ÖVP-Kandidat Lopatka zur Causa Schilling: "Ich würde meinen Rücktritt anbieten"
Im Vorfeld der ORF-"Pressestunde" am Sonntag ließ Reinhold Lopatka, Spitzenkandidat der ÖVP bei der EU-Wahl, wissen, dass er sich zur Causa um seine grüne Konkurrentin Lena Schilling nicht äußern wolle - das sei Privatsache.
Offenbar hat er es sich anders überlegt. Lopatka sprach zwar nicht explizit über die Vorwürfe, die gegen die 23-Jährige erhoben werden, zum Thema Integrität und Moral fiel ihm dann aber doch einiges ein.
Lena Schilling ist Spitzenkandidatin der Grünen zur EU-Wahl. Anfang der Woche erschien ein Artikel im Standard, in dem anonyme Quellen aus dem Umfeld der Klimaaktivistin ihr ein "problematisches Verhältnis zur Wahrheit" nachsagen.
Thematisiert wurde darin eine gerichtliche Unterlassungserklärung, die Schilling unterzeichnen musste. So darf Schilling nicht mehr behaupten, dass es beim Ehepaar Sebastian und Veronika Bohrn Mena häusliche Gewalt gebe.
Ein weiterer Aspekt betrifft den früheren grünen Abgeordneten Clemens Stammler, der im Oktober nach einem Zwischenfall vor einer Wiener Diskothek zurückgetreten ist. Er soll einen Journalisten attackiert haben. Falsche Belästigungsvorwürfe von Schilling gegen ihn hätten erst zu der Auseinandersetzung vor dem Lokal geführt, erklärte Stammler diese Woche. Grund für den Rücktritt sei aber die Attacke gewesen, stellten die Grünen klar.
Transparenz und Offenheit bei den Grünen
Zunächst meinte der ÖVP-Spitzenkandidat und langjährige Nationalratsabgeordnete, dass es "Sache der Grünen" sei, wie sie mit diesen "schweren Vorwürfen" umgehen.
Er erinnerte daran, dass die Grünen ja für Transparenz und Offenheit stehen - sie hätten in ihrem Europaprogramm sogar eine "Ethikbehörde" vorgeschlagen, um den Charakter von Abgeordneten zu durchleuchten.
Lopatka: "Ich bin nicht hier, um den Grünen Ratschläge zu geben. Ich sage nur: Das, was sie immer fordern - auch auf Europaebene fordern - das sollen sie auch tun."
Und er erwarte sich auch, dass die Grünen mit Clemens Stammler "anständig" umgehen. Stammler habe sein Mandat verloren wegen eines Vorfalls, der mit Schilling im Zusammenhang steht. Es gebe viele offene Fragen, die in der Pressekonferenz der Grünen am Mittwoch "überhaupt nicht beantwortet" worden seien, kritisiert Lopatka.
Kein Privatleben mehr
Die Linie der Grünen ist, dass es um "anonyme Vorwürfe und Gerüchte" aus dem Privatleben Schillings geht, die nichts mit ihrer politischen Tätigkeit zu tun hätten.
Lopatka sieht das anders: "Wenn man auf dem Weg ist zum Politiker, wenn man kandidiert, dann ist man nicht mehr privat. Ob ich laufen gehe oder in die Sauna - die Öffentlichkeit schaut zu." Auf den Artikel 8 der Menschenrechtskonvention (den Schutz des Privat- und Familienlebens) könne man dann nicht mehr zählen.
Und er widerspricht auch Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler: "Das ist kein anonymes Punktpunktpunkt." Es gebe immerhin eine gerichtliche Entscheidung zu einem der Vorwürfe.
"Charakter ist Grundvoraussetzung"
"Was wäre denn ein guter Umgang der Grünen mit der Causa?", fragt Petra Stuiber, stellvertretende Chefredakteurin des Standard, nach.
"Ich möchte auf die Sache nicht eingehen", schickt Lopatka voraus. Ganz generell sagt er: "Als das öffentlich geworden ist, hat die grüne Spitzenkandidatin gemeint, das eine ist der Charakter, das andere ist die Politik. Ich sehe das anders: Für mich ist der Charakter eine Grundvoraussetzung, um politisch erfolgreich sein zu können."
