Wie funktioniert legale Sterbehilfe in Österreich?

Der Begriff „Sterbehilfe“ steht über dem Schatten eines Kreuzes.
Seit Jahresbeginn ist der assistierte Suizid erlaubt. Österreichs führender Palliativmediziner erklärt, wie das abläuft.

Sterbehilfe ist in Österreich seit Jahresbeginn erlaubt. Zumindest theoretisch. Praktisch ist der assistierte Suizid noch nicht möglich, da noch vieles unklar ist. Erst diese Woche starb ein Sterbewilliger an Corona, weil er bis dato keinen legalen Weg zur Selbsttötung fand.

Der Oberösterreicher Herbert Watzke (67) ist ehemaliger Basketball-Nationalteamspieler und Vorstand der Österreichischen Palliativgesellschaft. 2005 trat Watzke an der Medizinischen Universität Wien eine Professur für Palliativmedizin an, er rief ausserdem die Palliativstation im AKH ins Leben.

Im KURIER-Gespräch schildert er, was beim assistierten Freitod als Sterbehilfe erlaubt ist und was nicht. Denn die Entscheidung über Leben und Tod treffen am Ende Palliativmediziner.

KURIER: Es gibt eine zwölfwöchige Cool-down-Phase, bis Sterbehilfe möglich ist. Wer entscheidet, ob diese verkürzt werden kann?

Herbert Watzke: Die aufklärenden Ärzte. Wenn die Krankheit ein Stadium erreicht hat, in dem sie nach medizinischem Ermessen voraussichtlich innerhalb von drei bis sechs Monaten zum Tod führen wird, beträgt die Bedenkfrist nur zwei Wochen.

 

 

Kann der beratende Arzt auch die Verschreibung des Rezeptes für das tödliche Medikament ablehnen? Wenn ja, nach welchen Kriterien?

Ärzte stellen in diesem  Verfahren kein Rezept aus. Sie haben zu prüfen, ob die sterbewillige Person entweder an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen. Die Krankheit muss einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen und es muss eine freie Willensentscheidung des Sterbewilligen vorliegen.

Wie funktioniert legale Sterbehilfe in Österreich?

Worum geht es noch in dem Aufklärungsgespräch?

Der Antragsteller wird über medizinische Alternativen zum assistierten Suizid aufgeklärt. Das Ergebnis dieser Beurteilung wird in eine elektronische, behördliche Akte eingetragen. Liegt eine der beide Krankheitssituationen und eine freie Willensentscheidung vor, kann die Sterbeverfügung vor einem Notar errichtet werden und dann wird letztlich dem Sterbewilligen oder einer von ihm bevollmächtigten Person von einer Apotheke die tödliche Substanz Natrium-Pentobarbital ausgehändigt.

Wie lange hat man Zeit für die endgültige Entscheidung?

Die Sterbeverfügung ist nach ihrer Errichtung ein Jahr gültig. Wird sie in diesem Zeitraum nicht umgesetzt, muss sie - in einem abgekürzten Verfahren - neu beantragt werden. Dabei kann auch das nicht verwendete Natrium-Pentobarbital erneuert werden.

Wie funktioniert legale Sterbehilfe in Österreich?

Das tödliche Medikament

Wie weit geht die Assistenz beim Freitod?  Muss der Betroffene irgendetwas selber machen, damit es legal ist?

Die sterbewillige Person muss die lebensbeendende Handlung völlig selbstständig durchführen. Sie muss das Natrium-Pentobarbital deshalb völlig selbständig in den Mund einbringen und schlucken. Personen, die ihr bei genau diesem Vorgang helfen, machen sich strafbar. Sterbewillige Personen, die auf Grund schwerer Schluckstörungen absolut nicht schlucken können, können  das Pentobarbital über eine Infusion bekommen. Sie müssen diese Infusion aber vollständig alleine aktivieren. Personen, die ihnen bei diesem Aktivieren helfen, machen sich strafbar.

Und Patienten, die vollständig gelähmt sind...

...die brauchen eine sprachgesteuerte Pumpe. Welche Situationen man sich auch immer vorstellen mag, es handelt sich dabei um rein technische Probleme, die in unserer Zeit lösbar sein werden.

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