Vergangene Woche hatte die grüne Justizministerin Alma Zadić zum Thema "Generalstaatsanwaltschaft" ins Justizministerium geladen (der KURIER berichtete), am Montag bekam dann ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler im Parlament ihren Auftritt.
Diesmal diskutierten hochrangige Vertreter aus Justiz und Politik über "aktuelle Fragen einer Reform der Strafprozessordnung", konkret: über die Rechte von Beschuldigten.
Und die Verfassungsministerin war es auch, die den Elefanten, der da im Raum stand, direkt ansprach: "Ich möchte diese Forderungen wertfrei verstanden wissen." Es gehe nicht um Politiker (auch nicht um ÖVP-Politiker), sondern um jeden, der mit der Strafverfolgung konfrontiert sei. Und: "Ich lasse mir hier keine Gesinnungspolitik unterstellen."
Eine Ansage, mit der Edtstadler wohl auf Zadić replizierte. Die grüne Justizministerin hat der ÖVP-Ministerin vor einigen Wochen live im Fernsehen vorgeworfen, sie habe die Beschuldigtenrechte nur deshalb für sich entdeckt, weil einige ÖVP-Politiker beschuldigt seien.
Allerdings: Wer sich in den vergangenen Monaten und Jahren mit der ÖVP-Korruptionscausa beschäftigt hat, dem kamen die Themen ziemlich bekannt vor.
Peter Lewisch, Strafrechtsprofessor an der Uni Wien und Organisator des Symposions im Parlament, kritisierte, dass viele Ermittlungen "quasi-öffentlich" geführt würden, was eine "öffentliche Vorführung" und "soziale Ächtung" mit sich brächte. Er forderte ein Kappen der Verjährungshemmung. Verfahren sollen nach einer bestimmten Zeit also automatisch enden. Egal, ob fertig ermittelt wurde oder nicht.
Im Schnitt dauere ein Ermittlungsverfahren dreieinhalb Monate, konterte Bernd Ziska, Vizepräsident der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte: "Von Herumwurschteln (Zitat Lewisch) kann keine Rede sein."
Einige wenige Verfahren seien zugegebenermaßen "überlang", aber die Ursachen dafür seien "in beschränktem Ausmaß" bei den Staatsanwaltschaften zu finden. Ziska wiederholte dabei auch eine alte Forderung seines Standes: die Reduktion der Berichtspflichten.
Dazu hatte ein Gast im Publikum auch etwas zu sagen: Christian Pilnacek, suspendierter Sektionschef im Justizministerium, der früher für die Fachaufsicht - und ebendiese Berichte - zuständig war. Weil die Berichtspflichten von Staatsanwälten als "Störfeuer" denunziert worden seien, sei die Fachaufsicht mittlerweile völlig unkritisch geworden, kritisierte Pilnacek. Die Staatsanwaltschaften würden in der Debatte mit "Angst" argumentieren, ein erhöhter Rechtsschutz werde von ihnen als Bedrohung gesehen.
Bei der Justiz-Veranstaltung vergangene Woche war Pilnacek übrigens nicht. So wie Manfred Ainedter, Präsident der Strafverteidiger-Vereinigung - der hat es zumindest probiert, sei aber "ausgeladen worden", empörte er sich. Das Argument, es seien keine Plätze mehr frei gewesen, hielt Ainedter nicht für glaubwürdig.
"Zitierverbot nicht notwendig"
Michael Rohregger, Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer und Strafverteidiger, ging noch einmal konkreter auf die Akten-Leaks ein und widersprach Edtstadler bei einer ihrer Kernforderungen. Eine Einschränkung der Medien - sprich: ein Zitierverbot - hält er für nicht notwendig.
Das Problem sei vorgelagert, erklärte er: Der Akt zum Ibiza- bzw. Casag-Verfahrenskomplex sei durch seine vielen Verflechtungen mittlerweile zu groß. Es seien zu viele Anwälte und Beschuldigte beteiligt, die Akteneinsicht nehmen können.
