Der Verfassungsgerichtshof hat die Regeln zur Sicherstellung von Handys für verfassungswidrig erklärt – und die Regierung unter Zugzwang gebracht. Bis Ende 2024 muss ein neues Gesetz her.
Und manchen schwant Übles: Neue Regeln könnten zu neuen, unüberwindbaren Hürden führen.
Derzeit braucht eine Staatsanwaltschaft zwar für eine Hausdurchsuchung eine richterliche Bewilligung, für die Sicherstellung eines Handys aber nicht – für die Strafprozessordnung ist das ein Gegenstand wie jeder andere.
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Auswertung entscheidend
Der VfGH fordert in seinem Erkenntnis nun, dass es eine Abwägung geben muss, ob dieser Eingriff auch verhältnismäßig ist, erklärt Strafrechtsexperte Robert Kert, und zitiert: „Die Schwere des Eingriffs darf nicht größer sein als die Bedeutung des Ziels, das erreicht werden soll.“
Das Entscheidende ist aber nicht die Abnahme des Handys, sondern das, was danach passiert: die Auswertung. Und obwohl das Stichwort „Zufallsfund“ im VfGH-Erkenntnis nicht vorkommt, geht für Rechtsexperten wie Kert doch hervor, dass es in diesem Bereich Nachschärfungen braucht.
Genau darin liegt die Hauptsorge der Kritiker: Immerhin machen Zufallsfunde, die auf dem Handy von Ex-Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid gemacht wurden, inzwischen ja den Großteil des Verfahrenskomplexes rund um die Casinos- bzw. Ibiza-Causa aus.
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Ein Gedankenspiel: Wären Verdachtsfälle wie die aktuellen – Missbrauch von Steuergeld für frisierte Umfragen (Beinschab-Tool), Inseratenschaltungen für wohlwollende Berichterstattung (Österreich, Heute und Krone) oder Interventionen bei Steuerverfahren (u. a. Siegfried Wolf) – jemals aufgeflogen, wenn es damals, 2019, schon jene Regeln gegeben hätte, die dem VfGH jetzt vorschweben?
Kert glaubt schon. Was der VfGH da schreibt, schließe die Verwertung von Zufallsfunden ja nicht aus. „Es muss nur klar sein: Wegen welcher Tat was gesucht und um welchen Zeitraum es geht“, erklärt er. „Wenn dabei noch Hinweise auf andere Straftaten gefunden werden, dann werden diese bei entsprechender Schwere auch verfolgt werden können.“
Transparenz
Ähnliche Regeln gebe es ja jetzt schon beim Lauschangriff und der Telefonüberwachung: Auch diese Maßnahmen müssen richterlich bewilligt werden und sind erst bei Verdacht auf Straftaten ab einer gewissen Schwere möglich. Hinweise auf andere Straftaten dürfen nur dann verwertet werden, wenn sie dieselben Kriterien erfüllen.
Kert betont aber: Der VfGH schlägt keine Regeln vor, er gibt nur Anregungen. Alles Weitere entscheidet der Gesetzgeber. Eines sei aber klar: „Dieses ‚Wir holen uns das Handy und schauen einmal, was alles drauf ist‘ wird es in Zukunft nicht mehr geben.“
Die Neuregelung dürfte auch mehr Transparenz bringen. So hat der VfGH bemängelt: „Für Betroffene ist nicht ersichtlich, wie und vor allem welche gespeicherten Daten ausgewertet werden.“
Diesen Umstand hat der mittlerweile verstorbene Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek während seiner Straf- und Disziplinarverfahren immer wieder kritisiert: Er werde mit belastenden Chats konfrontiert, ohne zu wissen, in welchem Kontext sie stehen, sagte er. Und er habe keinen Zugriff auf Chats, die ihn entlasten könnten.
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