Warnung an Wien: EU-Kommission droht Österreich mit Budgetdefizit-Verfahren

Austrian Chancellor Nehammer and Vice Chancellor Kogler attend the budget session of the Parliament in Vienna
Österreich ist neben Belgien das einzige EU-Land, dessen Fahrplan für die Korrektur des Budget-Defizits noch fehlt.

Es ist noch kein Strafverfahren, aber quasi die letzte Warnung. Bis Anfang des nächsten  Jahres soll die Regierung in Wien endlich ihren Plan in Brüssel vorlegen, wie man das Budgetdefizit wieder auf Kurs nach EU-Vorschriften bringt. Das kündigte der noch amtierende EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg an.

Blockade von EU-Geldern

Neben Österreich ist nur Belgien noch säumig – auch dort ringt man ja  derzeit um eine neue Regierung. Versäumt Wien diese Frist, droht ein Defizit-Verfahren der Kommission  mit all den möglichen Blockaden für Fördergelder aus den Budgettöpfen der EU.

In der derzeitigen EU-Wirtschaftsflaute und nach den teuren Pandemiejahren steht es natürlich um einige Budgets in den EU-Mitgliedsländern nicht zum Besten. Gegen insgesamt  acht Staaten laufen bereits Defizit-Verfahren der EU-Kommission, darunter etwa Frankreich, die Slowakei, oder Ungarn.
Die von allen Staaten vorgelegten Pläne sind jetzt von der EU-Kommission überprüft worden – und zwar nach den neuen EU-Budgetregeln. Die sind grundsätzlich so strikt wie die alten, haben also als langfristiges Ziel die traditionellen drei Prozent Budgetdefizit. Allerdings kann sich ein Land jetzt statt bisher vier sieben Jahre Zeit nehmen, um mit dem eigenen Budget wieder auf Kurs zu kommen. Außerdem wird der Weg dorthin von  Brüssel mit jedem Land einzeln abgestimmt.    Das erspart vielen Ländern wie etwa Frankreich, oder Deutschland vorerst ein Strafverfahren. Ihre Fahrpläne sind sozusagen mit Vorbehalt abgesegnet worden, mit dem Hinweis auf einzelne Budgetzahlen, die noch korrigiert werden müssen.

12 von 27 Staaten betroffen

Aus dem Wiener Finanzministerium hieß es gegenüber der APA, ein Budgetdefizit über der Maastricht-Grenze sei "kein österreich-spezifisches Phänomen, denn die Kommission geht bei 12 von 27 EU-Mitgliedsstaaten von einem Defizit über drei Prozent aus. Der heute vorgelegte Bericht bedeutet allerdings nicht, dass automatisch ein EU-Defizit-Verfahren gegen Österreich eingeleitet wird. In diesem Zusammenhang ist außerdem wichtig zu erwähnen, dass die Defizitprognosen für 2025 von einem "No-Policy-Change" ausgehen - also von der Prämisse, dass eine neue Bundesregierung an keiner Schraube drehen und keine einzige Maßnahme setzen würde."

Das Finanzministerium in Wien hatte Anfang Oktober seine Defizitprognose für das Budget des Jahres 2024 auf 3,3 Prozent erhöht, und dafür viel Kritik geerntet, da dies kurz nach der Nationalratswahl erfolgte. Der damalige Finanzminister und künftige EU-Migrationskommissar Magnus Brunner (ÖVP) hatte vor seinem Abgang Mitte November noch seine nach oben korrigierte Defizitprognose verteidigt. Die Erstellung solcher Prognosen sei "ein extrem aufwendiger Prozess", konterte er vor Journalisten in Wien. Dieser Prozess sei immer der gleiche, "egal, ob Wahlen sind oder nicht".

Krachend durchgefallen ist dagegen der Plan der Niederlande. Die angepeilten Zahlen sind weiterhin zu rot  und zeigen nach Ansicht der Kommission eindeutig in die falsche Richtung.
Das die aktuellen Zahlen aus Österreich mit mehr als vier Prozent Defizit ebenfalls an den EU-Budgethürden scheitern, weiß man auch in Brüssel. Doch vorerst gibt man sich geduldig. Die bisherige Regierung in Wien habe, „versprochen, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten“. Man erwarte aber, dass die dann vorgelegten Pläne „ausreichend detailliert“ seien. Bis Jänner, so war aus der Kommission zu hören, rechne man mit Plänen aus Wien.

Böse Bemerkungen in Richtung Wien

Mit dem klaren „Nein“ zu den Budgetplänen der Niederlande, den zumindest deutlich formulierten Bedenken gegenüber Deutschland und den klaren Erwartungen an Wien und der ebenso klaren Drohung mit einem Defizit-Verfahren hat Brüssel  also jetzt ausgerechnet drei Länder im Visier, die sich  bisher immer als sogenannte „frugale“ Länder präsentiert haben. Also jene, die bei den jüngsten Verhandlungen über die neuen EU-Budgetregeln ständig auf mehr Härte gedrängt hatten.
Kommissar Gentiloni,  der als Italiener Defizitsorgen nur zu gut kennt, konnte sich bei der Präsentation  der aktuellen Pläne ein paar klar auch an Wien gerichtete Bemerkungen nicht verkneifen: Das seien  natürlich strenge Regeln,  „aber ich war nicht derjenige, der die eingefordert hat.  Ich werde jetzt nicht mit dem Finger zeigen, aber die Betroffenen  wissen schon, wer dafür war.
Die EU-Kommission hatte in ihrer neuesten Wirtschaftsprognose für heuer 3,6 Prozent Budgetdefizit in Österreich erwartet, für kommendes Jahr 3,7 und für 2026 3,5 Prozent. Damit liegt das Defizit klar über der sogenannten Maastricht-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Gleichzeitig darf der Schuldenstand eines Mitgliedsstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Wird eine dieser beiden Grenzen nicht eingehalten, kann die EU-Kommission Defizitverfahren einleiten.

"Überbordende Corona-Förderungen, weitgehend unangetastete Übergewinne sowie die Senkung der Körperschaftsteuer haben tiefe Spuren im Budget hinterlassen. In Kombination mit der fehlenden Gegensteuerung angesichts der Rezession steht die künftige Bundesregierung vor einer gewaltigen Herausforderung", kommentierte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in einer Aussendung. Der Bericht der EU-Kommission bestätige, dass die Situation schwieriger sei als bisher angenommen: Der aktuelle Schuldenstand sei alarmierend.

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