Rohregger plädierte dafür, die Regeln zur Verfahrenstrennung zu ändern. Die Trennung ist derzeit eine Kann-Bestimmung, sollte aber ein "subjektives Recht des Beschuldigten werden". Sein Textvorschlag für das Gesetz lautet, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren zu trennen hat, wenn dadurch Verzögerungen vermieden, Persönlichkeitsrechte besser gewahrt und die Haft verkürzt werden kann. Ein kleinerer Akt mit weniger Beteiligten würde die Gefahr von Leaks reduzieren, glaubt Rohregger.
Einen spannenden Auftritt legte Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes hin. Sie hatte vor einigen Monaten beim ÖRAK (Österreichischer Rechtsanwaltskammertag) ein Gutachten zum Thema Handysicherstellung präsentiert, das die Rechtsanwälte und später auch die ÖVP prompt verwendeten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Die Juristin will sich aber offenbar nicht einspannen lassen - und so wies sie beim Symposion explizit darauf hin, dass sie das Gutachten damals im Austausch mit dem ÖRAK erstellt habe. Und dass sich ihre Einschätzung mittlerweile etwas geändert habe.
Den Vorschlag, dass eine Sicherstellung erst bei Delikten mit einer bestimmten Strafhöhe erlaubt sein soll, nahm sie komplett zurück. Es ergebe keinen Sinn, so Zerbes, wen eine Hausdurchsuchung stattfindet (die an keine Strafhöhe gebunden ist), und man dann aber ein gefundenes Handy nicht mitnehmen dürfe.
Weiterhin für sinnvoll hielte sie es aber, wenn es nicht nur für die Hausdurchsuchung eine richterliche Genehmigung brauche, sondern auch für die Sicherstellung. Wenn das Handy schon mitgenommen wurde, aber die Genehmigung fehlt, könnte die Verwertung untersagt werden.
Verständnis zeigte Zerbes auch für die Staatsanwaltschaften, die sich bei der Sicherstellung von Handys nicht einschränken lassen wollen, weil sie befürchten, dann nicht mehr im nötigen Ausmaß ermitteln zu können.
Im Kern bleibt sie aber bei ihrer Forderung, der Schaffung von Transparenz. "Viele wissen gar nicht mehr, was sie alles am Handy oder in der Cloud gespeichert haben. Derjenige, dessen Handy im Auswertungsprozess ist, sollte aber wissen, was die Behörde da vor sich hat." Zerbes schlägt deshalb vor, dass die Staatsanwaltschaften eine Kopie des Datenbestands machen und dem Beschuldigten übermitteln. "So kann er seine Verteidigungsstrategie aufbauen oder selbst an die Staatsanwaltschaft herantreten, wenn es Entlastendes gibt, das nicht in den Akt genommen wurde."
Ministerin Edtstadler hatte mit ihrem Vortrag um 16 Uhr ein äußert unglückliches Timing: Kurz vorher war bekannt geworden, dass beim SPÖ-Parteitag die Ergebnisse vertauscht worden waren und nun doch nicht Hans Peter Doskozil, sondern Andreas Babler SPÖ-Chef ist.
Mit ihren harten Ansagen ließ Edtstadler dann aber doch aufhorchen: Es brauche "Fairness" bei der Strafverfolgung, und dazu müsse diese auf das Level des 21. Jahrhunderts gebracht werden. Die Gesetze für Sicherstellungen stammten aus einer Zeit, als es noch keine Handys gab. Wenn die Inhalte von eigentlich geheimen Strafakten an die Öffentlichkeit gelangen, sei das eine "zivile Todesstrafe", Strafverfahren seien mangels Kostenersatz auch finanziell "existenzvernichtend".
Und noch eine Botschaft schickte sie an Justizministerin Zadić : Ein Bundesstaatsanwalt (den die Grünen Generalstaatsanwalt nennen) kommt für sie nur als Einzelspitze infrage (während Zadić Dreiersenate will). Und: Das Parlament soll eine wesentliche Rolle spielen. Den Einwand, dass es dann erst recht zu parteipolitischer Einflussnahme kommen könnte, sorgte bei Edtstadler für Empörung: "Lassen wir uns das doch nicht einreden. Das Parlament ist das Herzstück der Demokratie."
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