Am höchsten katholischen Feiertag, dem heutigen Ostersonntag, blickt die Kirche erneut auf ein durchwachsenes Jahr zurück. 90.808 Personen sind 2022 aus der katholischen Kirche ausgetreten – darunter viele Junge, die sich von der Institution Kirche nicht vertreten fühlen. Die Gründe sind vielfältig: Jugendstudien belegen, dass konfessionelle Bindungen bei jungen Erwachsenen an Bedeutung verlieren, während sich der Glaube tendenziell auf die persönliche, individuelle Ebene verlagert. Dass das Bedürfnis nach dem Glauben an höhere Mächte ungebrochen ist, zeigt sich nicht zuletzt am neu aufgeflammten Hype um Sternzeichen und Horoskope.
Wieso kann die Kirche ihr Potenzial nicht ausschöpfen? Und was müsste sie ändern, um auch bei den Jungen zu punkten? Der KURIER sprach in der Karwoche mit vier jungen Österreichern, die der Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010) angehören und sich – entgegen dem Trend – in ihren Pfarren engagieren. Jugendgruppen leiten, Firmlinge betreuen, Sonntagsmessen besuchen, die christliche Gemeinschaft leben und mitgestalten.
Hier erzählen sie, wie sie im Glauben an Gott Kraft schöpfen. Und geben sich überraschend kritisch, wenn es um die Zukunft der Kirche geht.
„Mir ist klar, dass ich mit Rollenbildern breche“
Der Vorarlberger wuchs in einem traditionellen Umfeld auf, nach der Firmung fand er Bezug zu seinem eigenen, inneren Glauben. Kommendes Jahr wird David Pleij sein Theologie-Studium beenden und danach in der Forschung oder in einer Pfarre arbeiten.
"Viele Leute sind verwundert und sagen mir: ‚Du schaust gar nicht aus wie ein Theologe.’ Mir ist klar, dass ich mit Rollenbildern breche", sagt der 25-Jährige. „Ich geh’ gern feiern, habe einen bunten Freundeskreis, höre christlichen Hiphop und würde mich eher als Draufgänger beschreiben.“ Nachsatz mit Augenzwinkern: "In wilder Ehe lebe ich ja auch."
Am christlichen Glauben faszinieren ihn vor allem die jahrtausendealte Tradition und die Geschichte von Jesus. „Er ist allen Menschen demütig und auf Augenhöhe begegnet. Auch jenen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Das versuche ich auch zu beherzigen.“
Die Diskussion mit Anders- und Nichtgläubigen scheut Pleij nicht, im Gegenteil. Und er hält auch mit seiner eigenen Kirchen-Kritik nicht hinterm Berg. "Ich glaube, für die Kirche wäre es wichtig, die Diakonie wieder großzuschreiben, für die Menschen da zu sein – und zwar nicht nur für die, die in der Pfarre tätig sind", sagt er. "Was Abtreibung oder Homosexuelle betrifft, haben wir eine Abwehrhaltung entwickelt, anstatt uns zu öffnen. Solange der Vatikan dem keinen Raum gibt, werden sich diese Menschen auch nicht an die Pfarren wenden."
"Hier kann jeder so sein, wie er ist"
"Ich würde mich definitiv im progressiveren Eck verorten", sagt Kathi Sternbauer. In der Katholischen Jugend engagiert sich die Informatik-Studentin aus Freistadt für Gesellschafts- und Entwicklungspolitik. Und da gibt es aus ihrer Sicht viel zu tun. „Es müssen sich Dinge ändern, wie die Priesterweihe für Frauen, die Aufhebung des Zölibats oder dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen. Auch beim Thema Missbrauch wird noch immer zu viel totgeschwiegen“, kritisiert sie.
