Wie der Ex-Justizminister die Justiz bremste

Der frühere Justizminister Wolfgang Brandstetter steht am Donnerstag in Wien vor Gericht. Vorgeworfen wird ihm eine Falschaussage, die er im März 2022 im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss getätigt haben soll.
Es ist der einzige Vorwurf, der in einem umfangreichen Verfahren, das im Februar 2021 seinen Anfang nahm, übrig geblieben ist. Ein Umstand, den Brandstetter jüngst in einem schriftlichen Statement an das Bezirksblatt hervorkehrte: Er sei „froh“ darüber, dass „nach mehr als viereinhalb Jahren intensiver Ermittlungen nun endlich ein unabhängiges Gericht entscheiden“ werde, war da unter dem Titel „Brandstetter kämpft um Gerechtigkeit“ zu lesen.
Was der Ex-Justizminister, Ex-Vizekanzler, Ex-Verfassungsrichter, Universitätsprofessor, Strafverteidiger und „Wahl-Eggenburger“ in dem Artikel freilich nicht erwähnt, ist sein eigener Beitrag zu diesem überlangen Verfahren. Der KURIER hat sich erkundigt.
Chronologie der Ereignisse
Am 25. Februar 2021 wurde Brandstetter von Ermittlern am Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgesucht, wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses wurde sein Laptop konfisziert. Sein Privathandy nicht. Das habe er – wie er später auch im U-Ausschuss erklärte – daheim liegen gelassen.
Angeklagt wurde er nun, weil das nicht gestimmt hat. Laut Rufdatenrückerfassung hat er kurz vor der Amtshandlung mit dem Handy telefoniert.
Erst rund einen Monat später, am 24. März, gab Brandstetter das Gerät ab und ließ es (ebenso wie den Laptop und eine Festplatte) sofort versiegeln. Es befänden sich darauf Daten, die vom Anwaltsgeheimnis geschützt seien, gab er an.
Ein langwieriges Sichtungsverfahren begann – wobei das ein Hilfsausdruck ist. Erst wurden vom Gericht zwei IT-Sachverständige bestellt, die die Daten aufbereiten sollten.
Am 23. März 2022 wurde Brandstetter dann aufgefordert, binnen sechs Wochen jene Daten zu bezeichnen, die geschützt bleiben müssten. Brandstetter stellte mehrere Anträge auf Fristerstreckung, aus sechs Wochen wurden sechs Monate.
Am 22. Dezember 2022 fiel ein Beschluss, gegen den Brandstetter Beschwerde einlegte. Eine Sichtungstagsatzung wurde auf sein Ersuchen hin auf 21. Februar 2023 vertagt. Gegen diesen Beschluss legte dann die Staatsanwaltschaft Innsbruck Beschwerde ein. Die Causa ging in die höhere Instanz, zum Oberlandesgericht (OLG).
Erst am 9. August 2023 konnte der Akt rückgestellt werden und die Sichtung der Daten beginnen.
Mehr als zweieinhalb Jahre sind da schon ins Land gezogen. Währenddessen blieb übrigens der damalige Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek suspendiert, weil er im Amtsgeheimnis-Verfahren mitdrinhing. Im Oktober 2023 starb Pilnacek.
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck war im Dezember 2023 mit ihren Ermittlungen gegen Brandstetter fertig, musste nach einer Weisung aber noch ergänzende Prüfungen durchführen. Inklusive Berichtsweg verging wieder ein Jahr, bis am 6. Februar 2025 vier Verfahrensstränge eingestellt und ein Strafantrag (zur Falschaussage) eingebracht wurden.
Zuvor hatte der Beschuldigte schriftlich gegenüber der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingestanden, dass seine Aussage im U-Ausschuss „objektiv unrichtig“ gewesen sei und einen ärztlichen Befund vorgelegt, wonach er an „leichten kognitiven Störungen“ leide, die „erheblichen Einfluss“ auf seine Gedächtnisleistung hätten.
Der Richter ließ das im Vorfeld der Verhandlung von einem medizinischen Sachverständigen überprüfen.
Am 4. Juni 2025 trat Brandstetter als Verteidiger im Amtsmissbrauchsprozess gegen einen Waldviertler Bürgermeister auf. Morgen, am 7. August, sitzt er in Wien selbst auf der Anklagebank.
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