Geheimdienstpapier: Das BVT versinkt im Intrigensumpf
Die geheimsten Daten Österreichs hütet der Verfassungsschutz. Doch wie gut gelingt dies den Beamten wirklich? Wegen undichter Stellen wurden nicht nur in Österreich immer wieder Zweifel laut.
Bereits im Sommer berichtete der KURIER, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) erneut vor dem Rauswurf aus dem wichtigen Geheimdienstgremium „Berner Club“ gestanden ist. Peter Gridling, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) konnte die Blamage abwenden, indem ein anderer Geheimdienst dagegen ein Veto erhob. Somit wurde Österreich von den wichtigen internationalen Meldungen nicht abgeschnitten.
Sicherheit hat Schwachstellen
Vorbei die Atempause: Jetzt ist das BVT wieder unter Druck geraten.
Über Ö1 wurde ein Bericht (des deutschen, schweizerischen, britischen und litauischen Nachrichtendienstes) über Sicherheitslücken im BVT öffentlich gemacht. Aber was wird dem Geheimdienstlern konkret vorgeworfen? Beamte können geheime Daten am Laptop und Handys nachhause nehmen. Es gebe keine unabhängige Auswahl der Mitarbeiter und auch baulich sei die Sicherheit (zu wenige Alarmsysteme) nicht gegeben.
„Die Kriterien bei diesem Sicherheitsbericht waren so hoch angelegt, dass diese Hürde nur der britische Dienst hätte überwinden können“, sagt ein Insider. Und ein Teil der Kritik ist auch nicht neu, vieles wurde bereits im Untersuchungsausschuss des Parlaments besprochen.
Trotzdem sorgt jetzt für Erstaunen, dass BVT-Mitarbeiter nicht melden müssen, wenn sie privat in Länder wie Russland oder Venezuela fahren, die auf dem Index westlicher Geheimdienste stehen.
Auch könnten Hacker über den BVT-Server zu Informationen ausländischer Geheimdienste gelangen, heißt es im Bericht (beispielsweise zu „Poseidon“, wo der „Berner Club“ Infos austauscht).
Geheimes Dokument zeigt Schwachstellen beim BVT
Geheime Mordfälle
Das alles ist aber kein Vergleich zu den Informationen, die durch die Folgen der BVT-Razzia bereits in Umlauf kamen. Intern wird die Durchsuchung daher bereits das „Februar-Attentat“ genannt (Die Razzia erfolgte am 28. Februar 2018, Anm.).
Damals wurde durch ein 40-seitiges Konvolut mit schweren Beschuldigungen gegen hohe BVT-Beamte die Razzia ausgelöst. Die folgenden Ermittlungen förderten so viele geheime Details zutage, dass die Identität mehrerer ausländischer Geheimdienstmitarbeiter aber auch von Zeugen ernsthaft gefährdet wäre, würden diese Unterlagen in falsche Hände geraten. Sogar ein bis heute völlig unbekannter Mord durch das Staatsoberhaupt eines großen Landes wird darin erwähnt. Der Schaden, wenn das alles nach außen dringen würde, wäre gigantisch.
Netzwerk im Hintergrund
Doch warum wurde der im Februar fertiggestellte geheime Sicherheitsbericht über das BVT gerade jetzt geleakt? Und von wem?
Via oe24 werden seit Tagen alte Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz aufgewärmt. Spannend ist, dass dabei einige „alte Bekannte“ aus der Zeit vor der BVT-Razzia auftraten. Manche aus dieser „Gruppe“ standen unter dem Verdacht, das 40-seitige Konvolut mitverfasst zu haben.
Warum geht diese Intrige gegen das BVT nun weiter?
Diese Personen eint, dass sie unsanft aus dem Geheimdienst entfernt wurden. Einige von ihnen stehen oder standen in Kontakt mit einem deutschen Ex-Politiker mit guten Kontakten zum deutschen BND – und zum „Berner Club“. Der Politiker tritt zugleich als Vertreter für Saudi-Arabien auf. (Dessen König-Abdullah-Zentrum wiederum wollte man in Wien zuletzt schließen, Anm.) Motive gebe es also genügend.
Vieles spricht dafür, dass Personen, die den „Angriff“ auf das BVT vor zwei Jahren führten, auch diesmal wieder im Spiel mit dabei sein könnten. Fest steht jedenfalls, dass der geheime BVT-Sicherheitsbericht im Innenministerium auflag, als Herbert Kickl (FPÖ) noch Innenminister in der Herrengasse war.
Wer auch immer das Dokument an die Öffentlichkeit gespielt hat, sorgt dafür, dass das BVT noch weiter destabilisiert wird. Dort wird seit Monaten ohnehin an der Behebung des – vor allem durch die rechtswidrige Razzia – angerichteten Kollateralschadens gearbeitet. Sogar ein kompletter Umzug des Verfassungsschutzes in ein neues Gebäude wird derzeit in Erwägung gezogen.
Umzug des BVT?
Das bestätigt auch der interimistische Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Lang, gegenüber dem KURIER: „Der Idealzustand wäre ein Gebäude, das von anderen öffentlichen Gebäuden umgeben ist.“ Vorbild sei das FBI, dessen Geheimnisse von Stützpunkten der US-Marines umgeben seien.
Lang weiter: „Das Ergebnis des Berichts hat uns nicht überrascht. Wir wurden von den besten zivilen Nachrichtendiensten geprüft.“ Grund sei vor allem „die Hausdurchsuchung im Februar 2018, die bei den Partnerdiensten viele Fragen aufgeworfen hat.“ Lang betont, dass man seit März, als der Bericht eintraf, handle und „deshalb mit der BVT-Reform nicht auf die neue Regierung warten könne“.
Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper will wegen der aktuellen Leaks jedenfalls den Nationalen Sicherheitsrat einberufen: „Der Geheimdienstausschuss muss zusammentreten und alle Informationen erhalten, um sich ein Bild vom Zustand des BVT zu machen.“
30 Länder: 1971 trafen einander in der Schweiz die Chefs der Inlandsnachrichtendienste von neun europäischen Ländern. Dafür wurde ein geheimes Informations-Netz gegründet, das heute als „Poseidon“ bekannt ist. Aktuell sind die 28 EU-Staaten, sowie Norwegen und die Schweiz im „Berner Club“.
Lage in Österreich: Die BVT-Affäre, die mehr oder weniger zufällige Enttarnung eines russischen Spions, die Russlandkontakte der FPÖ – zuletzt gab es immer wieder Berichte, dass Österreich von anderen Geheimdiensten nur eingeschränkt Infos erhält. Noch dazu ist der Verfassungsschutz hierzulande kein echter Dienst, sondern „nur“ eine Polizeibehörde.
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