Ibiza-Anwalt Rohregger: „Verwüstete Zimmer gibt es nur in Kinofilmen“
Michael Rohregger ist einer von 28 Strafverteidigern, die derzeit in der Ibiza- bzw. Casag-Causa beschäftigt sind – aber keiner, der sich selbst groß inszeniert oder für seine Mandanten PR betreibt.
Über seine Fälle – er vertritt den Glücksspielkonzern Novomatic und ÖVP-Klubchef August Wöginger – spricht er nicht. Nur so viel: Der Satz aus dem Ibiza-Video („Die Novomatic zahlt alle“) habe ihn nicht sonderlich beunruhigt. Zu den Hausdurchsuchungen, die kürzlich im Novomatic-Umfeld stattgefunden haben, äußert er sich gar nicht, seine Linie zu Postenschacher-Causen deutet er im KURIER-Gespräch nur an.
Umso offener spricht Rohregger als erfahrener Strafverteidiger darüber, was passiert, wenn die Polizei ein Handy an sich nimmt und welche gesetzlichen Verbesserungen es aus seiner Sicht braucht.
KURIER: Wie muss man sich eine Hausdurchsuchung vorstellen?
Michael Rohregger: Für mich beginnt es mit dem Anruf des Mandanten, dass die Polizei vor der Türe steht. Zu Privatwohnungen kommt sie meist sehr früh, gegen 6 oder 7, zu Unternehmen eher gegen 9 Uhr. In der Regel warten die Beamten, bis ich da bin. Ich rate meinen Mandanten, bis dahin nichts zu sagen.
Und wo wird dann gesucht?
Im Wirtschaftsstrafrecht ist es anders als bei Drogen- oder Tötungsdelikten. Es geht primär um digitale Geräte – Handys, Laptops, iPads, Festplatten. Gesucht wird überall, wo es Sinn ergibt. Im Spülkasten des WC wird man kein Handy vermuten, Suchtgift schon eher. Die Beamten gehen dabei sehr schonend vor, verwüstete Zimmer gibt es nur in Kinofilmen.
Muss man den Entsperrcode fürs Handy hergeben?
Jeder, der den Code hat, ist dazu verpflichtet, aber nicht der Beschuldigte selbst. Die Polizei kann dann versuchen, das Gerät zu knacken, bei neueren Modellen gelingt das aber kaum. Sie kann auch gegen den Willen des Beschuldigten das Handy vor sein Gesicht halten oder seinen Finger über den Sensor ziehen, um es zu entsperren.
Was raten Sie als Anwalt?
Viele haben das Gefühl, sie hätten nichts zu verbergen und wollen sich nicht verdächtig machen, deshalb geben sie den Code her – in der Hoffnung, dass der Vorwurf dann schnell widerlegt ist und das Verfahren endet. Diese Hoffnung erfüllt sich fast nie. Auch, wenn nichts Belastendes vorliegt, muss man bedenken, dass man auf seinem Handy sein ganzes Leben hat. Wie wir im Ibiza-Verfahren inklusive U-Ausschüssen gesehen haben, können Dinge in den Akt wandern und an die Öffentlichkeit gelangen, die einem massiv schaden – auch, wenn sie mit dem strafrechtlichen Vorwurf überhaupt nichts zu tun haben. Außerdem kann es zu Zufallsfunden kommen. Darauf beruht ein Großteil des Ibiza-Akts.
Werden im Ibiza-Verfahren Beschuldigtenrechte verletzt?
In deren Rechte wird jedenfalls tief eingegriffen. Insbesondere in das Recht auf Privatsphäre, wenn alles, was am Handy ist, ausgewertet wird.
Die WKStA sagt, Beschuldigte können sich jederzeit mit Rechtsmitteln wehren.
Es gibt immer wieder Einsprüche, aber meist erfolglos. Das derzeitige Gesetz bietet einfach zu wenig Schutz.
Wie stehen realpolitisch die Chancen, dass ÖVP und Grüne daran etwas ändern?
