Bundesheer: Rückzieher bei Vorratsdaten

Minister Darabos nimmt die Vorratsdaten der Österreicher nach Kritik wieder aus seinem Visier.
Die Befugnisse der Militärgeheimdienste sollten beträchtlich ausgeweitet werden, nach Berichten wird der Entwurf gekippt.

Der Vorstoß war gut getarnt. Versteckt in einem geplanten Begleitgesetz zur Verwaltungsgerichtsnovelle 2012 fand sich eine Regelung, die eine massive Ausweitung der Befugnisse der Militärgeheimdienste vorsah. Militärische Organe und Dienste sollten laut dem Entwurf auf Internet-Zugangsdaten zugreifen dürfen, auch wenn diese bereits als Vorratsdaten gespeichert waren. Nach Protesten aus der Zivilgesellschaft zog Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) am Donnerstag die Reißleine.

„Das wird so nicht kommen“, machte ein Sprecher des Verteidigungsministers klar. In Abwägung habe der Minister entschieden, dass hier der Datenschutz über den Interessen der Nachrichtendienste stehe. Nachdem es bereits mehrere Anfragen und Anrufe zu der Causa gegeben hatte, habe Darabos die zuständigen Beamten zu sich gerufen und dann entsprechend entschieden. "Die entsprechenden Passagen in dem Gesetzesentwurf waren vom Verteidigungsminister nach langjährigen Forderungen des Bundesheer geplant, das war aber ein Fehler", so der Ministeriumssprecher zur futurezone. "Die Nachrichtendienste werden sich nun mit der vorliegenden Gesetzeslage begnügen müssen."

Abfragen zu Foren in Online-Medien

Der Gesetzesentwurf, der auf der Parlaments-Website nach wie vor abgerufen werden kann und über den das Datenschutzportal unwatched.org zuerst berichtete, sah vor, dass Militärgeheimdienste künftig beliebig Internet-Zugangsdaten und Namen und Adressen hinter IP-Adressen abfragen dürfen und das vollkommen ohne rechtsstaatliche Kontrolle. Neben Internet- und Telekomanbietern hätten etwa auch Online-Medien den Militärgeheimdiensten Auskünften über Internetprotokolladressen zu Nachrichten in Foren geben müssen.

"Es könnte jemand posten, das Bundesheer attackieren zu wollen", rechtfertigte der Ministeriumssprecher gegenüber der futurezone die entsprechenden Passagen im Gesetz. Die Heerernachrichtendienste hätten bei der Abwehr von Cyber-Attacken mit den Befugnissen des Innenministeriums gleichziehen wollen. Von Gleichziehen kann jedoch keine Rede sein. Denn während bei den im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) vorgesehenen Abfragen von IP-Adressen durch die Polizei der Rechtsschutzbeauftragte informiert werden muss, war davon in den geplanten Änderungen des Militärbefugnisgesetzes keine Rede.

Heftige Kritik

Die geplante Erweiterung der Militärbefugnisse hatte heftige Kritik von Datenschützern und der Opposition nach sich gezogen. Hans Zeger von der ARGE Daten sprach von einem weiteren "ungeheuerlicher Anschlag auf das Recht der Menschen auf ein unbeobachtetes Leben". Kritik kam auch von der Opposition. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sprach von einem "desaströsen Gesetzesentwurf". Der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, kündigte ein Parlamentsveto gegen die "Spitzelvollmacht" an. Den Rückzieher des Verteidigungsministers bezeichnete er als "schönen Erfolg" für die Zivilgesellschaft. Pilz will nun den Verteidigungsausschuss einberufen, um zu klären, wer dem Nationalrat den Spitzelparagrafen im Militärbefugnisgesetz als Ministerialentwurf zugeleitet hat. „Entweder hat Darabos wirklich nichts gewusst, dann hat er die Kontrolle über sein Ministerium endgültig verloren, oder er hat es gewusst. In beiden Fällen ist es notwendig zu klären, was im Ministerium passiert ist.“

Umfangreiche Befugnisse

Die Befugnisse des Abwehramtes und des Heeresnachrichtenamtes sind aber auch ohne die geplante Erweiterung sehr umfangreich. "Die observieren alles mögliche", sagte Pilz zur futurezone: "Das Abwehramt ist ein völlig außer Kontrolle geratenes Spitzelunwesen, das seit Jahrzehnten im Graubereich operiert."

Laut dem Militärbefugnisgesetz (§22) darf der Militärgeheimdienst etwa Lausch- und Videoangriffe durchführen und auch verdeckt ermitteln. Darüber muss jedoch der Rechtsschutzbeauftragte des Verteidigungsministeriums in Kenntnis gesetzt werden. Gebietskörperschaften und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts müssen dem Dienst Auskünfte über Bürger zum Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung erteilen. Von Telekomanbietern durften Abwehramt und Heeresnachrichtenamt bislang lediglich Name, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses erfragen. Auf Internet-Daten haben die Militärgeheimdienste bis auf weiteres keinen Zugriff.

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