Magnus Brunner: "Das stimmt doch gar nicht"

Magnus Brunner
Der ÖVP-Finanzminister über Kika/Leiner, das Russland-Geschäft der RBI, zu hohe Inflation, zu niedrige Sparzinsen und seine Haltung zum Marxismus.

Die 4-Tage-Wochen-Diskussion hält der Finanzminister für lässlich. Was die Sozialpartner mit der Inflation zu tun haben, warum er von Banken mehr Transparenz verlangt und vom Marxismus nichts hält.

KURIER: Österreich liegt seit Monaten im negativen Spitzenfeld. Die Inflation liegt mit 8,8 Prozent weit über dem EU-Schnitt 6,1. Warum?

Magnus Brunner: Keine Frage: Die Inflation ist zuletzt zwar kräftig gesunken, aber nach wie vor zu hoch. 2022 waren wir leicht unter dem EU-Schnitt, jetzt liegen wir leicht darüber bei 8,8 Prozent.. Aus meiner Sicht hat die bei uns etwas höhere Inflation drei Gründe. Wir sind mit Belgien das Land mit den höchsten Lohnabschlüssen in der EU. Die hohen Lohnabschlüsse sind inflationstreibend und gleichzeitig helfen sie aber natürlich den Haushalten. Bei uns stieg das reale Haushaltseinkommen.

Wie wirken sich die KV-Abschlüsse konkret auf die Teuerung aus?

Laut einer OeNB-Studie erhöht jeder Prozentpunkt bei den Lohnabschlüssen die Inflation um 0,3 Prozent. Als Beispiel: Die deutschen Metaller haben bei 5 Prozent abgeschlossen, unsere bei 7 – das erhöht unsere Inflation in diesem Bereich um 0,6 Prozent. Der zweite Grund für die Inflation ist die Zusammensetzung der Warenkörbe.

Die Warenkörbe sind seit Jahren gleich.

Früher waren es die Energiepreise, die die Teuerung in die Höhe getrieben haben – nun ist es eher der Dienstleistungsbereich. Wir sind in Österreich stark von Tourismus und Gastronomie abhängig und das spielt auch im Warenkorb eine Rolle. Hätten wir den deutschen Warenkorb, dann wäre Österreichs Inflation um ein Prozent niedriger. Der dritte ausschlaggebende Faktor sind die langfristigen Energielieferverträge, die Österreich hat.

Die Sozialpartner verhandeln die Löhne: Wenn es so weitergeht, dann haben wir innerhalb von zwei Jahren Lohnsteigerungen von über 15 Prozent und mehr.

Ich werde den Sozialpartnern nichts ausrichten aber hoffe, dass es einen gemäßigten Zugang bei den nächsten Lohnabschlüssen gibt.

Wir haben mit der Möglichkeit steuerfreier Prämien versucht, allzu hohen Abschlüssen entgegenzuwirken – auch mit der Abschaffung der kalten Progression. Vielleicht müssen wir über weitere Anreize nachdenken.  

NATIONALRAT: BRUNNER / KICKL

Oppositionsparteien wie FPÖ (im Bild FP-Chef Kickl) fordern seit Monaten Senkung der MwSt auf Grundnahrungsmittel 

Sollte die Inflation weiter über EU-Schnitt bleiben, denken Sie über die von der Opposition geforderte Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel nach?

Wir schauen uns Monat für Monat jede Maßnahme an. MwSt-Senkungen halte ich weiter nicht für sinnvoll, weil sie dem klassischen Gießkannenprinzip entsprechen und oft nicht so weitergegeben werden, wie man sich das vorstellt. Nicht alles, was populär klingt ist auch sinnvoll.

Welche preissenkenden Maßnahmen sind sinnvoll?

Wir evaluieren aktuell, welche Maßnahmen wir auslaufen lassen können. Die Elektrizitäts- und Erdgasabgabe, die wir um 90 Prozent gesenkt haben, würde Ende Juni auslaufen. Wir werden sie verlängern, weil sie direkt die Inflation dämpft. Die Pendlerpauschale hingegen läuft aus, weil Benzin und Diesel in etwa wieder auf das Niveau vor der Erhöhung gesunken ist und sie die Nachfrage ankurbelt.

So könnte man auch bei der Strompreisbremse argumentieren, weil die Strompreise wieder sinken.

Die Stromkostenbremse hat die Inflation um 1 Prozentpunkt gesenkt. Man muss sich in der Politik immer über Adjustierungen Gedanken machen, aber aktuell sind keine Änderungen geplant.

War es gescheit, bei der Mietpreisbremse derart blockiert zu haben?

Eine Bremse bei Richtwertmieten hätte uns laut dem WIFO inflationstechnisch 0,1 Prozent gebracht, da sie nur Richtwertmieten betrifft. Wir waren aber offen für eine Bremse, wollten aber zudem den Eigentumserwerb erleichtern – das ist uns mit dem Koalitionspartner nicht gelungen.

Kurzer Exkurs: Gabriel Felbermayr gibt der Regierung regelmäßig Ratschläge. Warum halten Sie sich an keinen?

Das stimmt doch gar nicht! Ich schätze Gabriel Felbermayr sehr. Die Strompreisbremse und das letzte Maßnahmenpaket sind eng mit ihm abgestimmt. Wir unterhalten uns mit vielen Expertinnen und Experten auf vielen Ebenen, was nicht heißt, dass wir immer ihrer Meinung sein müssen – das sind sich auch die Expertinnen und Experten nicht. Zu entscheiden hat am Schluss immer die Politik.

