FPÖ schließt Akte Ibiza: "Wir waren in der Koalition zu blauäugig"

FPÖ schließt Akte Ibiza: "Wir waren in der Koalition zu blauäugig"
Erst beim Aktenstudium im U-Ausschuss will die FPÖ festgestellt haben, dass die Türkisen einen "tiefen Staat" errichtet haben. Hafenecker: "Die ÖVP war nie ehrlich zu uns."

Begonnen hat alles vor etwas mehr als zwei Jahren mit einem Video. Heinz-Christian Strache, damals Vizekanzler der FPÖ, war da auf Ibiza zu sehen, wie er unter anderem über heimliche Parteispenden sprach und darüber, wie man Medien unter Kontrolle bringen könnte.

Sätze wie: "Die Novomatic zahlt alle" brachten Korruptionsermittlungen in ungeahntem Ausmaß ins Rollen. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss wechselte die FPÖ rasch die Rollen: Vom politischen Angeklagten wurde sie zum Ankläger. Im Fokus stand plötzlich die ÖVP. 

Entsprechend ist auch der Abschlussbericht des Ibiza-U-Ausschusses betitelt, den die FPÖ als erste der fünf Fraktionen vorgelegt hat. "Der schwarze Faden", heißt der 150-seitige Bericht. 

Der U-Ausschuss habe den "tiefen Staat", den sich die ÖVP gezimmert hätte, sichtbar gemacht, erklärt Fraktionschef Christian Hafenecker. Die FPÖ - die im Untersuchungszeitraum immerhin Koalitionspartner der ÖVP war - sei "wohl zu blauäugig gewesen".

Das "Spiel" der ÖVP

Hafenecker: "Erst im U-Ausschuss haben wir Dokumente zu Gesicht bekommen, die zeigen, dass die ÖVP ihr eigenes Spiel gespielt hat und nie ehrlich zu uns war." Dem jetzigen Koalitionspartner den Grünen, "wird es auch noch wie Schuppen von den Augen fallen", ist sich der FPÖ-Fraktionschef sicher. 

Aber was hat die FPÖ aus den Vorfällen rund um Ibiza gelernt - wo liegt ihre politische Verantwortung? Vorweg sagt Hafenecker: "Es kann im Interesse von niemandem sein, dass es Bilder wie auf Ibiza gibt. Es ist klar, dass so etwas nicht geht, da muss ich nicht extra die Partei umbauen." 

Was laut Hafenecker aber interessant sei: "Das, was auf Ibiza in einer lustigen Laune besprochen worden ist, wurde von der ÖVP inzwischen umgesetzt." Die ÖVP habe Medien im Griff, sie habe wesentliche Positionen des Staates besetzt und Parteispenden eingesammelt - und das in einem anderen Ausmaß wie etwa die FPÖ, sagt Hafenecker. "Wir sprechen hier von Millionen." 

Gelernt habe man, dass es "so etwas wie eine österreichische Politikerseele gibt, die von Strache in einem schlechten Zustand zur Schau getragen worden ist, die aber wiedergibt, was die ÖVP jeden Tag tut". 

Das sehe man etwa durch Chats von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, die durch den U-Ausschuss publik geworden sind. "Dieser Blick durchs Schlüsselloch der Politik war wichtig, um künftig Lehren zu ziehen." Diese müsse aber nicht die FPÖ ziehen, sagt Hafenecker, sondern die ÖVP müsse sich überlegen, wie sie künftig mit Staatseigentum und ihrer Regierungsverantwortung umgehe. 

Die blauen Erkenntnisse im Detail

Der "tiefe Staat" der ÖVP gründe sich in einem Netzwerk, das Innen-, Justiz- und Finanzministerium durchzieht, glaubt die FPÖ. Daher sei die ÖVP auch so erpicht darauf gewesen, nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos wieder das Innenministerium unter türkise Kontrolle zu bekommen, argumentierte er.

Die beiden anderen Säulen seien eben das Justizministerium und das Finanzministerium. Gute Kontakte zur Judikative würden genutzt, um da und dort ein Verfahren zu "daschlogn" oder um nachzufragen, ob eine Hausdurchsuchung anstehe. Und dass mit Josef Pröll und Walter Rothensteiner zwei prominente Beschuldigte des CASAG-Verfahrens im Ministerium vom damaligen Sektionschef Christian Pilnacek empfangen wurden, sei "sonst nur in einer Bananenrepublik möglich", so Hafenecker.

