Frauenmorde: "Seit Tagen werden Ängste geschürt"
„Wir sind erschüttert über drei Frauenmorde in einer Woche. Was jedoch darüber hinaus auch entsetzlich ist, ist der unsensible und reißerische Umgang mit diesem Thema. Seit Tagen werden Ängste geschürt, Zahlen werden undifferenziert hingeschmettert, Schuldige gesucht und zum Teil absurde Forderungen gestellt. Diese Panikmache nützt niemanden, schon gar nicht denen, die betroffen sind.“
So fasst Marina Sorgo, Bundesverbandsvorsitzende der österreichischen Gewaltschutzzentren, die bisherige Diskussion rund um das Thema Frauenmorde/Femizide zusammen.
Weniger Morde
Denn tatsächlich sinkt die Zahl der Morde in Europa. Und in Österreich. Jene der Männer etwas stärker, jene der Frauen ein wenig langsamer. In Österreich in etwa so viele Frauen ermordet im im Europa-Durchschnitt. Das belegen entsprechende Faktenchecks des KURIER und der APA in den vergangenen Tagen. Das Problem ist nur, dass die Zahlen so stark schwanken, dass einzelne Jahre wenig bis gar keine Aussagekraft haben. Tatsächlich gehört Österreich aber grundsätzlich zu den sicheren Ländern in Europa.
Zu beobachten ist auch, dass aktuell in der Diskussion die Themen Femizide und Frauenrechte oft parallel debattiert werden. Dabei sieht es – zumindest laut Statistik – danach aus, als wären jene Länder gerade heftiger betroffen, die vergleichsweise starke Frauenrechte haben (wie Schweden, Finnland oder Island). In der Kriminologie nennt man das das nordische Paradoxon.
Ein Problem ist, dass mittlerweile alle Mordfälle (Frauenmorde und Femizide) in einen Topf geworfen werden, obwohl diese durchaus unterschiedliche Ursachen haben. Doch haben die Erschießung einer Ehefrau durch einen 70-jähriger Mann im ländlichen Bereich, ein Ehrenmord unter Migranten und die Ermordung der 22-jährigen Ex-Freundin im Wiener Gemeindebau tatsächlich so viele gemeinsame Ursachen?
Zwar hat eine englische Forscherin sieben Warnstufen vor dem Eifersuchtsmord entdeckt (siehe Grafik rechts), doch nur in einem Fall gab es heuer eine behördlich bekannte Vorgeschichte.
Gleichzeitig gab es mehr als 12.000 Wegweisungen von gewaltbereiten Personen. Hier wurden zuletzt Forderungen von präventiver Untersuchungshaft oder Polizeischutz laut, doch bei dieser hohen Zahl ist das de facto unmöglich. Wer soll 12.000 Opfer bewachen oder 12.000 Menschen einsperren?
Die Diskussionen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass man vor allen auf einfache Konzepte setzt. Mehr Geld für Gewaltschutzzentren, das klingt vernünftig und rettet dann bis zur nächsten Diskussion.
Polizei-Experten
Der KURIER sprach in den vergangenen Wochen mit zahlreichen Polizisten, die in Ermittlungen rund um Mordfälle involviert sind. Beklagt wurde dabei vor allem, dass zu wenig Angebote für die Täter im Vorfeld zur Verfügung gestanden sind. Doch in diesem Bereich wurde zuletzt immer wieder gespart, wollte man doch die Opfer in den Vordergrund stellen, lautet ein Kritikpunkt.
Hier soll es ab September erstmals verpflichtende Kurse für potenzielle Gewalttäter geben. Alleine in diesem Bereich sollen bis zu zehn Millionen Euro investiert werden, hört man aus dem Innenministerium. Auch Fall-Konferenzen (zwischen verschiedenen Behörden) sollen wieder eingeführt werden. Doch auch diese scheitern meist an der hohen Zahl der Gewalttäter. Bei tausenden Fällen bleibt oft wenig Zeit für lange Diskussionen.
Fest steht, dass weitere Problemfelder bezüglich Mordfällen in der aktuellen Berichterstattung untergehen. Zunehmend ist etwa die Zahl der geistig abnormen Täter (siehe Bericht rechts). Auffällig ist auch, dass Alkohol bei vielen Gewalttaten eine wichtige Rolle spielt. Deshalb sorgte der erste große Lockdown im vergangenen Jahr für einen starken Rückgang praktisch aller Gewaltdelikte.
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