Finanzminister Blümel: „Für Sparer ist Inflation eine Katastrophe“
Die Preise für Waren und Dienstleistungen stiegen in Österreich im August um 3,1 Prozent. Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren. Grund für den hohen Anstieg ist die Pandemie: Im Vorjahr gab es infolge der Lockdowns große Einbrüche bei der Nachfrage. Nun zieht sie wieder stark an, zum Teil gibt es auch einen Angebotsmangel (etwa bei Rohstoffen).
Der KURIER sprach mit Finanzminister Gernot Blümel über die hohe Inflation, über die Steuerreform und Pensionserhöhung und das dänische Modell für Arbeitskräfte, das Arbeitspflicht als Integrationsmaßnahme vorsieht. Ein Thema blieb weitgehend ausgespart: die Ermittlungen der Justiz. Inhaltlich gibt es hier freilich nichts Neues, denn: Blümel ist überzeugt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft alle Ermittlungen gegen ihn einstellen wird - weil die Vorwürfe haltlos sind.
KURIER: Herr Finanzminister, die Inflation ist mit 3,1 Prozent hoch wie schon lange nicht. Wird die Teuerung dauerhaft sein?
Gernot Blümel: Das ist die große Frage, die man sich im gesamten Euroraum und in den USA stellt. Klar ist, dass die Inflation an den Preisen des Coronajahres gemessen wird, als viele Einzelpreise deutlich geringer waren.
Würde man den Vergleich mit 2019er-Preisen ziehen, würde sich das anders darstellen. Die Frage ist also: Normalisiert sich die Teuerung nächstes Jahr? Oder müssen wir mittelfristig mit einer höheren Inflation rechnen? Vieles deutet auf Normalisierung hin, aber wir müssen dennoch wachsam bleiben.
Soll die EZB die Zinspolitik ändern?
Das ist ein Punkt, warum ich glaube, dass wir in der EU klare Schuldenregeln brauchen. Wenn nämlich das Wachstum steigt, und die Inflation steigt, braucht die EZB Spielraum, um die Zinsen zu erhöhen und die Inflation zu drücken. Wenn die Staaten aber so stark verschuldet sind, dass sie sich steigende Zinsen nicht leisten können, ist die EZB handlungsunfähig und hat die Wahl zwischen Preisstabilität und dem Ende der Eurozone. In diese Lage dürfen wir nicht kommen.
Was heißt es für Sparer, wenn die Zinsen so niedrig bleiben?
Für Sparer ist das eine Katastrophe. Inflation ist zwar volkswirtschaftlich positiv, nur so funktioniert unsere Wirtschaft. Die Inflation darf allerdings ein gewisses Maß – die EZB hat es mit zwei Prozent definiert – nicht übersteigen. Faktum ist aber, dass bei hoher Inflation, gepaart mit niedrigen Zinsen, Sparguthaben weniger wert werden. Das ist vor allem für heimische Sparer ein Problem, weil 40 Prozent der Privatvermögen auf Sparbüchern liegen. Deshalb ist es so wichtig, alternative Anlageformen wie Aktien zu fördern.
Für den Finanzminister sind niedrige Zinsen hingegen ein Geschenk.
Diese Situation macht überhaupt erst möglich, dass wir trotz Krisenausgaben über Entlastungen reden können. Man erinnere sich: Nach der Finanzkrise waren Nulllohnrunden und Sparpakete notwendig, aktuell ist das kein Thema.
Die Pensionen sollen laut Pensionskommission um 1,8 Prozent steigen. Wird es mehr werden?
Ich will den Gesprächen nicht vorgreifen, aber wir haben eine gute Tradition, Altersarmut zu bekämpfen, und wer Bundeskanzler Sebastian Kurz kennt, der weiß, dass er sich immer sehr um kleine Einkommen bei Pensionisten kümmert.
Also, der Finanzminister stellt sich hier auf höhere Ausgaben ein?
Wir sind auf alles eingestellt.
Wie weit ist die Steuerreform?
Der Zeithorizont ist knapp, und teilweise sind wir schon noch auseinander. Auch Corona hat uns dazwischen gepfuscht. Wir hoffen dennoch, rasch fertig zu werden. Klar sind die Ziele: Wir wollen arbeitenden Menschen mehr im Geldbörsel lassen. Und soll einen Preis bekommen – immer mit den entsprechenden Kompensationen, denn wir wollen die Leute nicht sekkieren, sondern dazu anreizen, dass sie sich Geld sparen, wenn sie sich umweltfreundlich verhalten.
