Fraktionsführer ziehen Bilanz: Die letzte Ibiza-Befragung
Die fünf Fraktionsführer ziehen Bilanz:
1. Was war Ihr persönliches Highlight im Ibiza-U-Ausschuss?
2. Was war der Tiefpunkt des Ibiza-U-Ausschuss?
3. War das der erfolgreichste U-Ausschuss? Oder sollte man ihn erst an seinen Gesetzesnovellen messen?
4. Wie sollte eine Reform des U-Ausschusses aussehen?
5. Christian Pilnacek kritisierte, die Mandatare essen Wurstsemmel und Chips im U-Ausschuss. Was bevorzugen Sie?
Andreas Hanger (ÖVP)
1. "Die Befragung von Privatdetektiv Julian H., jener Privatdetektiv, der Heinz-Christian Strache gemeinsam mit einer vermeintlichen Oligarchin die Falle auf Ibiza gestellt hat. Insbesondere nach dem "Auftritt" von Herrn Julian H. im U-Ausschuss bleibt es für mich ein großes Rätsel, wie er das Vertrauen von Strache gewinnen konnte."
2. "Von denen gab es so viele wie nie zuvor. Von der derben Beschimpfung der Verfahrensrichterin durch Frau Abgeordnete Krisper über die verbotene Weitergabe vertraulicher Dokumente durch die NEOS bis hin zur Verurteilungen des Grünen Parlamentsklub wegen Verleumdung. Ein besonderer Tiefpunkt war aber auch der Antrag vom Abgeordneten Krainer, mit dem er über den U-Ausschuss auf persönliche Daten von tausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugreifen wollte."
3. "In Sachen Skandalisierung war dieser Ausschuss mit Abstand der Erfolgreichste. Wenn man sich die Unterstellungen bei Fragen wie Gesetzeskauf oder die Beeinflussung von Ermittlungen ansieht, ist am Ende nichts übrig geblieben."
4. "Es braucht einen klar definierten Untersuchungsgegenstand, klare Regeln bei der Aktenlieferung, eine stärkere Rollen des Verfahrensrichters und eine ausgewogene Situation zwischen Fragesteller und der Auskunftsperson. An erster Stelle muss aber aus unserer Sicht der Schutz von Persönlichkeitsrechten stehen, es kann nicht sein, dass über den Untersuchungsausschuss Unmengen von privaten Daten geliefert werden und damit das Recht auf Privatsphäre mit Füßen getreten wird. Eine Live-Übertragung ist für uns im Zuge einer Gesamtreform jedenfalls vorstellbar."
Jan Krainer (SPÖ)
1. "Eine Sache ragt heraus. Wir haben den ehemaligen Bundeskanzler und den ehemaligen Vizekanzler, Christian Kern, SPÖ, und Reinhold Mitterlehner, ÖVP, im Ausschuss befragt. Die sind ohne anwaltlichen Beistand gekommen und haben die Fragen offen und ehrlich beantwortet. Sie haben sich an alles erinnern können. Der Abstand zum heutigen Kanzler Kurz und Finanzminister Blümel war einfach riesengroß".
2. "Der Vorsitzende Sobotka hat sich da jede Woche was einfallen lassen. So eine parteiische und schlechte Vorsitzführung habe ich noch nie gesehen. Aber am unangenehmsten berührt haben mich die Auftritte von Kurz und Blümel. Kurz hat gesagt, er ist sich „vorgekommen wie ein Schwerverbrecher“. Jeder, der bei den Befragungen dabei war, hat aber gesehen, dass der Ausschuss den Kanzler mit Respekt behandelt hat, aber natürlich auf sein Recht zu fragen und Antworten zu bekommen besteht. Und da sitzt uns der Kanzler gegenüber, umringt von seinem Team an Rechtsberatern und Verteidigern in Person von Sobotka und den ÖVP-Abgeordneten. Sein einziges Ziel: Antworten verweigern, Verantwortung abschieben, Aufklärung behindern."
3. "Der erfolgreichste U-Ausschuss, ja. Wir haben tiefe Einblicke in den türkisen Staat im Staat gewonnen. Wir haben gesehen, wie skrupellos die türkise "Familie", also Kurz und seine Vertrauten, den Staat, seine Institutionen und Unternehmen gekapert haben. Und wir sehen das wahre Gesicht von Kurz hinter der freundlichen Fassade. Das "Ja, bitte Vollgas geben!"-Gesicht aus seinen Kirchenchats."
4. "Das Wichtigste ist jetzt, die parlamentarische Kontrolle vor den Türkisen zu schützen. Die sind die, die die Wahrheitspflicht abschaffen wollen, die ihren Ministern und ihrem Kanzler bei Vertuschen helfen wollen. Wenn diese Leute "Reform" sagen, wird es für das Parlament gefährlich."
5. "Weder noch. Am meisten habe ich Schokolade gegessen."
Christian Hafenecker (FPÖ)
1. "Mein persönliches "Highlight" war der untaugliche Versuch der ÖVP, mich zum Corona-Superspreader zu machen. War interessant zu sehen, wie manche Journalisten ohne Recherche dieses "Gschichtl" einfach als "wahr" übernommen haben."
