"Schnaps war der Super-GAU"
„Die Probleme wurden durch Alkohol verschärft“, sagt Karin. „Schnaps war der Super-GAU. Die Ärzte diagnostizieren Alkoholismus, ein Borderlinesyndrom und krankhaften Narzissmus. „Er konnte seine Emotionen nicht steuern. Oft reichten kleinste Anlässe wie ein voller Geschirrspüler, um wieder zu explodieren. Wenn ich beim Fernsehen eingeschlafen bin, machte er mich fertig, weil er sich nicht respektiert fühlte“. Wenn Karin einen wichtigen beruflichen Termin hatte, beginnt er drei Tage vorher, sie fertig zu machen. Sein Ego lässt nicht zu, dass sie erfolgreich ist.
Doch Karin, die in keiner Weise von ihm abhängig war, bleibt bei ihm. „Ich hatte keine Kraft mich zu trennen, Schlafstörungen, konnte nicht mehr arbeiten. Er hätte eine Trennung nicht akzeptiert, mich verfolgt. Im Haus in einem Wiener Innenbezirk hätten alle Nachbarn mitbekommen, dass im Dachgeschoß irgendetwas nicht stimmt. Aber selbst wenn sie das Ausmaß erahnt hätten, glaubt Karin, hätten sie nicht gewusst, was sie tun sollen. Auch in seinem Freundkreis war vieles bekannt. „Er hat mir im Lokal Bier ins Gesicht geschüttet, mich gewürgt, Gläser nach mir geschmissen. Dabei war einer seiner Freunde sogar Polizist.“ Getan hat niemand etwas, auch die Gastronomen nicht. Hier setzt eine Kritik Karins an. „In den Stammlokalen haben sie gewusst und miterlebt, wie er betrunken ist. Und nach solchen Vorfällen haben sie ihm das nächste Glas Schnaps hingestellt. Dabei hatte ich sie verzweifelt gebeten, das Bier zu wässern, auf Bestellungen einfach zu vergessen.“
"Mir war das alles sehr peinlich"
Doch warum hat sie sich nie ihrer Familie, Freundinnen, der Polizei anvertraut? „Ich habe mich sehr geschämt, dass mir so etwas passiert und enorm viel Energie aufgewendet, alles zu verschleiern. Mir war das ja alles peinlich“. Sie hat sich ihre Wunden selbst verbunden und Geschichten erfunden, warum sie am Hals einen Verband trägt.
Die Polizei war etwa acht Mal bei ihnen im Haus. Die ersten beiden Male wurde Markus verwarnt, dann weggewiesen. Und hier formuliert Karin ihren wichtigsten Kritikpunkt: „Man muss Männer bei einer nächtlichen Wegweisung irgendwo kontrolliert unterbringen. Sie bekommen einen Zettel für eine Notschlafstelle. Da gehen sie natürlich nicht hin. Auch nicht in ein Hotel, weil sie sturzbetrunken sind. Und zu Freunden auch nicht. Denn sie können ja nicht sagen, dass sie gerade ihre Partnerin verdroschen haben.“ Also kehren sie nach wenigen Stunden zurück. Karin hat ihn immer wieder hereingelassen. Weil sie hilfsbereit war, aber auch weil sie nicht wollte, dass die Nachbarn durch sein Schreien am Gang wieder etwas bemerken oder nochmals die Polizei kommen muss. „Wenn man um fünf Uhr früh am Polizeiposten steht und sie Fotos von deinen Verletzungen machen, ist das belastend“.
"Sehr rasch Hilfe suchen"
Frauen in ähnlichen Situationen rät sie, viel früher Hilfe bei der Familie, Freunden oder Beratungsstellen zu suchen. „Je länger man wartet, desto mehr Kraft kostet die Trennung. Erst im Rückblick weiß ich, dass es sich gelohnt hat, um wieder ein Leben ohne Gewalt haben zu können.“
Karin hat viele Tonbandaufnahmen gemacht und auf ihrem Handy gespeichert. „Nicht um ihn anzuzeigen, sondern weil ich ihm am nächsten Tag vorspielen wollte, wie er zu mir ist“. Doch seine Antwort war: „Ich bin ja nur so zu Dir, weil Du zu mir so bist. Irgendwann glaubt man dann selbst, Mitschuld zu tragen.“ Erst als er beruflich wegzieht, schafft sie es eineinhalb Jahre später sich zu trennen.
Panik beim Brotmesser
Und wie geht es Karin heute? Sie hat einen neuen Lebensgefährten, war bei der Auswahl vorsichtiger und hat auf aggressive Untertöne geachtet. „Einmal ist er später von einem Treffen mit seinen Freunden nach Hause gekommen, eine halbe Stunde nur. Da bekam ich Panik, weil ich mich an die Zeit mit Markus erinnert habe, doch mein neuer Freund hat mich liebevoll umarmt. Und anfangs schreckte ich mich, wenn er beim Brotschneiden mit dem Messer gewachelt hat. Da habe ich anfangs zu zittern begonnen, jetzt bin darüber hinweg. Es hat lange gedauert zu akzeptieren, dass ich sein Opfer war, doch mit der Schuld muss er leben. Aber jetzt habe ich meine Selbstbestimmung zurück, und Hass und Wut sind keine guten Lebensbegleiter. Er hat viel kaputt gemacht, aber zerstören konnte er mich nicht.“
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