PK "BUDGETÄRE ENTWICKLUNG 2022 UND AKTUELLE WIRTSCHAFTSPROGNOSEN": FINANZMINISTER BRUNNER / WIFO-DIREKTOR FELBERMAYR

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und Finanzminister Magnus Brunner

Inflationstreibend ist auch, dass Menschen mehr konsumieren denn sparen, weil die Sparzinsen bei unter 2 Prozent liegen, die Teuerung bei über 8. Wann berufen Sie einen Banken-Gipfel ein, damit die Banken die Zinsänderungen an die Kunden weitergeben?

Wir sind im ständigen Austausch zu genau diesem Thema und ja, ich erwarte mir natürlich, dass die Banken die Zinsen an ihre Kunden weitergeben. Und ich erwarte mir mehr Transparenz seitens der Finanzinstitute, das fördert immer auch den Wettbewerb.

➤ Mehr zum Thema: Warum die Zinsen weiter steigen

Mehr Transparenz heißt was? Ein Online-Portal, auf dem alle Zinssätze aktuell verglichen werden?

Ich kann den Banken keine Vorschriften machen, aber Sie können sich sicher sein, dass wir darüber im engen und ständigen Austausch sind.

Apropos Banken: Vor Wochen beherrschte das Russland-Engagement der RBI die Schlagzeilen. Was ist der Status Quo: Wird die RBI das Russland-Geschäft verkaufen?

Die RBI prüft alle Varianten – vom Verkauf über Asset-Tausch und Ausstieg. Das ist aber alles andere als trivial. Die Anteile in Russland selbst kaufen kann ja nur jemand, der mit Putin selbst verbunden ist. Ob das so gescheit ist, stelle ich infrage. Zudem muss man sich fragen, zu welchem Preis ein Ausstieg geschehen kann – im Sinne des Werterhalts des Unternehmens und natürlich im Sinne der Sanktionen. Was gerne vergessen wird: Internationale Banken wie Citibank und Unicredit sind ebenfalls Russland tätig, gesprochen wird aber immer über die RBI, die in der Ukraine sogar mehr Kunden hat und eine wichtige Rolle im Wiederaufbau spielen wird.

++ HANDOUT ++ DEUTSCHER FINANZMINISTER LINDNER IN ÖSTERREICH: BRUNNER/LINDNER

Brunner mit Deutschlands Finanzminister Lindner, WKÖ-Präsident Harald Mahrer

Ihr deutscher Amtskollege Christian Lindner sagt, mit einer 4-Tage-Woche lässt sich der Wohlstand nicht erhalten. WKÖ-Präsident Harald Mahrer sprach jüngst davon, dass wir mehr und nicht weniger arbeiten werden müssen. Wo stehen Sie in der Diskussion?

Momentan haben wir es bei der 4-Tage-Woche mit einer kompletten Themenverfehlung zu tun. Wir haben derzeit zu wenig Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt. Diese Situation jetzt zusätzlich einzuschränken ist aus meiner Sicht falsch. Wir müssen darauf achten, dass wir mehr Menschen in Arbeit bekommen, die auch freiwillig bereit sind, mehr und länger zu arbeiten.

Warum wird der 32-Stunden und 4-Tage-Woche dann so viel Raum geschenkt?

Weil es manche für populär halten, aber nicht, weil es derzeit auch sinnvoll ist.

1.900 Mitarbeiter von Kika und Leiner sind gekündigt. Vor wenigen Jahren freute sich die Regierung noch über die Sicherung von 4.000 Arbeitsplätzen der Gruppe. Sind die Zeiten, da der Staat heimische Unternehmen unterstützt, vorbei?

Das war die Entscheidung eines Privatunternehmens, nicht der Politik. Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher hat aber bereits angekündigt, dass er mit dem AMS alles tun wird um die Mitarbeiter dabei zu unterstützen rasch wieder Arbeit zu finden.  Gerade jetzt haben sie gute Chancen, schnell wieder einen Job zu finden.

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Themenwechsel. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat einen Plan vorgelegt, der einen Ausstieg von russischem Gas bis 2027 vorsieht. Ist das realistisch?

Ich kann nicht beurteilen, ob das realistisch ist, denn um das Ziel zu erreichen, müssen Alternativen vorliegen. Wichtig ist, dass uns das Ziel eint, dass wir uns unabhängig von russischem Gas machen und unsere ambitionierten Klimaziele erreichen müssen. Man muss allerdings zu Ende denken, was rechtlich möglich ist und was nicht. Die OMV hat bereits Schritte gesetzt, sich zu diversifizieren, um beispielsweise über andere Pipelines oder Rotterdam auch LNG kaufen zu können.

Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler bezeichnete sich selbst als Marxisten. Was assoziieren Sie mit dem Begriff?

Ich habe eine klare Meinung dazu. Marxismus kann in Österreich keine Grundlage für Politik sein, da sich die ökosoziale Marktwirtschaft in Österreich und Europa zurecht durchgesetzt hat.

Wäre dem gemäß für die ÖVP eine Regierung mit Kickl oder Babler das geringere Übel?

Das ist sicher eine medial interessante Diskussion, aber sie stellt sich derzeit nicht. Wir wählen in über einem Jahr.

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