Was hält die 25-Jährige bei der Kirche? „Eine gewisse Verbundenheit“, sagt Sternbauer. "Ich habe ministriert, das war eine gute Gemeinschaft, wo man sich aufgehoben gefühlt hat. In der Katholischen Jugend ist das ähnlich. Wir gehen wandern oder pilgern, machen Studienreisen, zum Beispiel nach Israel. Hier kann jeder so sein, wie er ist. Man wird wertgeschätzt, ohne etwas leisten zu müssen."
Als sich Sternbauer als transident outete – ihr wurde bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen – erfuhr sie vor allem in der Katholischen Jugend einen Ort der Toleranz und Sicherheit. "Das zeigt, dass die Institution Kirche viele Seiten hat."
Dazu passt Sternbauers Lieblingsstelle aus der Bibel. "Im Brief des Apostels Paulus an die Galater heißt es, dass in der Taufe alle eins werden. Diesen Gedanken finde ich bestärkend. Es sollte egal sein, welcher Nation man angehört oder mit welchem Geschlecht man sich identifiziert."
"Der Glaube gibt mir Halt"
Obwohl Hannah Zach inzwischen in Wien studiert, ist sie in ihrem Heimatort Bad Vöslau immer noch in der Pfarre aktiv: leitet eine Firmgruppe, macht Musik, bringt sich bei Pfarrcafés und beim Sternsingen ein. "Persönlich gibt mir der Glaube ganz viel Halt im Leben", erzählt sie. So wie vergangenes Jahr, als es ihr gesundheitlich nicht gut ging. "Auch, wenn man den Ausweg nicht sieht, weiß man: Es gibt jemanden, der hat den Weg für mich vorbereitet. Wenn ich darauf vertraue, finde ich auch wieder heraus."
Dennoch betont Zach: "Ich bin sehr kritisch gegenüber der katholischen Kirche." Vor allem wünscht sie sich mehr Offenheit gegenüber jungen Menschen. "Für viele ist der katholische Glaube einfach uncool. Daher finde ich zum Beispiel Jugendmessen so wichtig. Wenn auch nur einer, der sich sonst nicht wohlfühlt, bei uns einen Platz findet, hat es sich schon gelohnt."
Man sollte niemanden verurteilen, der die Kirche verlässt, sagt die Studentin. "Man muss das System ändern und den Leuten Platz schaffen. Ich wünsche mir, dass meine Kinder einmal mit einem Selbstverständnis sagen können: Natürlich sind Frauen in der Kirche gleichgestellt, natürlich sind Homosexuelle willkommen. Warum sollte es auch nicht so sein?"
"Viele haben ein falsches Bild"
Miteinander. Das Ratschen in den Tagen vor Ostern ist David Baumgartners Lieblingsbrauch. "Gemeinsam mit den Freunden von Haus zu Haus zu gehen und alle zu sehen, das ist schon wirklich cool", sagt der 18-Jährige, der gerade den Grundwehrdienst beim Bundesheer absolviert und danach Bauingenieurwesen studieren möchte.
Seit er als Kind Ministrant war, schätzt er die Gemeinschaft in seiner Pfarre in Amstetten: beim Sternsingen, bei Fußballturnieren oder Spielstunden. Heute betreut Baumgartner selbst junge Ministranten.
„Ich glaube, dass viele Menschen ein falsches Bild von der Kirche generell haben“, sagt Baumgartner. „Man denkt sofort nur an Beten und Zuhören und in der Kirche sitzen. Dabei ist es in erster Linie das Gemeinschaftliche, was zählt.“ Sein Glaube an Gott hat ihm schon in so mancher brenzliger Situation – etwa bei Schularbeiten – Halt und Hoffnung gegeben. "Ich vertraue darauf, dass alles gut wird."
Dass Kirche nur etwas für ältere Menschen wäre, wie viele glauben, möchte der passionierte Tennis- und Fußballspieler so nicht stehen lassen. "Bei uns im Pfarrgemeinderat ist das Wichtigste, dass die Jugend mit eingebunden wird. Und das sollte überall so sein, finde ich."
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