Harald Mahrer: "Ich bin mir sicher, dass man die Milliarden findet"
WKO-Präsident Mahrer, Teil des ÖVP-Sondierungsteams, über Mittel im System statt neuer Steuern, die ideologische Brille der SPÖ, den Fehler der türkis-grünen Koalition und was passieren muss, damit die Dreierkoalition kommt.
Harald Mahrer: Ja, das musste ich in der Gründungsphase als Unternehmer vor vielen Jahren auch.
Zahlreiche KV-Verhandlungen laufen, schließen bei rund 4 Prozent. Sind die Ergebnisse angesichts der Konjunkturflaute auf lange Frist gedacht leist- und machbar?
Die Frage hat mehrere Facetten. Haben die Menschen genug Geld zum Leben und Ausgeben, damit die Wirtschaft wieder anspringt. Und genau diese Frage ist im Kontext zu sehen, dass Österreich sich im internationalen Wettbewerb aufgrund hoher Arbeitskosten zunehmend aus dem Markt preist. Ich werde seit Wochen hier am Tisch wie bei den Regierungsverhandlungen nicht müde zu sagen: Der Wirtschaftsmotor muss laufen. Stottert der Motor, dann ist das schlecht für die Einnahmen, den privaten Konsum, die Investitionstätigkeit von Unternehmen, die Exporte und damit das Sozialsystem. Die Zusammenhänge lassen viele gerne außeracht.
Welchen Anteil hat die Regierung, welchen externe Faktoren, dass die Wirtschaft derart schwächelt?
Wir sind Beifahrer bei globalwirtschaftlichen Entwicklungen, was unsere Exportwirtschaft betrifft. Aber: Betriebe können auch unter schwierigen globalen Rahmenbedingungen wirtschaften, wenn wir in Österreich unsere Hausaufgaben machen.
Meinen Sie, die Lohnstückkosten und Lohnnebenkosten, die die kommende Regierung jedenfalls reduzieren muss?
Das Ziel muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Da spielen viele Variablen eine Rolle – die größte sind die Lohnstückkosten. Die zweite große Komponente sind die Arbeitsstunden. Nur, wenn in Österreich in Summe mehr Arbeitsstunden geleistet werden, bleibt unser Sozialsystem finanzierbar. Das ist ideologiebefreit die Faktenlage.
Fakt ist auch, die Zahl der arbeitenden Menschen wird weniger und es wollen immer weniger Vollzeit arbeiten.
Die Bereitschaft der Bevölkerung mehr zu leisten, wenn mehr netto vom Bruttogehalt bleibt, ist groß, größer als Kommentatoren das denken – besonders bei Überstunden. Was wir brauchen, das ist eine Debatte über Gerechtigkeit. Es geht um die Menschen, die arbeiten und jene, die arbeiten könnten und es nicht tun, obwohl sie keine Kinderbetreuungs- oder Pflegeverpflichtungen haben
Sie sprechen über das degressive Arbeitslosengeldmodell, das die ÖVP gegen den Willen der Grünen nicht durchgebracht hat. Ist das Modell bei den Verhandlungen sakrosankt?
Sukzessive weniger Geld zu bekommen, das ist eine Möglichkeit für all jene, die arbeiten könnten, aber nicht wollen. Egal, woher sie kommen. Eine weitere Möglichkeit ist, dass man erst nach fünf Jahren Aufenthalt, Anspruch auf Sozialleistungen hat.
Das wird die ÖVP bei der SPÖ alles nicht durchbringen.
Egal, wer in der Regierung sitzt: Die Regierung muss es angehen, weil es ein tief empfundenes Unwohlsein über diese Ungerechtigkeit in der Bevölkerung gibt. Das ist auch ein Grund, warum die Wahlergebnisse aussehen wie sie aussehen. Wenn Regierende das nicht machen, werden sie abgestraft werden und das unabhängig jeder Parteifarbe.
Was hat Mario Kunasek in der Steiermark besser gemacht als alle anderen?
Er spricht, wie alle in der FPÖ, die Dinge sehr zugespitzt an. Ich hätte mir gedacht, dass alle Politiker, die jetzt eine Koalition bilden wollen, nach der Nationalratswahl aufwachen und die Angst der Menschen um ihre Jobs, um die Sicherheit bis hin zum Wohlstand in diesem Land ansprechen und zu ändern versuchen. Aufgewacht sind noch nicht alle.
Die ÖVP regiert seit Jahrzehnten das Land und die Länder, ist mitverantwortlich für die Ängste und Sorgen.
Die Entscheidungen der Vergangenheit wurden mit Sicherheit nicht immer alle richtig getroffen.
Welche Entscheidung war falsch?
Dass sich die Regierung nicht darauf einigen konnte, bei der Energiepreisbildung früher einzugreifen und damit die Preise durch die Decke gegangen sind, was sich wiederum durch die gesamte Volkswirtschaft zieht. Die Energiekosten haben die Inflation weit über den europäischen Schnitt getrieben, was dazu geführt hat, dass die Lohnabschlüsse hoch waren und wir uns damit aus dem Exportgeschäft herausgepreist haben. Die ÖVP hat sich um eine Einigung in dieser Frage bemüht, mit dem grünen Koalitionspartner war das nicht zu machen.
Sprechen Sie sich für die Fortführung der Strompreisbremse über 2024 hinaus aus?
Wir müssen bei der Verfügbarkeit und Leistbarkeit von Energie jedenfalls etwas machen. Welche Instrumente nächstes Jahr und bis 2030 die beste Wirkung haben, das ist Gegenstand der Verhandlungen.
Sie plädieren für eine „Ausgabenbremse“. Wo wird der Staat jedenfalls Geld in die Hand nehmen müssen?
Wir müssen den Wirtschaftsmotor wieder ins Laufen bringen.
Soll Österreich mehr Schulden machen, sollen die Maastricht-Kriterien mittelfristig über Bord geworfen werden?
Der Staat kann auch Geld in die Hand nehmen, indem er die Ausgaben, die er hat, überprüft. Ob sie notwendig sind und, ob sie eine wachstumsorientierte Wirkung haben. Die Beträge sind aufbringbar, wenn man denn nur möchte, denn natürlich ist die Ausgabenbremse mit unangenehmen Botschaften verbunden.
Sagen Sie gerade, dass wir im System Milliarden an Euros finden werden und damit, dass wir jedenfalls keine neuen Steuern brauchen?
Man muss die Knochenarbeit machen, alle Budgets zu durchforsten und ich bin mir sicher, dass man die Milliarden findet. Der einfache Weg ist, sich an einer Robin Hood- oder Raubritter-Diskussion zu beteiligen, und den Bürgerinnen und Bürgern mittels Steuern Geld abzuknöpfen. Wir brauchen und wollen aber keine neuen Steuern geben.
Warum will die SPÖ dann jedenfalls vermögensbezogene Steuern?
Wenn man eine ideologische Brille aufhat, dann spricht man über neue Steuern. Die Frage ist, ob es einen Willen abseits der Ideologie gibt.
Die Regierungsverhandlungen gestalten sich langwierig bis zäh. Bleiben Sie beim dezidierten Nein zu einer Koalition mit der FPÖ.
Der Bundeskanzler hat sich festgelegt. Jetzt geht es darum, eine Regierung mit SPÖ und Neos zu verhandeln und darum, ob die für die Republik notwendigen Reformen angegangen werden oder nicht. Wir, seitens der Wirtschaft, werden das Gelingen oder Scheitern der Verhandlungen an den Inhalten festmachen: Lohnnebenkosten senken, Arbeitsanreize schaffen, den Standort stärken.
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