Der 30-Jährige wünschte, man hätte ihn schon früher hierher geschickt. Bei der Männerberatung gelten keine Ausreden, niemand zwinkert auch nur freundlich, wenn es um die Tat geht, sagt Psychotherapeut Alexander Haydn.
„Wir führen dem Täter schonungslos und sehr detailliert vor Augen, was er angerichtet hat. In einer Gruppe hat er Gelegenheit, vor anderen über sein Empfinden zu sprechen. Viele Männer kennen das nicht, sie haben sich selbst überhaupt noch nie hinterfragt.“ Die Runden, an denen pro Jahr rund 100 Männer teilnehmen, seien keine „Therapien“, betont Haydn, sie seien „Trainings zur Verhaltensänderung“.
Gewalt kam nicht von heute auf morgen
Für die Teilnehmer bedeutet das kontinuierliche Arbeit an sich selbst. Am Anfang saß Andreas noch mit verschränkten Armen in der Gruppe und zählte die Minuten. Nach einer ersten Bestandsaufnahme sagte ein Diagnostiker zu ihm: „Wenn du glaubst, du hast kein Problem, du bist hier falsch, dann geh’ – da ist die Tür.“ Andreas ging nicht, er öffnete sich.
Was er seither über sich gelernt hat, notiert er in einem schwarzen Büchlein. Die Gewalt sei nicht „von heute auf morgen gekommen“, weiß er. Es begann, wie bei vielen, in der Kindheit. Im Freundeskreis werde man als „starker Mann“ respektiert. „Wenn der Druck zu groß wird, nutzt man seine körperliche Überlegenheit. Auch, weil man merkt, dass man jeden Kampf gewinnen kann und es bisher kaum Konsequenzen gab.“
"Point of no return"
Andreas behauptet nicht, jetzt ein neuer Mensch zu sein. Aber er kennt die Mechanismen, hat sich Strategien zurechtgelegt, und er erkennt die Frühwarnsignale. „Ich werde laut, mir wird heiß, ich schwitze ein wenig. Wenn ich mir dann auf die Unterlippe beiße, weiß ich: das ist der ‚point of no return‘. Ab da kann alles passieren. Man weiß nie, wozu man fähig ist.“ Die Kunst sei, gar nicht dorthin zu kommen.
Andreas erzählt seine Geschichte dem KURIER, weil andere Männer sie lesen und wissen sollen, dass es Hilfe gibt – Männer, die diesen „Punkt ohne Wiederkehr“ auch kennen (Infos unten). Elf Frauen wurden heuer bereits ermordet.
In dem Moment, als seine Frau vor ihm am Boden lag, war die Erleichterung nur kurzfristiger Effekt, sagt Andreas. Es folgten Verwirrung, Flucht, Verdrängung. Erst, seit er in der Lage ist, sich in die Frau, die er da verletzt hat, hineinzuversetzen, redet er sich nicht mehr heraus. Er weiß jetzt, dass er ein Täter ist.
Kommentare