Es ist eben eine besondere Situation und ein besonderes Fest, das seine eigene Anziehungskraft hat. Man darf aber auch nicht übersehen: Aus Österreich waren gut 1.000 junge Leute dort – das ist ja auch nicht die große Masse. Wenn ich die Tausend auf Sonntagsgottesdienste im ganzen Land aufteile, ist das überschaubar.
Dennoch entsteht bei diesen Weltjugendtagen ein völlig anderes Bild von Kirche, als wir es sonst in einem glaubensmäßig müde und schwach gewordenen Europa kennen …
Bei der Jugend gibt es doch auch ein anderes Bild. Wir ahnen etwas davon bei großen Jugendveranstaltungen in Österreich, beispielsweise die großen Loretto-Feiern zu Pfingsten.
Sie haben auch angeregt, einen "Weltjugendtag" im österreichischen Maßstab zu veranstalten, ein „österreichweites Jugendfest“. Gibt es da konkrete Überlegungen?
Ich würde mich freuen, eine Diskussion darüber anzustoßen, ob so etwas realistisch ist. Durchführbar ist das nur, wenn es ein entsprechendes Commitment gibt.
Eine kürzlich präsentierte Jugendstudie hat ganz klar ergeben, dass traditionelle, konservative Werte bei jungen Menschen in Österreich hoch im Kurs sind. Gleichzeitig rangiert Glaube/Religion unter ferner liefen. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Ich wundere mich auch darüber. Es sind bei der Jugend die Werte, die wir als christliche Werte sehen, hoch im Kurs. Aber sie werden kaum in Zusammenhang mit dem Glauben gebracht. Jetzt könnte man sich ja freuen, dass diese Werte einen so hohen Stellenwert haben. Auf der anderen Seite aber geht die Wurzel verloren – diese Werte müssen ja auch von irgendwoher genährt werden. Insofern mache ich mir schon Sorgen, wie beständig und nachhaltig diese Werte weitergegeben werden können.
Aber haben Sie eine Erklärung dafür?
Ich sehe drei Gründe – einer davon ist hausgemacht, zwei davon sind von der Kirche kaum zu beeinflussen. Zu den letzteren gehört, dass Institutionen generell an Glaubwürdigkeit und damit an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und an deren verbindlichem Engagement eingebüßt haben. Das Zweite ist: Unsere Gesellschaft ist radikal diesseitig geworden und hat die gemeinschaftliche Sensibilität für Spiritualität verloren. Und der dritte, hausgemachte Grund ist, dass das Ansehen der Kirche durch die Missbrauchskrise stark gelitten hat.
Als Stolperstein wird häufig auch die "katholische Sexualmoral" genannt. Könnte da was dran sein?
Ja und nein. Denn ich merke, dass die evangelischen und reformierten Kirchen – nicht nur in Österreich –, in denen es ja diese Stolpersteine nicht gibt, dieselben Probleme haben wie die katholische Kirche: Mitgliederschwund, weniger Praktizierende, weniger Nachwuchs und Ressourcen. – Viel nachdenklicher hat mich gemacht, dass ich in der Jugendwertestudie gelesen habe, dass die Leute alles Mögliche in der Arbeit suchen, aber nicht Verantwortung und auch nicht Sinn. Wenn aber kein Sinn gesucht wird, dann hat es die Kirche – die ja ein Sinnanbieter, Sinnstifter sein will – auch schwer.
Nun sind die Themen, die bei uns innerkirchlich debattiert werden – eben jene der Sexualmoral und die Frage der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt – in anderen Weltgegenden von untergeordneter Bedeutung. Wie stark merkt man das bei so einem Weltjugendtag?
Ich merke das vor allem bei den Gesprächen mit Bischöfen aus anderen Regionen, etwa bei der Jugendsynode 2018 in Rom: Da haben manche zu mir gesagt: "Unsere jungen Menschen haben ganz andere Sorgen …"
Was heißt das?
Ich glaube, die Jugend als homogene Gruppe gibt es nirgendwo. Es gibt verschiedene Milieus – und es gibt sicherlich in Deutschland und anderen europäischen Ländern Jugendliche, denen die Themen des deutschen Synodalen Weges (Reformprozess der deutschen Kirche; Anm.) unter den Nägeln brennen. Andere hingegen sagen: "Das sind echt nicht unsere Themen." In Lissabon hatten wir sicherlich nicht die ganze Bandbreite der Jugend vertreten. Zum Berührendsten für mich persönlich haben beim Weltjugendtag die Beichtgespräche gehört. Da ging es um die eigene Gottesbeziehung, das ging in die Tiefe und war existentiell.
Wieviel Spaltungspotenzial steckt denn in diesem gegenwärtigen innerkirchlichen Richtungsstreit, etwa zwischen Befürwortern und Gegnern des Synodalen Weges?
Das maße ich mir nicht an zu beurteilen. Die Chance besteht darin, Meinungsunterschiede auf eine gute Art und Weise auszutragen. Das ist das, was Papst Franziskus "Synodalität" nennt. Das bedeutet nicht, einfach abzustimmen, es bedeutet aber auch nicht, Dinge unter den Tisch zu kehren. Sondern zu versuchen, die Argumente der jeweils anderen zu verstehen , zu würdigen und nachzuvollziehen zu versuchen.
Die Kirche feiert heute Mariä Himmelfahrt: Wie viele, glauben Sie, wissen noch, was da gefeiert wird?
Oh, ich fürchte, das werden nicht sehr viele sein. Aber ich möchte allen sagen: Es zahlt sich aus, dem nachzugehen.
Und wenn Sie eine Spur zu diesem Nachgehen legen sollten – was würden Sie in aller Kürze sagen?
Dann würde ich sagen: Mariä Himmelfahrt drückt aus, dass für Menschen, die an Gott glauben – und da ist Maria die Erste – am Ende alles gut ausgeht, himmlisch gut!
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