Das Budgetdefizit Österreichs wächst. Gemäß Prognosen des Fiskalrats wird es heuer 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen und damit weit höher ausfallen als es die Maastricht-Kriterien (3 %) vorgeben.
Und weit höher als es ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner noch vor wenigen Wochen avisiert hat.
Grund: Vor der Nationalratswahl ( 29. September 2024) geht das von der ÖVP geführte Finanzministerium in seinen Prognosen für 2024 noch von einem Defizit von 2,9 % aus.
Wochen später - einen Tag nach der Nationalratswahl - präsentiert die Statistik Austria eine BIP-Revision, drei Tage später das Finanzministerium eine "September-Notifikation". Die Zahlen besagen, dass es um den Staatshaushalt und die Schulden weit schlechter bestellt ist als zuvor noch avisiert.
Fiskalratschef Christoph Badelt glaubt die Werte des Finanzministeriums nicht. Die FPÖ bezeichnet diese in einer Aussendung als "Zahlen-Bullshit-Bingo", die sondierenden Parteien SPÖ und Neos verlangen einen Kassasturz, eine Expertengruppe wird eingerichtet, um im Rahmen der Sondierungsgespräche den Status Quo der Staatskassa zu eruieren.
Und der zuständige Finanzminister?
Der erklärt sich und und die Zahlen in einem Mediengespräch Mitte der Woche und einen Tag vor dem Budgetausschuss im Parlament zunächst mit Altbekanntem.
Seine drei Amtsjahre könne man als "stürmisch bezeichnen". Die Regierung habe zahlreiche Krisen zu bewältigen gehabt. Von der Gesundheitskrise (Corona) über die über die Energie und Teuerungskrise (Inflation) bis hin zu geopolitischen Krisen wie dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Ehe Brunner in seiner Rede die schlechten Prognosen zum Thema macht, will er noch einmal das aus seiner Sicht Positive hervorkehren. Das da wäre? Die Abschaffung der Kalten Progression, der Finanzausgleich samt Zukunftsfonds,das aufgestockte Verteidigungsbudget und nicht zuletzt Unternehmenshilfen.
Die türkis-grüne Regierung hätte "viel Geld in die Hand genommen, um die Menschen und Unternehmen in Zeiten hoher Inflation zu entlasten", so Brunner, der daran erinnert, dass die
Inflationsrate im Jänner des Vorjahres mit 11,2 % ihren Höhepunkt erreichte,
derzeit bei knapp 2 % liegt
Mit den Hilfen sei allerdings auch ein "Anspruchsdenken" einhergegangen, das nun heruntergefahren werden müsse, so der ÖVP-Minister. Nun müsse man sich wieder der "Eigenverantwortung" besinnen. Dies sei aber noch nicht der Fall. In den vergangenen Woche seien an die Regierung Forderungen von 15 Milliarden Euro gestellt worden.
Dass er selbst für die Budgetzahlen verantwortlich ist und die schlechteren Prognosen vor der Nationalratswahl nicht publik wurden, will er nicht als Kritik gelten lassen.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS oder die Statistik Austria -auf deren Prognosen das Finanzministerium das Budget erstellt - hätten ihre Prognosen in den vergangenen zwölf Monaten immer wieder nach unten revidiert. Das wirke sich "naturgemäß auf die Defizitprognosen des Finanzministeriums aus", so Magnus Brunner. Zum Zeitpunkt der Budget-Erstellung (Oktober 2023) für das laufende Jahr 2024 - sei man noch von einem Wirtschaftswachstum von 1,2 % ausgegangen, so Brunner weiter. Nunmehr ist wie mehrfach berichtet von einem Negativwachstum von 0,6 % auszugehen. Es handle sich um eine "komplexe" Angelegenheit.
Diese revidierten Zahlen und Prognosen haben - so Brunners Argumentation - massive Auswirkungen.
"2 Prozentpunkte weniger Wachstum bedeuten ein um rund 1 Prozent höheres Defizit im Haushalt", sagt Brunner vor Journalisten. Und eben diese Revision hätte zur Folge, "dass wir unsere Defizit-Prognose für 2024 von 2,9% Anfang Oktober auf 3,3% nach oben revidieren mussten. Und ja, damit überschreiten wir die 3%-Maastricht-Grenze. Damit sind wir allerdings nicht alleine: Auch neun andere EU-Mitgliedsstaaten erwarten für dieses Jahr ein Defizit von über 3%. Das ist also kein österreich-spezifisches Phänomen, sondern für nahezu alle Regierungen in Europa waren die Krisen der letzten Jahre eine Zäsur für den Haushalt.“
Dass die schlechten Zahlen partout erst am 30. September bekannt wurden habe nichts mit der Wahl zu tun, der Veröffentlichungstag sei schon im Dezember 2023 - also lange zuvor - festgestanden.
Zudem, führt Magnus Brunner gleichsam als Rechtfertigungsargument an, revidiere die Statistik Austria regelmäßig die BIP-Zahlen.
Eine EU-weite langjährige Revision habe weiters dazu geführt, dass "das nominelle BIP für 2024 um rund 3% (14,6 Milliarden Euro) geringer sei.
Schulden steigen automatisch
"Da die Schuldenquote im Verhältnis zum BIP berechnet wird, steigt Österreichs Schuldenquote allein durch diese Datenrevision an. Ohne dass auch nur ein Cent mehr an Schulden aufgenommen wurde, erhöht sich der Schuldenstand."
Ob aufgrund dieser volatilen und revidierten Prognosen künftig das Berechnungsinstrumentarium der Budgeterstellung zu ändern ist, das wollen weder Brunner noch seine Beamten auf KURIER-Nachfrage beantworten. Man empfehle künftig auf "Ausgabeneffizienz" zu setzen. Ob er damit rechnet, dass gegen Österreich ein Defizitverfahren eingeleitet werden wird, lässt der ÖVP-Mann ebenfalls offen.
Brunner selbst übergibt die Agenden laut KURIER-Informationen bald - weil die Kommission von Ursula von der Leyen mit 1. Dezember tätig werden soll. Bereits Ende dieser und Anfang nächster Woche könnte der Finanzminister an seinen Nachfolger übergeben. Gunter Mayr, Finanzrechtsexperte im Finanzministerium, (Sektion IV - Steuerpolitik und Steuerrecht) soll die Geschicke in der Johannesgasse leiten bis die neue Regierung angelobt wird.
Kommentare