Die dritte Säule sei das Finanzministerium, betont der Freiheitliche. "Wer das Geld hat, macht die Regeln." Aus diesem heraus sei vom damaligen Generalsekretär und späteren ÖBAG-Chef Thomas Schmid die Machtübernahme der Türkisen geplant worden. "Diese drei Säulen hat sich die ÖVP nachhaltig gesichert", so Hafenecker. Nicht zuletzt belegten dies diverse Chats, die im Laufe des Ausschusses die mediale Öffentlichkeit erblickten.

Als Erfolg für die "Aufklärungsarbeit" des U-Ausschusses verbucht Hafenecker neben dem Rücktritt von Wolfgang Brandstetter als Verfassungsrichter auch die Suspendierung Pilnaceks als Sektionschef und die weitgehende Entmachtung von Johann Fuchs als Leiter der Oberstaatsanwaltschaft.

Ein weiterer "Etappensieg" sei freilich der Abgang von Schmid als Alleinvorstand der ÖBAG gewesen, nachdem der U-Ausschuss "minutiös" herausgearbeitet habe, wie dieser sich den hoch dotierten Posten auf den Leib gezimmert habe, argumentierte der FPÖ-Fraktionsführer. Das seien zwar nur "Teilerfolge", aber insgesamt ein "sichtbares Zeichen, dass sich die Familie nicht alles erlauben kann".

Auch habe sich in der über ein Jahr andauernden Arbeit des U-Ausschusses gezeigt, wie das "System Kurz" funktioniere. Dabei sei ein "Paradigmenwechsel zur alten schwarzen ÖVP" feststellbar, erklärte Hafenecker. Kurz habe die ÖVP auf ein amerikanisches Spendensystem umgestellt und ein Spendenkonstrukt aufgebaut. Im Gegenzug habe es Aufsichtsratstätigkeiten in staatsnahen Unternehmen oder politische Mandate gegeben. 

Auch die Rolle des Vorsitzenden, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), kritisierte Hafenecker abermals scharf. Nicht nur sei von Anfang an eine Verstrickung Sobotkas in den Untersuchungsgegenstand evident gewesen ("Maßgebliche Zuwendungen" der Novomatic an das Alois-Mock-Institut, dem Sobotka als Präsident vorsteht), sondern habe dieser als Vorsitzender stets den ÖVP-Auskunftspersonen Schützenhilfe geleistet. Auch die Ermittlungsarbeit der "SoKo Tape" sei politisch beeinflusst gewesen, so Hafenecker: "Die ÖVP überlässt eben nichts dem Zufall."

Trotz der Teilerfolge gebe es noch sehr viele offene Fragen. Daher werde man nun mit den anderen Fraktionen sprechen, wie ein weiterer U-Ausschuss aussehen könnte, so Hafenecker, für den neben den Corona-Beschaffungen und dem Wirecard-Skandal freilich auch Postenschacher und Korruptionsvorwürfe mögliche "Ingredienzien" seien. Jedenfalls sollte ein solcher möglichst rasch einberufen werden, um mit der Untersuchung fortfahren zu können.

Ideen zur Verbesserung 

Offen zeigte sich der freiheitliche Fraktionsführer für eine generelle Übertragung von U-Ausschüssen, vor allem wenn es um Personen geht, die ohnedies in der Öffentlichkeit stehen. Das Problem mit etwaigen Fragen der Geheimhaltung könnte man mit einer zeitversetzten Übertragung lösen, so Hafenecker.

Auch sollte die Möglichkeit einer Videobefragung angedacht werden. Und die Verfahrensordnung, die nicht auf Persönlichkeiten wie Sobotka ausgerichtet sei, müsste adaptiert werden, um künftig einem parteiischen Vorsitzenden, der noch dazu in den Gegenstand involviert ist, begegnen zu können. Im Herbst würde sich die Möglichkeit ergeben, gewisse Dinge auszuhandeln.

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