Lockdown verlängern oder öffnen? Zielwerte noch lange nicht erreicht
Den harten Lockdown verlängern? Handel und Friseure aufsperren? Oder nur die Schulen öffnen?
Regierung und Landeshauptleute stehen am Montag vor einer heiklen Entscheidung. Denn die Stimmung wird immer gereizter, die Bevölkerung zunehmend polarisiert. Am Wochenende wurden Demonstrationen verboten, darunter eine der FPÖ. Bei sogenannten Anti-Corona-Spaziergängen in Wien kam es zu Tumulten mit der Polizei.
Trotz sechs Wochen strengen Lockdowns fallen die täglichen Infektionszahlen nicht unter 1000 – von vielen Beobachtern wird dies als Zeichen gewertet, dass immer mehr Menschen die Maßnahmen nur halbherzig mittragen.
Die Sozialpartnerspitzen geben den wachsenden Unmut unter ihren Mitgliedern weiter. Wirtschaftskammer-Boss Harald Mahrer warnt vor Pleitewellen, wenn nicht endlich aufgesperrt wird. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian berichtet von zunehmenden Geldsorgen der Arbeitnehmer, und dass „viele Leute vom langen Eingesperrtsein wuggi“ seien.
Das ist die eine Seite.
Auf der anderen Seite steht der angepeilte Zielwert an täglichen Neuinfektionen. Ursprünglich hieß es, die täglichen Infektionen müssten auf 700 bis 800 sinken, die 7-Tages-Inzidenz 50 betragen. Tatsache ist jedoch, dass beide Werte in etwa doppelt so hoch sind wie erwünscht.
Mutante breitet sich aus
Die britische Mutante dürfte zwar etwas weniger ansteckender sein als ursprünglich befürchtet (vielleicht nur um 30 anstatt um bis zu 70 Prozent). Doch ungeachtet dessen: „Die Mutante ist da, sie breitet sich aus und wird sich durchsetzen“, sagt der Mathematiker Niki Popper. Allerdings: „Wir sind dem nicht hilflos ausgeliefert. Bleiben gewisse Maßnahmen aufrecht, werden wir nicht in ein paar Tagen aufwachen und auf einmal tausende Neuinfektionen pro Tag haben. Aber wir müssen genau hinschauen“, sagt Popper.
Und wenn der Lockdown endet? „Er sollte schrittweise enden und es kommt darauf an, wie viel wir testen, tracen und isolieren“, sagt der Mathematiker. In manchen Bundesländern ortet er gerade hier mangelndes Verständnis. Öffnungsschritte sollten konkret geplant und die Zahlen laufend überprüft werden.
Und die Impfung? Sie senke in absehbarer Zeit nur die Hospitalisierungen, nicht die Infektionszahlen, sagt Popper.
Droht also ein vierter Lockdown?
Popper: „Wenn die Entscheidungsträger genau hinschauen, kann man die Situation sehr wohl kontrollieren – aber nur dann.“
Schulöffnung mit Tests
Das sei besonders an den Schulen wichtig. Dort könnte eine offizielle Öffnung die Situation sogar verbessern. Warum? An vielen Schulstandorten befinden sich viele Kinder wieder in Betreuung im Klassenzimmer, nicht im Fernunterricht zu Hause. Weil die Schulen aber offiziell im Homeschooling sind, würden die Ressourcen hier quasi aufgeteilt. „Aufsperren und intensives Testen wäre wohl sinnvoll“, sagt Popper.
Die Regierung bereitet jedenfalls eine Öffnung vor. Kanzler Sebastian Kurz sagte am Freitag, er wolle lockern, was möglich ist.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober ließ verlauten, vorsichtige Öffnungen würden vorbereitet.
Ein Indiz, dass der Gesundheitsminister den Lockdown nicht zu verlängern gedenkt, ist der jüngste Verordnungsentwurf, den er an den Hauptausschuss des Nationalrats sandte. Der aktuelle Lockdown endet rechtlich am 3. Februar (alle zehn Tage muss verlängert werden). Anschobers Entwurf enthält eine Verlängerung vom 4. bis lediglich zum 7. Februar.
Geplante Öffnungen
Am ehesten gehen die Schulen nach den Semesterferien in Schichtbetrieb. Der Handel soll ab 8. Februar geöffnet werden und die Friseure sollen aufsperren dürfen.
Aber so weit war die Politik schon Mitte Jänner. Dann setzte sie sich mit den Experten zusammen. Und statt Lockerungen kamen Verschärfungen heraus: die FFP2-Maskenpflicht und ein Abstand von zwei Metern.
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