Expertin zieht Bilanz: Pflicht-Beratung für Täter war "Schub für den Gewaltschutz"
Die Regierung hat in den vergangenen viereinhalb Jahren einige Maßnahmen für den Gewaltschutz gesetzt - die wohl effektivsten waren, so Marina Sorgo vom Bundesverband der Österreichischen Gewaltschutzzentren, das verpflichtende Anti-Gewalt-Training und die Fallkonferenzen.
Aufgabe der Gewaltschutzzentren ist es, nach einem Betretungsverbot Kontakt mit den Opfern aufzunehmen - das geschehe "vertraulich, kostenlos und auf Wunsch auch anonym", erklärte Sorgo bei der Präsentation des Gewaltschutzberichts am Montag. Pro Jahr gibt es rund 15.000 solcher Betretungsverbote, das entspricht ca. 40 pro Tag.
Im Anschluss an die Maßnahme sind Täterinnen und Täter verpflichtet, an einem Anti-Gewalt-Training im Umfang von sechs Stunden teilzunehmen.
Beratung nicht nur für Opfer, sondern auch für Täter
Diese Trainings, die seit Herbst 2021 verpflichtend sind, hätten dem Gewaltschutz einen "Schub" gegeben, sagte Sorgo und erklärte: "In Gesprächen hören wir, dass es für die Opfer sehr erleichternd ist, wenn sie wissen, dass ihre Partner auch unterstützt werden - dass sie sich mit ihrer Gewaltbereitschaft auseinandersetzen und auch einmal erzählen müssen, was sie getan haben."
Die Erwartungen an die sechsstündige Beratung seien hoch, von dort würden viele aber auch in Therapien und andere Anti-Gewalt-Programme weitervermittelt. Das sind Angebote, zu denen viele Täter sonst überhaupt nicht kommen würden.
Vernetzung bei Hochrisikofällen
Als zweiten Punkt in ihrer Bilanz hob die Bundesvorsitzende die Fallkonferenzen hervor: Die Beratungsstellen melden "Hochrisikofälle", die besonders hervorstechen, den Sicherheitsbehörden. Alle beteiligten Akteure vernetzen sich dann und beraten gemeinsam über Maßnahmen, die durchaus auch "kreativ" sein können, wie Sorgo sagte. "Die Konferenzen verlaufen sehr konstruktiv. Soweit mir bekannt ist, ist dadurch die Sicherheit erhöht worden."
Ganz wichtig sei auch die Sichtbarkeit der Angebote. Die Gewaltschutzzentren sind jetzt in einen gemeinsamen Bundesverband eingebettet, es gibt ein gemeinsames Logo und eine Telefonnummer (0800 700 217). Das Ziel: "Wir wollen so sichtbar werden wie die Apotheken. Damit jede Frau, die Hilfe braucht, sofort weiß, wohin sie sich wenden kann."
14 Tötungsdelikte an Frauen
Dass es hier noch Nachholbedarf gibt, zeigt die Tatsache, dass von den 14 Frauen, die heuer im ersten Halbjahr getötet worden sind, keine einzige zuvor den Weg zu einer Opferschutzeinrichtung gegangen sei.
Generell verzeichnet die Polizei aber einen Rückgang: Im selben Zeitraum des Vorjahres sind 25 Frauen getötet worden.
- Tötungsdelikte an Frauen:
15 heuer
24 im Vergleichszeitraum 2023
- Betretungs- und Annäherungsverbote:
8.610 heuer
8.947 im Vergleichszeitraum 2023
15.115 im gesamten Jahr 2023
- Anti-Gewalt-Trainings:
7.171 heuer
7.428 im Vergleichszeitraum 2023
- Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen:
134 seit Anfang 2024
135 im Vergleichszeitraum2023
234 im gesamten Jahr 2023
"Polizei wird insgesamt weiblicher"
Bei der Pressekonferenz sprachen auch Innenminister Gerhard Karner und Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) über die bisherigen Maßnahmen.
Auf polizeilicher Ebene sei die Zahl der Präventionsspezialistinnen und -spezialisten mehr als verdoppelt worden - von 500 auf 1.200, sagt Innenminister Karner. Diese speziell geschulten Beamtinnen und Beamten sind österreichweit in 38 Kriminalassistenzstellen im Einsatz. Die Polizei werde insgesamt weiblicher, hob er hervor: Bei den Schulungen seien teilweise die Hälfte Frauen. Das sei deshalb wichtig, weil man wisse, dass sich Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, eher Frauen anvertrauen.
Im Bundeskriminalamt wurde zudem seit dem 1. August ein spezialisiertes Büro für Gewaltschutz eingerichtet. Zudem finde gegenwärtig zusätzlich die Einrichtung von neun Koordinatoren für den Gewaltschutz in allen neun Bundesländern statt, erklärt der Innenminister.
Frauenministerin Raab nannte als zentrale Maßnahme die Erhöhung des Frauenbudgets, die es unter anderem möglich gemacht habe, dass es in jedem politischen Bezirk Österreichs eine Frauen- und Mädchenberatungsstelle gibt. Das Budget für diese Stellen sei in ihrer Amtszeit fünf Mal erhöht worden und beträgt mittlerweile das rund Eineinhalbfache.
Zudem gibt es seit Kurzem Gewaltambulanzen, die auch mobil unterwegs seien, um nach Gewalttaten Beweise zu sichern. Beweise, die später in einem Prozess zur Verurteilung von Tätern führen können, erklärt Raab.
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