Die Klimakonferenz hängt an einem Satz
Schon beim Blick aus dem Hotel in Dubai, in dem neben der österreichischen auch die deutsche Delegation dieser 28. Klimakonferenz wohnt, wird klar, wie schwierig auch diesmal die Klimaschutzverhandlungen im Kampf gegen die Treibhausgase sein werden.
Richtung Nordwesten erstrecken sich über vier Kilometer mehrere Erdgaskraftwerke, kombiniert mit einer nicht minder gigantischen Entsalzungsanlage. Die staatliche Betreiberfirma DEWA berichtet stolz von jährlich 2,2 Milliarden Liter entsalztem Meerwasser, 14.500 Megawatt Strom aus Erdgas und 2,2 Milliarden Euro Gewinn im Vorjahr. Nur für Dubai, die Anlagen im Nachbarort Abu Dhabi sind noch etwas größer. Weltweit erzeugen mehr als 6.300 solcher Gaskraftwerke dringend benötigten Strom.
Dabei geht es auch bei dieser 28. COP (Fachjargon für „conference of parties“) eigentlich um ein Ende der fossilen Energien. „Das 1,5°C-Ziel soll am Leben bleiben“, nennt der Konferenz-Präsident Sultan Al Jaber das Motto der Konferenz. Gemeint ist damit, dass die Erderwärmung nicht wesentlich über 1,5°C ansteigen soll im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten. Etwa ein Grad Erwärmung haben wir schon, laut Weltklimarat steuern wir mit den bisher gesetzten Maßnahmen auf eine Erwärmung von 2,9°C zu.
Was harmlos klingt – drei Grad Unterschied sind daheim zwischen Wohn- und Schlafzimmer ja normal – ist es absolut nicht, warnt die Klimawissenschaft seit Jahrzehnten. Der Klimaforscher John Schellnhuber erklärte kürzlich in der ZiB2: „Bei einer 3-Grad-Erwärmung würden die inneren Tropen unbewohnbar werden. So, dass sie ohne Klimaanlage im Freien nicht länger als drei Stunden überleben könnten. Dann würden zwei bis drei Milliarden Menschen keinen Lebensraum mehr haben.“
Interview mit Klimaforscher Schellnhuber
Am weitläufigen Gelände dieser Klimakonferenz, am Gelände der Weltausstellung von 2020, kennen wohl die meisten der über 100.000 akkreditierten Teilnehmer solche wissenschaftlich belastbaren Aussagen. Über 100.000 Teilnehmer haben sich akkreditieren lassen, Regierungsdelegationen, Journalisten und Lobbyisten aus aller Welt – vom WWF, Global 2000, Fridays, bis zu den 2.456 Öl-Lobbyisten.
Auch COP-Präsident Sultan Al Jaber musste schon mehrmals darauf hinweisen, dass auch für ihn die Wissenschaft einen hohen Stellenwert und großes Vertrauen genießt. Das war notwendig, nachdem der 50-jährige Spitzenmanager, der eigentlich CEO der zwölftgrößten Erdölfirma ADNOC ist, gefilmt wurde, wie er noch vor wenigen Wochen in einer Diskussion behauptete, es gebe keine wissenschaftlichen Grundlagen, Erdöl zu verbieten, um das 1,5°C-Ziel einzuhalten.
Zur großen Überraschung aller hat Al Jaber aber genau das in den Entwurf des Schlussdokuments geschrieben: „Option 1: Ein geordneter und gerechter Ausstieg aus fossilen Brennstoffen“.
Sensation?
Sollte dieser Text am Ende beschlossen werden, wäre das nichts weniger als eine Sensation. Doch Sensationen sind bei Klimakonferenzen selten wie Regen in der emiratischen Wüste.
Wahrscheinlicher ist die „Option 3: No text“, also wie bisher keine Erwähnung der Fossilen.
Oder Option 2: Ein Ende von „unabated“ fossilen Emissionen.
Gemeint ist damit, dass weiter Öl, Gas und Kohle verbrannt werden dürfen, die Emissionen aber abgefiltert werden. Die Technologie wäre vorhanden, sie ist aber sehr teuer und bisher nur in sehr geringem Ausmaß in Verwendung.
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Für Umwelt-NGOs wäre Option 2 ähnlich katastrophal wie Option 3, weil befürchtet wird, der Fossil-Industrie damit einen Freibrief zum Weitermachen wie bisher zu geben.
Als entsprechende Provokation wird ein Brief von Haitham al-Ghais, dem kuwaitischen Generalsekretär der OPEC, bewertet, der an die 13 OPEC-Mitglieder schrieb, dass es gelte, „proaktiv jeden Text oder jede Formulierung abzulehnen, die auf Energie, das heißt fossile Brennstoffe, und nicht auf Emissionen abzielt“ – als wären die CO2-Emissionen das Problem und nicht fossile Brennstoffe an sich.
Die Regeln der Vereinten Nationen sehen vor, dass bei solchen Weltgipfeln wie der Klimakonferenz alle Entscheidungen im Konsens getroffen werden müssen. Sprich: Niemand darf dagegen sein.
Seit Freitag ist auch der Saudi Arabische Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman vor Ort. Er hatte vor der Abreise noch in einem TV-Interview auf die Frage, ob die Saudis mit einem Abschlusstext einverstanden wären, der ein Ende des Ölzeitalters einläuten würde, klar erklärt: „Absolut nicht.“
Und genau das bleibt das Problem. Es gibt keinen Verhandlungsspielraum mehr, nichts, was die westlichen Industrienationen den Ölstaaten anbieten könnten. Denn die wollen für jeden nicht verkauften Liter Öl (und Gas) Geld haben. Aber so viel Geld gibt es nicht. Exportiert werden etwa 350 Milliarden Liter Öl jährlich. Nur von den Saudis.
Die Klimakonferenz wird dennoch Erfolge vorweisen können. Etwa den bereits beschlossenen Fonds für Klimaschäden. Der wurde schon mit über 500 Millionen Euro gefüllt, was etwa ein Tausendstel der nötigen Summe ist. Beschlossen wird wohl auch, dass die weltweite Ökostromproduktion verdreifacht werden soll bis 2030, mehr Maßnahmen zum Energiesparen und mehr grüner Wasserstoff erzeugt werden soll.
Die 28. Klimakonferenz sollte planmäßig am Dienstag enden, sie könnte aber wie so oft in die Verlängerung gehen.
Am Mittwoch dürfte zeitgleich übrigens der Kategorie-4-Wirbelsturm Jasper die australische Küste mit über 200 km/h erreichen. Australien leidet derzeit unter einer Hitzewelle mit weit über 40°C – und zahlreichen Buschfeuern.
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