WKO-Präsident Harald Mahrer gibt sich in einem KURIER-Interview im November 2024 bereits sicher, dass es keiner neuen Steuern bedarf, um das Defizit wettzumachen. Es seien die Förderungen zu evaluieren und Ineffizienzen zu streichen. Konkret will man jetzt jedes Ministerium durchleuchten – vor allem hinsichtlich der Rücklagen, die jedes Ressort hat, um mittel- und langfristig planen zu können.
"Keine Scheu, unschöne Schritte zu gehen"
Vorsicht: Bei besagten Rücklagen handelt es sich nicht um angespartes Geld. Es handelt sich um noch nicht ausgegebenes Geld, auf das die Ministerien auf dem Papier ein Anrecht haben. „Entnehmen“ sie einen Teil der Rücklagen – das müssen die Ressorts beim Finanzministerium (BMF) beantragen – muss der Finanzminister neue Kredite aufnehmen, um diese zu finanzieren. Erst durch die Entnahme wirken sich die Rücklagen negativ auf das Defizit aus.
Solche "Rücklagen" dürfen die Ministerien seit 2009 bilden. Hintergedanke war, dass die Ressorts, wenn sie weniger Geld als vorgesehen verbrauchen, die Ersparnis beliebig verwenden können – etwa für längerfristige Projekte. Die Rücklagen bilden also teilweise ab, in welchen Bereichen der Ministerien es laufende Aufwände gibt.
Und genau diese Aufwände wollen die blauen als auch schwarzen Verhandler genauer unter die Lupe nehmen. Sie sind sich sicher, dass Milliarden (!) zu finden sind. Wo genau – dies herauszufinden sei nun das vorrangige Ziel "und möglich", sind sich hochrangige Funktionäre beider Parteien sicher. Man habe, heißt es, "keine Scheu, jetzt unschöne Schritte zu gehen und Einschnitte zu machen, da die Bevölkerung weiß, dass wir uns derzeit in einer Krise befinden."
Auch Umfragen, wonach die Mehrheit der Österreicher ausgabenseitiges Sparen bevorzugt, bestärkt FPÖ und ÖVP in ihrem Ansinnen. Beide wollen jedenfalls keine Ausgaben einsparen, die sich positiv auf die schwache Konjunktur auswirken. Und: die FPÖ will ein Defizitverfahren durch die EU jedenfalls vermeiden, um nicht den Eindruck zu vermitteln, von Brüssel "besachwaltet" zu werden.
FPÖ will Kassasturz
Über all dem steht allerdings noch ein großes Fragezeichen. Denn die FPÖ misstraut der ÖVP offenbar, dass die vorliegenden Budget-Zahlen überhaupt stimmen: Erste und wichtigste Maßnahme sei daher ein Kassasturz, sagt der Blauer zum KURIER. In der FPÖ geht man davon aus, dass die Zahlen, die den schwarz-rot-pinken Verhandlern zur Verfügung standen, nicht stimmen, sondern dass die Budget-Situation sogar noch dramatischer ist.
Es bedürfe einer Summe von vielen kleinen Schritten zur Sanierung des Budgets, die auch nicht gleich im ersten Jahr große Wirkung entfalten werden, sagt ein Blauer: „Aber das ist auch unserer Wähler-Klientel klar.“ Somit sei nicht zu befürchten, dass die FPÖ bei den nächsten Wahlen aufgrund des Setzens von vielleicht unpopulären Maßnahmen abgestraft werde.
Wie aus den Umfeldern beider Teams zu hören ist, gehe es natürlich nebst der schnell aufzubessernden Stimmung ("jeder muss jetzt mal Dampf ablassen und dann setzen wir uns an einen Tisch") zwischen allen Verhandlern auch um Bereiche, in denen man sich etwaig künftig seine Meriten verdienen will.
Zwei Lesarten
In der ÖVP will man als Juniorpartner natürlich nicht klein beigeben und den Chefsessel im Finanzministerium, wenn auch derzeit der wohl härteste Job der Republik, behalten. Zudem und jedenfalls hängt die Volkspartei an jenen Ressorts, die sie bereits innehat: Inneres, Verteidigung und Landwirtschaft.
In der FPÖ will man ebenfalls im Finanzministerium und im Wirtschaftsministerium sein Können zeigen und das Infrastrukturministerium wieder haben.
Letzterem stand in der letzten ÖVP-FPÖ-Regierung Norbert Hofer als Minister vor. Das Ressort ist gewichtig, zudem kann durch ÖBB, Asfinag und Co. Einfluss und Image geltend gemacht werden.
Die ÖVP wolle die ÖABB-Klientel bedienen, nebst den "Uniformen" (Polizei, Militär) die "Beamtenministerien" (Bildung, Wissenschaft, Forschung) für sich gewinnen.
Bleibt die Frage, wie die FPÖ die Verhandlungen angehen will, nachdem Kickl am Dienstag der ÖVP sehr offen mit Neuwahlen gedroht hatte, sollte sie irgendwelche "Tricks oder Spielchen" wagen. Ein Partei-Insider dazu: „Kickl hat im Präsidium am Dienstag klargestellt: Die FPÖ will keine Neuwahlen provozieren, sondern tatsächlich regieren – solange die ÖVP sich anständig verhält".
Keineswegs habe man vor, die ÖVP in den Verhandlungen unfair zu behandeln oder gar zu demütigen – trotz aller bisherigen Animositäten und trotz der strategisch misslichen Lage, in der sich die Schwarzen gerade befinden. Als Vorbild, was den gegenseitigen Umgang betrifft, gelten demnach die jüngsten Verhandlungen in der Steiermark.
Wobei: „Laut Umfragen steht es mittlerweile 35 zu 20 für die FPÖ“, sagt er. Die Zeiten, wo die Blauen den Schwarzen bei Verhandlungen entgegenkommen mussten, seien somit vorbei. Dies gelte auch und gerade für Knackpunkte in den heiklen Bereichen wie die EU-, Außen- und Sicherheitspolitik. Die FPÖ werde etwa ihren Widerstand gegen das Raketenabwehr-System Sky Shield keineswegs aufgeben, so der Blaue. Sofern dies die Verträge zulassen würden.
Er ist jedenfalls zuversichtlich, dass die Verhandlungen glücken. „Wenn sie scheitern, dann in den großen Fragen und nicht bei den Details wie bei der Ampel.“
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