Dazu drei Punkte: Es gebe erstens das Strafgesetzbuch, zweitens ethische Normen und drittens die höchstpersönliche Moral. Und wenn man in die Politik geht, dann müsse man Standards beachten, die über das Gesetzliche und Ethische hinausgehen, so der 64-jährige ÖVP-Mandatar.
"Verantwortung der Bewegung gegenüber"
Gefragt nach den Konsequenzen, weicht Lopatka wieder etwas aus. Wie gesagt: Er möchte den Grünen ja keine Ratschläge geben.
Wenn aber die Vorwürfe, über die der Standard berichtet hat, stimmen - "und wenn mir das passiert wäre, dann hätte ich mit meinen Parteifreunden geredet und dann hätte es eine Entscheidung gegeben", sagt Lopatka.
Auf Nachfrage, ob er dann seinen Rücktritt anbieten würde, sagt er: "Selbstverständlich würde ich meinen Rücktritt anbieten", sagt Lopatka. "Es geht um die persönliche Verantwortung, die man seiner Bewegung gegenüber hat." Wenn die Parteifreunde ihn bitten würden, zu bleiben, dann würde er bleiben.
"Die FPÖ ist Kickl"
In der ORF-"Pressestunde" kam auch die obligatorische Frage nach einer künftigen Koalition auf Bundesebene nach der Nationalratswahl im September.
Eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der FPÖ schloss Lopatka aus. "Ich halte es für unmöglich, mit dieser Führerpartei mittlerweile zusammenzuarbeiten", sagte Lopatka. Dies gelte auch, wenn FPÖ-Chef Herbert Kickl einen Schritt zur Seite machen würde, denn: "Die FPÖ ist Kickl."
In der Vergangenheit habe auch er mit der FPÖ in der Regierung auf Bundesebene zusammengearbeitet, aber "die Kickl-FPÖ ist eine völlig andere", meinte Lopatka. Er sehe auch im Umfeld des freiheitlichen Parteichefs derzeit "niemanden, der ernsthaft interessiert ist, diese Radikalisierung zu beenden".
Auch im Europaparlament schloss Lopatka einmal mehr eine Zusammenarbeit mit der FPÖ und deren Verbündeten in der Rechtsaußen-Fraktion ID aus. Eine Zusammenarbeit mit Parteien aus der rechtskonservativen Fraktion EKR wie der postfaschistischen Fratelli d'Italia der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni kann sich der ÖVP-Kandidat aber sehr wohl vorstellen.
Keine Festlegung auf von der Leyen
Darauf, dass die EU-Kommissionspräsidentin und EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen dieses Amt weiter ausführen solle, wollte sich Lopatka nicht festlegen. Dazu sei es zu früh, denn zunächst seien die Regierungschefs nach der EU-Wahl am Wort, und das sei auch richtig.
Er habe aus der Erfahrung der letzten Wahl gelernt, wo sich die Regierungschefs nicht für den Spitzenkandidaten der siegreichen EVP, Manfred Weber, entschieden, sondern mit von der Leyen für eine andere aus der Parteienfamilie. "Ich habe dazugelernt, die Kandidatin oder der Kandidat, der die Hürde schafft, wird meine Unterstützung haben", so Lopatka.
"Verzweifelter Rundumschlag"
Für Kritik sorgten die Aussagen Lopatkas bei der FPÖ, die von einem "verzweifelten Rundumschlag" des ÖVP-Spitzenkandidaten sprach. Lopatka versuche die Bürger für dumm zu verkaufen, "die katastrophalen Fehlentwicklungen - Stichwort illegale Einwanderung, Stichwort Teuerung, Stichwort Wohlstandsvernichtung usw. - schönzureden" und die Freiheitlichen "anzupatzen", befand der FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky laut Aussendung.
SPÖ-Kandidat Andreas Schieder bezeichnete dagegen "Lopatkas Versuche, sich von rechts-außen zu distanzieren" als "vollkommen unglaubwürdig". Die ÖVP lasse sich die Hintertür offen "und blickt wieder einmal nach rechts, wenn es um den eigenen Machterhalt geht", meinte Schieder.
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