2. "Da gab es mehrere Highlights: Etwa die Vorsitzführung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, die Gedächtnislücken von Gernot Blümel oder der peinliche Auftritt von Sebastian Kurz."
3. "Aufgabe des U-Ausschusses ist es, politische Verantwortung zu klären – insofern haben wir gerade in der Frage Öbag und Casino einiges weitergebracht. Ja, der Ausschuss war sehr erfolgreich."
4. "Ich sehe keine großen Notwendigkeiten einer Reform der Verfahrensordnung. Das will nur die ÖVP, weil sie von ihren Baustellen ablenken möchte."
5. "Ich habe weder das eine noch das andere gegessen. Ich fände es auch schade, die Arbeit im Ausschuss darauf zu reduzieren".
Nina Tomaselli (Grüne)
1. "Als mein Team und ich um 11 Uhr abends auf die berühmte SMS von Strache gestoßen sind: 'Welches Gesetz brauchst du?' - viel eindeutiger geht es nicht mehr. Eine Sternstunde war die Befragung der ehemaligen Staatsanwältin Jilek. Sie hat einzigartig beschrieben wie das türkis-blaue System Druck auf die Korruptionsermittler*innen ausgeübt hat. Das geht mir als Staatsbürgerin heute noch nahe."
2. "Die letzte Befragung von Kanzler Kurz: Von vorgesehenen 20 Fragerunden haben wir gerade mal 2,5 geschafft. Die NEOS und wir Grüne konnten keine einzige Frage stellen. Die stundenlange Verzögerungstaktik der ÖVP hat das Parlament brüskiert. Ein weiterer Tiefpunkt ist sicher auch die unrühmliche Geschichte um die Weigerung der Aktenlieferung durch das Finanzministerium. Es ist absolut unverständlich, warum es den Bundespräsidenten als Exekutor gebraucht hat."
3. "Dieser U-Ausschuss hat alle Überwartungen übertroffen. Wir haben eine Fülle an Belegen gefunden, welches politische System unter Türkis-blau geherrscht hat: Eines, das die wohlhabenden Freunde und Spender im Fokus hatte und weniger die Bedürfnisse der Bevölkerung. Der U-Ausschuss hat erste Gesetzesinitiativen in Gang gesetzt: Gläserne Parteikassen, Anti-Glückspielpaket, Informationsfreiheit."
4. Gerade der Ibiza-U-Ausschuss hat wie kein anderer gezeigt, dass sich das Minderheitenrecht, für das wir Grüne uns so eingesetzt haben, im Zusammenspiel mit dem Verfassungsgerichtshof bewährt hat. Wir wollen eine Live-Übertragung. Von den "Reformvorschlägen" der ÖVP halten wir nix, die erinnern eher an: "Wenn mir das Spiel nicht gefällt, dann ändere ich halt die Regeln."
5. "Die einzig relevanten Essgewohnheiten für den U-Ausschuss sind die Spenderfrühstücke der ÖVP".
Stefanie Krisper (Neos)
1. "Von Highlights zu sprechen, ist bei einem Untersuchungsausschuss immer schwierig. Der Erfolg wird daran gemessen, welche Lehren aus den Untersuchungen gezogen werden. Was jedenfalls gelungen ist, ist die Dreistigkeit des türkisen Systems in Bezug auf Postenschacher aufzuzeigen. Denn einmal mehr ist klar geworden, die Kurz-ÖVP arbeitet in erster Linie für sich selbst. Das türkise Establishment sorgt sich nur um die eigene Partie und nicht mehr darum, in Österreich etwas zu bewegen."
2. "Der letzte Auftritt von Kanzler Kurz, bei dem er mit Hilfe der ÖVP nichts für den U-Ausschuss Relevantes sagte, aber so ausschweifend antwortete, dass die Grünen und wir NEOS keine einzige Frage stellen konnten. Darin zeigt sich der mangelnde Respekt, insbesondere von Seiten der ÖVP vor dem Untersuchungsausschuss und dem Parlament. Klar ist auch: Wer den U-Ausschuss brüskiert, brüskiert das Parlament und damit die Bürger_innen."
3. "Der Erfolg dieses Ausschusses wird daran gemessen werden, ob es uns als Parlament gelingt, die dringend notwendigen Reformen umzusetzen. Unsere Vorschläge liegen bereit: Angefangen von der Reform der Parteienfinanzierung mit voller Transparenz der Parteikassen und umfassende Kontrollmöglichkeiten der Parteikassen. Außerdem muss es uns endlich gelingen, durch transparente Postenvergaben den Postenschacher in Österreich abzudrehen."
4. "Das Wichtigste ist sicherlich die Öffentlichkeit. Dürften die Bürger_innen zuschauen, wäre vieles im U-Ausschuss anders, nämlich besser. Ich bezweifle, dass sich Auskunftspersonen bei einer öffentlichen Befragung auch 86-mal nicht erinnern können würden oder sich derart respektlos vor dem Parlament und dem Ausschuss verhalten hätten."
5. "Weder noch. Snickers ("Du bist nicht du, wenn du hungrig bist"…) – und Kaffee, Cola... und Kaffee."
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