Proksch wörtlich: „Es ist noch lange nicht das, was man sich aus grundrechtlicher, verfassungsrechtlicher, humanistischer Perspektive wünscht.“ Seine Hauptkritikpunkte: Die Zugänglichkeit zum assistierten Selbstmord sei durch künstliche Hürden erschwert. Es gebe „seltsame Fristen“, bis dass der assistierte Suizid möglich ist. Und der Zugang zum todbringenden Medikament sei auch nicht ordentlich geregelt.
Der Begriff „Töten“
Diese Ansage machte Wolfram Proksch in der Vorwoche bei einer großen Video-Diskussion zum Thema „Was macht die Sterbehilfe aus der Gesellschaft?“ im Haus der Industrie in Wien. Veranstalter war der Österreichische Cartellverband ÖCV, der Befürworter und Gegner der Sterbehilfe eingeladen hatte.
Darunter auch Elisabeth Pittermann, ehemalige Nationalratsabgeordnete und Stadträtin der SPÖ. Sie war auch beim Aufbau der Hospizeinrichtungen beteiligt und ist eine scharfe Gegnerin des Beschlusses. Nicht aus religiösen Gründen, sondern „weil es immer mein Wunsch war, eine Gesellschaft zu haben, wo das Töten eines anderen unmöglich ist“. Das neue Gesetz „öffnet Schleusen und ich fürchte diese“. Es sei ein „Dammbruch“ absehbar.
Für sie sei auch der assistierte Selbstmord ein Töten, selbst wenn die Gegenseite nun von einem „Tod mit Würde“ spreche. Eytan Reif vom Verein für selbstbestimmtes Sterben wollte das so nicht stehen lassen. Das neue Gesetz sei kein „Töten auf Verlangen“, da beende jemand „sein eigenes Leben“. Deswegen sei für ihn das Wort „Töten“ eine „Themenverfehlung“. Auch er sieht im neuen Gesetz noch viele „problematische Stellen“.
Dieses Verschwimmen der Begriffe – wie etwa beim Wort „Töten“ – sei eine Auswirkung der Sterbehilfe-Debatte auf die Gesellschaft, findet Stephanie Merckens vom Institut Ehe und Familie. „Wir reden hier vom Töten“, bekräftigte sie bei der Diskussion. Sie störe auch, dass plötzlich auch beim assistierten Selbstmord das Wort „Barmherzigkeit“ verwendet werde.
Die Kritik der Kirche
Bei der Diskussion mit dabei war auch Peter Schipka, Generalsekretär der Bischofskonferenz. Als studierter Jurist machte er klar, was das Sterbeverfügungsgesetz auch bedeute: Es gehe nicht nur um Medikamente, man könnte suizidwilligen Menschen auch die Pistole reichen.
Schipka: „Da die Sterbeverfügung nicht im Strafrecht verankert ist, reicht es, dass ein Patient volljährig ist, die festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllt und von zwei Ärzten beraten wurde, um jegliches Mittel zur Selbsttötung ausgehändigt zu bekommen und sofort zur Tat schreiten zu können.“ Die Kirche war strikt gegen das neue Gesetz gewesen. Wie sie damit jetzt umgeht, erklärte Schipka so: „Die Kirche wird ihren Einsatz für die Begleitung von Menschen verstärken, um ihnen beim Leben zu helfen, nicht beim Sich-Töten.“
Ex-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky gewann dem Ganzen auch etwas Positives ab. Nun werde mehr Geld in den Hospizbereich und die Palliativversorgung fließen. Wobei Elisabeth Pittermann anmerkte, dass das Geld noch lange nicht da sei. Für Studentenvertreterin Martina Tiwald war wichtig, dass jetzt noch mehr auf den Zusammenhalt der Gesellschaft geschaut werden müsse.
Pittermann kritisierte übrigens auch die Anonymität des Verfassungsgerichtshofs. Die Gesellschaft habe ein Recht, zu wissen, welcher Verfassungsrichter für und welcher gegen das Verbot der Sterbehilfe gestimmt hat.
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