt.
Edtstadler pochte bis zuletzt darauf - auch intern, wie man hört -, dass die Aufbereitung künftig von einer „forensischen Einheit“ durchgeführt werden soll. Was bedeutet hätte, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft nicht mehr vollen Zugang zum Datenschatz bekommt, sondern nur noch eine vorab gefilterte Variante.
Zufallsfunde wären dadurch erschwert worden – und genau das war auch das Ziel. „Zufallsfunde dürfen nicht grenzenlos ermöglicht werden“, betonte Edtstadler. Es gehe um einen Ausgleich zwischen Grundrechten wie Datenschutz und Privatsphäre und dem Interesse des Staates nach einer effizienten Strafverfolgung.
Nach Vorstellung der Verfassungsministerin schlägt das Pendel eher zugunsten der Rechte von Beschuldigten aus. Eine Haltung, mit der aber weder die Grünen noch die SPÖ mitgehen - was aber schon seit Längerem bekannt ist.
Was bisher geschah
Laut KURIER-Informationen haben Schwarz und Grün bis zum Wochenende intensive Gespräche geführt – man sah sich bereits auf den letzten Metern, dann brach aber der Kontakt ab. Dienstagfrüh hat der ÖVP-Klub dann den Klubs von SPÖ und Neos ein rund 90-seitiges Papier übermittelt – mitsamt der Bitte nach Übermittlung eigener Positionen.
Die SPÖ ist bekanntlich strikt gegen eine „personelle Trennung“ bei der Datenaufbereitung. Im roten Positionspapier ist die Staatsanwaltschaft immer noch „Herrin des Verfahrens“. Zwar werden schon jetzt in 95 Prozent der Fälle die Daten von Forensikern bei der Polizei aufbereitet, die Staatsanwaltschaften haben aber das Recht, Aufträge zu erteilen, korrigierend einzugreifen bzw. die Aufbereitung gleich selber zu erledigen. Und so soll es bleiben, findet die SPÖ.
Die Neos hatten zuletzt keine abschließende Meinung, zumindest hält man sich mit Ansagen zurück. Betont wird nur, dass die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes, der die aktuelle Regelung ja gekippt hat, eingehalten werden müssen. Darin ist von einer personellen Trennung übrigens keine Rede.
Am Dienstag hat die grüne Klubspitze dem Vernehmen nach massiv gekurbelt, um doch noch zu einer Einigung mit der ÖVP zu finden. Man wolle den Eindruck vermeiden, heißt es, dass die türkis-grüne Regierung am Ende an diesem so wichtigen Vorhaben scheitert. Freilich wollten die Grünen nicht auf den letzten Metern vom Noch-Partner ausgebremst werden.
Offen ist auch, wie sich die FPÖ heute im Nationalrat verhält. Die Blauen wären nämlich auch für eine „personelle Trennung“, wie sie ÖVP-Ministerin Edtstadler so vehement durchzusetzen versucht.
Bis zum späten Dienstagnachmittag hat jedenfalls niemand mit den Blauen geredet, wie es dort heißt. Und das, obwohl die FPÖ Anfang Oktober selbst einen Vorschlag eingebracht hat und sich deren Justizsprecher Harald Stefan kompromissbereit gezeigt hätte.
Als denkbare Variante galt Dienstagabend noch, dass die ÖVP im Nationalrat nur eine sogenannte „Trägerrakete“ einbringt. Das ist ein de facto leeres Blatt Papier, das dem Justiz-Ausschuss zugewiesen und erst bis zur nächsten Ausschusssitzung mit Inhalt gefüllt wird. Eine gängige Methode, um sich Zeit zu verschaffen, ohne Fristen zu verletzen.
Im Raum stand aber auch, dass gar nichts eingebracht wird. Aus dem ÖVP-Klub heißt es dazu nur: „Wir verhandeln.“
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