Der Vorwurf war bzw. ist, dass es Lena Schilling, Spitzenkandidatin der Grünen für die EU-Wahl, mit der Wahrheit nicht ganz so genau nimmt.
Was liegt denn überhaupt vor? Erwähnt wird oft ein gerichtlich protokollierter Vergleich, dessen Inhalt teilweise falsch wiedergegeben wird, wie auch die Medienanwältin Maria Windhager festgehalten hat. Sonst gibt es viel Hörensagen. Da werden Geschichten verbreitet nach dem Prinzip: Der X hat vom Y was gehört, was der wiederum vom Z gehört haben soll – und der A und der B wissen auch etwas dazu. Wir sprechen hier von Gerüchten, die sich in der vierten und fünften Kaskade verlieren und einfach abreißen. Wo wir genau hinschauen sollten, ist folgendes: Immer dann, wenn kompetente, junge Frauen den Schritt in die Politik wagen, wird auf sie plötzlich mit besonderer Energie hingehauen. Das darf uns nicht kalt lassen.
Was kann man dagegen tun?
In der Sache: Ein Anfang wäre, dass die, die irgendwelche Vorwürfe erheben, diese zunächst einmal offen auf den Tisch legen. Mehr ist zu anonym erhobenen Behauptungen gar nicht zu sagen. Zurück zum Wesentlichen: Lena Schilling ist die richtige Kandidatin für diese Wahl. Gerade in einem Jahr, wo es besonders wichtig ist, sich für Klima- und Umweltschutz und gegen rechtsextreme Hetze einzusetzen. Sie ist eine glaubwürdige Kämpferin und kompetente Politikerin. Dass diese starke Mischung nicht allen politischen Mitbewerbern gefällt, ist klar. Aber genau deshalb kandidiert sie bei den Grünen.
Rechtsextreme Hetze ist das eine, von links kommender Antisemitismus das andere. Wie sehen Sie eigentlich die Uni-Proteste, die jetzt auch Wien erreicht haben?
Es ist ein absolutes No-Go, den Terror der Hamas vom 7. Oktober in welcher Form auch immer zu relativieren. Wer es nicht einfach nur verurteilt und verabscheut, wenn mehr als 1.000 Menschen ermordet, vergewaltigt, verstümmelt, gefoltert und verschleppt werden, dem fehlt es an Herz und Hirn. Israel hat jedes Recht auf Selbstverteidigung. Aber umgekehrt gilt auch, dass sich die israelische Regierung an das humanitäre Völkerrecht zu halten hat. Auch palästinensische Zivilisten, Mütter und Kinder benötigen Schutz. Und eines sei gesagt: Es ist völlig legitim, die Politik der israelischen Regierungsparteien zu kritisieren. Aber es ist insbesondere vor dem Hintergrund der österreichischen Geschichte völlig inakzeptabel, Angriffe auf Israel zu rechtfertigen oder gar Israel das Existenzrecht abzusprechen. Egal ob das von links, rechts oder wo auch immer herkommt. Man muss das so klar sagen: Wer in Österreich Massaker an jüdischen Zivilisten feiert, missbraucht das Gastrecht und hat die Anwartschaft auf eine österreichische Staatsbürgerschaft verwirkt.
Fehlen Verschärfungen im Strafrecht?
Das Symbole-Gesetz haben wir bereits verschärft, Hamas-Symbole sind dadurch verboten. Und wenn jemand bei Demonstrationen antisemitische Parolen drischt, Israel vernichten will und Juden den Tod wünscht, ist das vom Tatbestand der Verhetzung umfasst. Wir müssen einfach wachsam sein.
Sie haben jüngst gesagt, die Regierung habe Gleise aufgezogen, aber einige Züge stünden noch im Bahnhof. Welche Züge sind das?
Das war auf das Klimaschutzgesetz bezogen. Welche Züge schon losgefahren sind? In Sachen Energiewende haben wir in drei, vier Jahren mehr weitergebracht als in den 30, 40 Jahren davor. Schauen wir uns nur den Ausbau der Photovoltaik an: Die Förderungen haben sich mehr als verzehnfacht – und siehe da: Der Ausbau hat sich auch verzehnfacht! Ganz viele Österreicher sind dabei, das stimmt zuversichtlich. Wir sind auf Kurs, dass Österreich 2030 als eines der ersten Länder Europas ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen wird.