Der Kanzler sagte am ÖVP-Parteitag: Jeder, der arbeiten kann, muss arbeiten gehen. Der Wirtschaft fehlen viele Arbeitskräfte. Werden Sie an Stellschrauben drehen?
Natürlich, Kollege Martin Kocher hat das schon angekündigt. Es ist eine heikle Situation. Es geht darum, den Aufschwung bestmöglich zu nutzen, und dass wir uns die Hände und Füße nicht gleichzeitig binden, indem wir bei der Kurzarbeit zu großzügig sind und gleichzeitig Arbeitskräfte, die da sind, nicht aktivieren können.
Um Arbeitskräfte zu aktivieren, wie Sie sagen, will Dänemark Migranten für Sozialleistungen zur Arbeit verpflichten. Ein gangbarer Weg?
Ich habe mir den dänischen Vorschlag sehr genau angesehen. Da geht es vor allem um Menschen, die Asyl bekommen haben und Menschen, die in den letzten vier Jahren drei Jahre Mindestsicherung bezogen haben. In Dänemark ist erkannt worden, dass eines der besten Sozialsysteme der Welt sich nicht gut verträgt mit ungeregelter Zuwanderung. Auch wir versuchen immer wieder, das zu kommunizieren, wofür wir immer wieder auch kritisiert werden. Wenn aber sogar das sozialdemokratisch geführte Dänemark diese Wahrheit erkannt hat, sollte das auch in der österreichischen Diskussion etwas auslösen.
Also – sind Sie dafür, das auch in Österreich einzuführen?
Das liegt im Bereich des Kollegen Kocher. Aber wir haben das im Wiener Wahlkampf schon genau so gefordert. Integration passiert am besten am Arbeitsplatz. Gleichzeitig haben wir gesagt, dass bei Unwilligkeit Sozialleistungen gestrichen werden sollen. Das bildet relativ genau das ab, was in Dänemark jetzt als Regierungsvorlage vorliegt. Dabei geht es auch darum, den Spracherwerb zu beschleunigen. „Dänisch lernt man nicht nur in der Schule“, lautet eine Zwischenüberschrift in der dänischen Regierungsvorlage.
Die Konjunktur läuft zwar sehr gut, aber ist Impfverweigerung ein ökonomischer Bremsklotz?
Natürlich. Der ökonomisch sinnvollste Weg aus der Krise ist, sich impfen zu lassen. Vor einem Jahr war die einzige Möglichkeit, Menschenleben zu retten, das Land zuzusperren. Jetzt haben wir die Impfung. Ich bin der Wissenschaft extrem dankbar, es wird unterbewertet, was das für eine großartige Leistung ist. Ich finde es schade, dass es so große Skepsis gegenüber wissenschaftlichem Fortschritt zu geben scheint, der uns in den vergangenen 250 Jahren Wohlstand und gesellschaftlichen Frieden brachte. Das macht mich betroffen.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Einen Erklärversuch: Es geht uns mittlerweile so gut, dass sich manche die Illusion leisten, den Fortschritt nicht mehr zu brauchen. Das ist jedoch eine sehr, sehr egoistische Sichtweise, denn es geht lange noch nicht allen so gut, dass sie kein Wachstum und keinen Fortschritt mehr brauchen.
Wie schmerzhaft wäre es für die ÖVP, wenn die CDU in Deutschland das Kanzleramt verliert?
Ich hoffe, dass die Umfragen nicht stimmen. Zu Olaf Scholz habe ich ein korrektes Verhältnis, wenngleich wir in einigen Punkten schon ordentlich auseinander liegen.
Die Budgetrede ist am 13. Oktober. Wird Ihr zweites Kind oder das Budget schneller da sein?
Sicher der Bub. Die Freude ist schon sehr groß. Es kann wirklich jederzeit so weit sein. Ich habe das Handy jetzt immer auf laut. Vor dem ersten Kind hat man uns gesagt, was sich alles ändern wird. Vorher glaubt man das nicht ganz, nachher weiß man, was damit gemeint war. Jetzt sagt man uns: Ein Kind ist kein Kind. Schauen wir mal, ob sich das als wahr herausstellen wird.
Werden Sie Papa-Zeit einlegen?
Mit meinem Arbeitsethos als Finanzminister und der Erwartung, die ich an das Amt habe, wird sich das nicht ausgehen.
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