Strache & Chorherr: Haben sich die Korruptionsjäger verschätzt?
Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wurde schon in zwei Verfahren freigesprochen (in einem noch nicht rechtskräftig). Und jetzt Christoph Chorherr plus seiner neun Mitangeklagten (auch nicht rechtskräftig).
Auf der Gegenseite stand jeweils die WKStA – und es drängt sich die Frage auf: Haben sich die Korruptionsjäger verschätzt?
Eine Anklage gibt es laut Strafprozessordnung dann, wenn bei einem ausreichend geklärten Sachverhalt eine Verurteilung „nahe liegt“, ansonsten wird ein Verfahren eingestellt. Im Jahr 2021 verzeichnete die WKStA laut hauseigener Statistik 926 Einstellungen, 47 Verurteilungen und 45 (Teil-)Freisprüche (eine Anzahl der vollen Freisprüche gab es auf Anfrage bei der WKStA nicht, Anm.).
Vergleicht man diese Zahlen mit der gerichtlichen Kriminalstatistik, dann zeigt sich: Die WKStA ist ein Ausreißer. Österreichweit und quer durch alle Verfahren beträgt das Verhältnis Schuldspruch zu Freispruch rund 75 zu 25 Prozent.
Be- und Entlastendes für die WKStA
Strafrechtsprofessor Robert Kert von der WU Wien erklärt mögliche Gründe dafür, warum die WKStA eher geneigt sei, anzuklagen und einen Freispruch zu „riskieren“, als das Verfahren vorher einzustellen.
In prominenten Fällen und erst recht, wenn Politiker beschuldigt werden, gebe es eine gewisse Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, bestätigt Kert. Wird ein Verfahren eingestellt, wirkt es, als wäre umsonst ermittelt worden. Der Druck werde umso stärker, je länger ermittelt wird. Und bei Großverfahren, wie sie die WKStA führt, dauert es häufig länger.
"Nicht von der Hand zu weisen"
Der Vorwurf vieler Beschuldigter, dass die WKStA parteiisch agiere, sei nicht ganz von der Hand zu weisen, sagt Kert – pauschal könne man das aber nicht behaupten. Grundsätzlich gilt: Eine Staatsanwaltschaft ist nicht Gegner eines Beschuldigten – sie muss objektiv sein. Und das bedeutet, dass Entlastendes ebenso gewürdigt wird wie Belastendes. Und es sei auch ratsam, Entlastendes in einer Anklage zu dokumentieren.
Noch einen Gedanken hält der Strafrechtler für nachvollziehbar: „Die WKStA könnte gerade bei heiklen Causen lieber den Weg gehen, ein unabhängiges Gericht entscheiden zu lassen, als selbst einzustellen.“
Die WKStA verwehrt sich dagegen, eine Verurteilung als „Erfolg“ und einen Freispruch als „Misserfolg“ zu betrachten. „Der Rechtsstaat ist kein Fußballspiel“, sagte WKStA-Chefin Ilse Vrabl-Sanda kürzlich bei der Präsentation ihrer Statistik.
Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels wurden auch Christian Pilnacek und Johann Fuchs genannt, diese wurden jedoch nicht von der WKStA, sondern von der Staatsanwaltschaft Innsbruck angeklagt. Wir entschuldigen uns für den Fehler.
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