Natürlich ist es schwierig, weil es reflexartig heißt: Die machen das ja nur, um ihre eigenen Leute zu schützen. Aber das hat überhaupt nichts mit Parteipolitik zu tun – die Defizite betreffen jeden. Auch Personen, die selbst gar nicht beschuldigt sind, kann das Handy abgenommen werden. Man muss die Interessen gut austarieren: Die Staatsanwaltschaften wollen nicht zu stark eingeschränkt werden, wir Anwälte wollen Nachteile so gut es geht vermeiden.
Werden Prominente anders behandelt als Normalbürger?
Nein, das glaube ich nicht. Der große Unterschied liegt in den Auswirkungen, wenn die Ermittlungen bekannt werden. Für jemanden, der in der Öffentlichkeit steht, ist das schlichtweg ruinös.
Christoph Chorherr wurde kürzlich freigesprochen, weil es keinen Beweis gab. Die WKStA argumentierte, dass Korruption schwer zu fassen sei. Was sagen Sie dazu?
Es stimmt, dass Korruption ein Heimlichkeitsdelikt ist. Aber einen Mord begeht man in der Regel ja auch heimlich. Derzeit kursiert die Idee, die Beweislastregeln zu ändern. Nach dem Motto: „Man kann es dir zwar nicht ausreichend nachweisen, aber wir unterstellen mal deine Schuld und du musst dich jetzt freibeweisen.“ Das widerspricht fundamentalen Prinzipien unseres Rechtsstaates, ich bin klar dagegen.
Wird Korruption künftig noch schwieriger nachzuweisen sein? So mancher könnte ja aus der Ibiza-Causa gelernt haben.
Ich denke, das Bewusstsein, dass man nicht alles per WhatsApp besprechen oder mit Straftaten prahlen sollte, ist jetzt sicher da. Aus meiner Erfahrung kann ich aber sagen: Es ist die Ausnahme, dass jemand bewusst ein Korruptionsdelikt begeht und sich überlegt, wie er es vertuschen kann. In der Praxis stellt sich vielmehr die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten rechtlich überhaupt strafbar ist. Da gibt es viele Graubereiche.
Graubereiche?
Politik ist von Überzeugungen getragen, sie muss weder objektiv noch wertfrei sein. Die Frage ist: Wie weit darf man gehen? Die Abgrenzung zwischen zulässiger Gestaltung und unsachlicher Beeinflussung ist nicht leicht.
Sagen Ihnen Ihre Mandanten die Wahrheit darüber, was passiert ist?
Ja, diesen Eindruck habe ich meistens.
Ihre Anwaltskollegen Norbert Wess und Roland Kier, die auch in der Ibiza-Causa vertreten, haben in einem Standard-Interview gesagt, die Wahrheit sei für die Verteidigung nicht relevant.
Das sehe ich differenzierter: Ich glaube, dass eine sinnvolle Beratung am besten möglich ist, wenn ich die Wahrheit kenne. Es geht im Wirtschaftsstrafrecht aber meistens nicht darum: War er’s oder war er’s nicht? Es kommt mehr auf die Argumentation an.
Sie nutzen also den Graubereich maximal aus?
Strafbar kann nur sein, was klar verboten ist. Dann muss man die Grenze eben klarer definieren.
Die Korruptionsgesetze werden jetzt nachgeschärft. Was halten Sie davon?
Das Strafrecht dringt immer mehr in den politischen Bereich ein. Irgendwann muss man stehen bleiben und sagen: Es ist zwar nicht gut, wenn dies oder jenes passiert, aber es ist nicht strafwürdig. Mit dem jetzigen Gesetzesentwurf will man bestimmte Verhaltensweisen neu erfassen, aber keiner weiß, was genau gemeint ist.
Könnte es verfassungsrechtlich kritisch werden, wenn das Gesetz zu unbestimmt ist?
Ja, das kann ich mir vorstellen. Das Strafrecht sollte für jeden Bürger klar verständlich sein. „Du sollst nicht stehlen“ – das versteht jeder. Schachtelsätze hingegen nicht.
Die Verschärfung war eine Reaktion auf das Ibiza-Video. Welche Lehren gibt es noch?
Die Sensibilität hat sich enorm erhöht und das führt sicher dazu, dass Korruptionsdelikte in Zukunft deutlich zurückgehen. Den präventiven Effekt hat das Ibiza-Verfahren auf jeden Fall.
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