Bleiben wir bei der Photovoltaik: Da kann der Netzausbau nicht mehr mit dem privat erzeugten Strom mithalten, Wasserkraft muss gedrosselt werden, weil zu viel PV-Strom im Umlauf ist. Läuft nicht besonders, oder?
Wir sind auf Kurs, aber es stimmt: Vorgängerregierungen in Bund und Ländern haben viel versprochen, aber sonst ärgerlicherweise alles verschlafen. Wir greifen da jetzt ins Getriebe, aber der Ausbau der Stromnetze wird noch Zeit brauchen. Aber gerade auch die Strom-Verkäufer und die Netzbetreiber kann man nicht aus der Verantwortung nehmen. Das Klimaschutzministerium verpflichtet jetzt die Netzbetreiber dazu, ordentliche Netzausbau-Pläne vorzulegen – genau das, was die Vorgängerregierungen verabsäumt haben.
Sind E-Mobilität bzw. E-Autos nicht weiterhin ein Eliten-Thema in Ballungsräumen?
Deshalb arbeiten wir ja mit Hochdruck daran, dass E-Mobilität effizienter und günstiger wird. Die Entscheidung, verstärkt E-Autos zu fertigen, ist gefallen – das haben die großen Auto-Hersteller selbst vorgegeben. Deswegen gibt es da einen ordentlichen Drive. Umso ärgerlicher ist es, dass vor allem rechtsextreme und konservative Parteien seltsame Signale zur alten Verbrenner-Mobilität aussenden – und damit vor dem Fortschritt die Augen verschließen. Wenn wir die Auffahrt verpassen, fahren uns die Chinesen auch da um die Ohren. Wir haben nur noch eine Nische, wo Europa Vorreiter sein kann: die Akku-Technologie – speziell für E-Autos. Da müssen wir jetzt Meter machen. Wer heute sagt, dass Europa Weltmarktführer beim Verbrenner sein soll, dem sage ich: Warum nicht gleich Weltmarktführer beim Kutschenbau?
Sie hatten zuletzt Zores mit den Ländern. Sowohl beim Bodenverbrauch als auch beim europäischen Renaturierungsgesetz sind die Grünen an den Landeshauptleuten gescheitert. Verärgert?
Sie haben mich zu Anfang gefragt, was mich geärgert hat die Woche. Ganz klar: Wie viel bei uns sinnlos verbetoniert wird – erst wieder live erlebt bei meinem Besuch in Wiener Neustadt, wo die Bauern mit den besonders fruchtbaren Äckern enteignet werden sollen. Dort soll für das sinnlose Uralt-Projekt aus den 70ern Ostumfahrung wertvoller Boden verbetoniert werden soll. Wenn wir mit dem Bodenverbrauch so weitermachen, haben wir in zwei, drei Generationen keinen Platz mehr, um Getreide oder Erdäpfel anzubauen. Das ist verantwortungslos, die Ernährungssicherheit unserer Kinder und Kindeskinder zu verspielen. Bei der so wichtigen Renaturierung sehen wir ein ähnliches Phänomen: Die roten und schwarzen Landesfürsten blockieren am Wunsch der Bevölkerung vorbei.
Inwiefern?
Mit der Ablehnung des Renaturierungsgesetzes ist gerade auch die Sozialdemokratie schon wieder auf der falschen Seite: Wir brauchen doch die fruchtbaren Äcker, die saftigen Wiesen, die grünen Wälder und die klaren Bäche. Mich erinnert das an die Bekämpfung der Errungenschaft, das klimaschädliches Verhalten einen Preis bekommt. Da checkt die SPÖ bis heute nicht, dass der daraus finanzierte Klimabonus von den Wohlhabenderen zu den weniger Wohlhabenderen umverteilt. Das rechnet einem jeder Umweltökonom mit simpelster Mathematik vor.
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