Erste assistierte Suizide: "Nur möglich, weil sie so stark war"
Eigentlich hatten ihr die Ärzte gesagt, dass sie nicht älter als 20 Jahre werden würde. Mit 57 Jahren entschied Andrea Mielke nun final, dass sie lange genug mit ihrer Krankheit (spinale Muskelatrophie), wegen der sie im Rollstuhl saß, gelebt hat. Am vergangenen Donnerstag nahm sich die Salzburgerin das Leben.
Die ausgebildete Sozialarbeiterin war einer der ersten Menschen, die sich in Österreich auf Basis des neuen Sterbeverfügungsgesetzes für einen assistierten Suizid entschieden haben. Ob sie definitiv die erste war, steht nicht fest, weder das Gesundheits- noch das Justizministerium können das mit Sicherheit sagen. Auch wie viele Menschen eine Sterbeverfügung besitzen oder sich derzeit darum bemühen, ist nicht bekannt.
Vor ihrem Tod hat Mielke noch selbst thematisiert, wie schwierig der Zugang zum assistierten Suizid (Sterbehilfe ist in Österreich nach wie vor verboten) immer noch ist. Es wäre ihr nicht möglich gewesen „wenn ich nicht so tough wäre und es gewohnt wäre, für meine Belange zu kämpfen“, sagte sie wenige Tage vor ihrem Tod in einem ORF-Interview.
Was sie meinte, sind die vielen bürokratischen Hürden, die es laut neuem Gesetz zu überwinden gilt, bevor der assistierte Suizid in Anspruch genommen werden kann: Mielke musste mit zwei Ärzten ein Beratungsgespräch führen, von denen einer eine Palliativqualifikation braucht. Diese sind nicht einfach zu finden, denn eine offizielle Liste von Ärzten, die die Gespräche durchführen, gibt es bis dato nicht. Danach musste sie die Sterbeverfügung notariell beglaubigen lassen und eine Apotheke finden, die das entsprechende Medikament ausgibt. Auch hierfür gibt es keine offizielle Liste.
„Dass Frau Mielke das geschafft hat, beweist, dass es grundsätzlich möglich ist“, sagt Wolfgang Obermüller von der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL). „Aber sie war eine ganz starke Frau, die geübt war im Umgang mit Behörden. Es gibt aber andere, todkranke Menschen, die nicht genug Kraft haben, diese Hürden zu überwinden.“
Als Andrea Mielke schließlich starb, war sie nicht alleine. Ihr Lebensgefährte und zwei Ärzte waren bei ihr. Das ist nicht selbstverständlich, denn das Gesetz sieht die Anwesenheit von Ärzten bei und nach der Einnahme des Medikaments nicht zwingend vor.
Insgesamt beurteilt die ÖGHL das Gesetz vier Monate nach seinem Inkrafttreten als „grundsätzlich positiv“. Ob die Auflagen zu schwer zu erfüllen sind und man wieder vor den Verfassungsgerichtshof ziehen müsse, werde sich noch zeigen, sagt Obermüller. Allerdings müsse man auch den Ärzten nun einmal Zeit lassen, den neuen gesetzlichen Rahmen „zu verdauen und zu reflektieren“.
Mielke selbst hat sich von der Welt verabschiedet. „Ich habe mutig und tapfer vorgelebt, wofür jeder Mensch einstehen sollte – für sich selbst“, schrieb sie kurz vor ihrem Tod auf der Plattform BIZEPS.
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