Sollte die Klima-Aktivistin für die Grünen bei der EU-Wahl antreten, würde sie sich deutlich vom Rest der Spitzenkandidaten abheben. Mit allen Vor- und Nachteilen.
Nach Monaten der Absagen, Verschiebungen und Spekulationen macht Werner Kogler am Montag endlich reinen Tisch: Am Vormittag präsentiert der grüne Bundessprecher den Spitzenkandidaten für die EU-Wahl im Juni.
Zuletzt deutete alles darauf hin, dass die Grünen mit der 23-jährigen Wiener Klima-Aktivistin Lena Schilling ins Rennen gehen wollen. Sie hatte sich als Repräsentantin der Fridays-for-Future-Bewegung, vor allem aber als Mitorganisatorin der Proteste gegen die Wiener Stadtstraße und den Lobautunnel einen Namen gemacht.
Sollte sie tatsächlich von den Grünen zur Spitzenkandidatin gekürt werden, würde sie sich deutlich von ihren Kontrahenten in den anderen Parteien unterscheiden. Politisch in den vergangenen Jahren überaus aktiv, wäre sie dennoch der einzige Spitzenkandidat, der über keine parteipolitische Erfahrung verfügt.
Was besonders deutlich ins Auge fällt, ist der große Altersunterschied zu ihren Mitstreitern: Reinhold Lopatka (ÖVP, 63), Andreas Schieder (SPÖ, 54), Harald Vilimsky (FPÖ, 57) und als wahrscheinlicher Neos-Kandidat Helmut Brandstätter (68).
Zu jung – zu alt
Ein Umstand, der seit Tagen in den sozialen Medien diskutiert wird. Je nach eigener politischer Präferenz wird Schilling aufgrund ihres Alters mangelnde politische Erfahrung vorgeworfen oder über das fortgeschrittene Alter der restlichen Kandidaten gelästert. Dieses – so der Tenor – würde einmal mehr das Klischee von Brüssel als Polit-Ausgedinge bestätigen. Und nicht zuletzt wäre Schilling die einzige Frau in diesem Quintett.
„In Zeiten, in denen der Frust mit der etablierten Politik derart groß ist, ist es sicher ein Vorteil, mit einer jungen Quereinsteigerin ins Rennen zu gehen“, sagt Politikberater Thomas Hofer zum KURIER.
Klima-Kompetenz
Wobei Schilling im Gegensatz zu manch anderen Polit-Neulingen über einen entscheidenden Bonus verfüge: ihre Kompetenz hinsichtlich des grünen Kernthemas Klimaschutz. „Damit verfügt sie bei den Zielgruppen der Grünen an beträchtlicher Glaubwürdigkeit“, sagt Hofer.
Mit Schilling als Spitzenkandidatin ließen sich auch enttäuschte Parteigänger aus dem Bereich der Umweltorganisationen besänftigen, die sich von der grünen Regierungsbeteiligung mehr erwartet hätten. Zumal es den Grünen bei dieser Wahl weniger darum gehe, über ihre eigene Zielgruppe hinaus zu strahlen: „Wenn es ihnen gelingt, ihre drei Mandate zu halten, ist das schon ein großer Erfolg“, ist Hofer überzeugt.
Fraglich sei laut dem Experten hingegen, wie sattelfest Schilling bei anderen Themen ist – etwa den Kriegen in Nahost und der Ukraine. Die Politprofis, die mit der 23-Jährigen in den Ring steigen, dürften sich wohl leichter tun, in den bevorstehenden Diskussionen die gesamte inhaltliche Breite abzudecken.
Zur Person Lena Schilling wurde 2001 in Wien geboren. Nach der Matura begann sie das Studium der Politikwissenschaften an der Uni Wien. Bekannt wurde sie als Aktivistin der Klimaschutz-Bewegung „Fridays for Future“ und durch die Besetzung der Baustelle der Wiener Stadtstraße. Seit dem Sommer ist sie zudem Kolumnistin der Kronenzeitung.
EU-Wahl Bei der EU-Wahl 2019 kamen die Grünen mit 14,08 Prozent (–0,44 %) auf Rang vier. Das Ergebnis reichte für zwei der damals noch 18 österreichischen Mandate. Mit dem EU-Austritt Großbritanniens im Jahr 2020 fiel ein drittes Mandat an die Grünen.
Hofer rechnet damit, dass vor allem FPÖ und ÖVP versuchen werden, Schilling in einen Topf mit den umstrittenen Klimaklebern zu werfen, obwohl sie sich von diesen zuletzt wiederholt distanziert hatte.
Mögliche Fallstricke lauern aber auch in den eigenen Reihen. Oft genug mussten Quereinsteiger aller Couleur erleben, dass es nach geschlagener Wahl mit dem Rückhalt seitens der Parteikollegen rasch wieder vorbei ist. Hofer ist in in diesem Zusammenhang leicht optimistisch: „Mittlerweile sind haben die Grünen eine deutlich höhere parteiinterne Disziplin als früher.“
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