"Erinnerungslücken": Ex-Minister Brandstetter muss wegen Falschaussage vor Gericht

"Erinnerungslücken": Ex-Minister Brandstetter muss wegen Falschaussage vor Gericht
Wolfgang Brandstetter will sich 2022 wegen „kognitiver Störung“ falsch erinnert haben, wo sein Handy war. Um das Gerät gab es tatsächlich einigen Wirbel. Zwei Jahre hat allein die Sichtung gedauert.

Der 25. Februar 2021 war für Wolfgang Brandstetter ein „äußerst hektischer und außergewöhnlicher Tag“, geprägt von „reinem Chaos“.

Das kann  man wohl so sagen: Um 9.30 Uhr wurde die Staatsanwaltschaft Wien beim damaligen Verfassungsrichter an dessen Arbeitsplatz vorstellig. Der Vorwurf: Brandstetter, damals auch Rechtsberater von Investor Michael Tojner, soll 2019 vom damaligen Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek erfahren haben, dass bei Tojner eine Hausdurchsuchung geplant ist und diesen gewarnt haben.

Diese und weitere Ermittlungen (siehe Bericht unten) wurden vergangene Woche eingestellt. Rund um die Geschehnisse von besagtem 25. Februar gibt es jetzt aber eine Anklage: Brandstetter wird demnächst in Wien wegen Falschaussage vor Gericht stehen. Ein Verhandlungstermin ist noch nicht anberaumt. 

Dem Ex-Justizminister (auf ÖVP-Ticket) und Ex-Verfassungsrichter wird zur Last gelegt, dass er im März 2022 als Auskunftsperson im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss „tatsachenwidrig behauptet hat, er hätte sein privates Mobiltelefon am 25. 2. 2021 anlässlich des Vollzugs der Sicherstellungsanordnung nicht herausgeben können, da er es nicht bei sich, sondern zu Hause hatte“, steht in einer Aussendung der Staatsanwaltschaft Innsbruck, die die Ermittlungen von den Wiener Kollegen übernommen hat.

"Nichts vertuscht"

Tatsächlich gab es um das Gerät einigen Wirbel.  Die Wiener Staatsanwältin, die in der Causa anfangs ermittelt hatte, wurde an jenem Tag von VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter vor die Tür gesetzt – es solle im VfGH keine Amtshandlung stattfinden, sagte der Hausherr. Deshalb wechselte man in die Kanzlei von Brandstetters Anwalt, da hatte der Beschuldigte aber keinerlei Geräte bei sich.

Seinen Dienst-Laptop ließ er sich bringen, sein Diensthandy lieferte der VfGH-Präsident am nächsten Tag persönlich  bei der Staatsanwaltschaft Wien ab. Und das Privathandy? Das gab Brandstetter erst rund einen Monat später – am 24. März – ab. Weil er „bestrebt“ gewesen sei, dass „nichts vertuscht“ wird, habe er einen Sachverständigen beauftragt, der festhielt, dass am Gerät nichts verändert worden sei, sagte er bei seiner Einvernahme.

Da erklärte er auch, er sei an besagtem 25. Februar „erst am Abend zu Hause draufgekommen“, dass sein Privathandy den ganzen Tag in seinem Büro lag. Die späte Erkenntnis ist bemerkenswert, weil er mit dem Gerät ja  seinen Anwalt angerufen hat, als die Staatsanwaltschaft bei ihm im VfGH aufschlug, wie die Ermittlungen später ergaben.

Nun darf ein Beschuldigter im Strafverfahren prinzipiell sagen, was er will; er muss sich nicht selbst belasten. Im U-Ausschuss aber steht man unter Wahrheitspflicht.

Brandstetter gab in einer Stellungnahme im Mai 2023 zu, dass er „objektiv falsch“ ausgesagt habe.  Der Ex-Minister und pensionierte Uni-Professor erklärte dies aber damit, dass er an einer „leichten kognitiven Störung“ leide, was zu Erinnerungslücken führe. Im April 2022 – kurz nach dem U-Ausschuss – sei er deshalb beim Arzt gewesen, durch eine Covid-Erkrankung einige Monate später hätten sich die Symptome verstärkt.

Vier Jahre Verfahren

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck beeindruckte das offenbar nicht – sie klagt ihn jetzt an. Der 67-Jährige kann noch darauf hoffen, dass ihm in der Hauptverhandlung vom Richter bzw. der Richterin eine Diversion angeboten wird. Ansonsten droht ihm eine Strafe von bis zu drei Jahren Haft.

Apropos: Auch die lange Verfahrensdauer hat mit dem Handy zu tun. Brandstetter ließ es versiegeln, allein das Sichtungsverfahren am Landesgericht Innsbruck dauerte zwei Jahre. Erst im Sommer 2023 konnte begonnen werden, die Daten auszuwerten. 

Im Jänner 2024 war die Staatsanwaltschaft Innsbruck fertig und schickte ihren Vorhabensbericht an ihre Oberbehörde. Das Justizministerium wollte noch ergänzende Prüfungen. Jetzt, ein Jahr später, fiel die Entscheidung.

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