Big Data: „Vorsicht, sonst lassen sich wohl einige nicht mehr testen“
Will die Regierung etwa mein Handy anzapfen? Diese Befürchtung kursiert, seit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) diese Woche meinte, es werde geprüft, was in Sachen „ Big Data“ in Österreich zur Bekämpfung des Coronavirus möglich sei. In welche Richtung es gehen soll – dazu gibt es am Samstag auf KURIER-Anfrage keine Stellungnahme.
Die grüne Justizministerin Alma Zadić nimmt der Debatte etwas Zündstoff, und sagt ganz klar: „Eine individuelle Überwachung wollen wir weder jetzt noch in Zukunft.“ Kein Mitglied der Bundesregierung hielte einen solchen Einschnitt in die persönliche Freiheit für notwendig, betont sie.
Was es in dem Bereich schon gibt, ist eine App des Roten Kreuzes, die Infektionsketten besser nachvollziehbar machen – und letztlich durchbrechen soll. Sie ist aber freiwillig.
Und dennoch: Die Opposition, die in der Corona-Krise bislang jede Maßnahme der Regierungsparteien im Nationalrat einstimmig mitgetragen hat, ist beim Thema „Big Data“ höchst skeptisch.
Taskforce gefordert
FPÖ-Klubchef Herbert Kickl meint, dass aus der Freiwilligkeit sehr schnell Massenüberwachung werden könne. Man wisse ja nicht im Detail, was das Rote Kreuz mit den Daten macht. „Unter dem Deckmantel der Sicherheit dürfen sich nicht Tendenzen einschleichen, die unsere Grund- und Freiheitsrechte außer Kraft setzen“, betont er.
Noch deutlicher wird Parteichef Norbert Hofer: „Big Data“ sei „mit den Eckpfeilern unserer Gesinnung unvereinbar – egal in welchem Zusammenhang“.
„Big Data“ ist ein mächtiges Instrument, sagt Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger. Sie will nicht, dass sich die Regierung im stillen Kämmerlein überlegt, und fordert „eine breite Einbindung von Experten und allen Parteien“. Wichtig seien Datensicherheit, Datensouveränität und eine klare Zweckbindung.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will ebenfalls „sorgfältig und seriös zwischen dem Schutz der Gesundheit und dem Wahren der Freiheitsrechte abwägen“ und fordert eine Taskforce mit Vertretern der Opposition, der Datenschutzbehörde und Verfassungsrechtsexperten.
Ihr Vize-Klubchef Jörg Leichtfried hält es indes für fraglich, wie wirksam solche Methoden überhaupt seien. Die Rot-Kreuz-App etwa funktioniere ja nur dann gut, wenn möglichst viele Österreicher mitmachen.
„Lockangebot“ bei App
Beim Stichwort „mitmachen“ richtet Datenschutzaktivist Max Schrems mahnende Worte an die Regierung: Rechtlich sei vieles möglich (siehe Kasten unten) – auch eine zwangsweise Überwachung.
Nur: „Viele haben in ihrem sozialen Umfeld schon jetzt Hemmungen, sich als Coronakranke zu outen. Wenn sie künftig befürchten müssen, dass der Innenminister mit einer App nachschaut, mit wem sie sich wann und wo getroffen haben und sie bestraft, dann werden sich vielleicht einige Leute nicht mehr testen lassen.“
Denkbar wäre auch, dass die Regierung die Bevölkerung „lockt“ – nach dem Motto: Wer bei der Rot-Kreuz-App mitmacht und seine Kontakte freiwillig meldet, darf sich frei bewegen – solange er gesund ist. „Aber auch das wäre keine wirkliche Freiwilligkeit mehr“, sagt Schrems.
Die Verfassung
„Verhältnismäßigkeit“ ist der Knackpunkt laut Bundesverfassung, erklärt Datenschutzexperte Max Schrems. „Ich darf nicht tiefer in die Grundrechte eingreifen, als es notwendig ist, um mein Ziel zu erreichen.“ Beispiel: Zwei Wochen Quarantäne mit Überwachung wären in Ordnung – zwei Monate nicht
Die Datenschutzgrundverordnung
Personenbezogene Daten dürfen laut DSGVO nur in gewissen Fällen verwendet werden – eine Epidemie ist als ein solcher Fall genannt. Auf Grundlage dieses EU-weiten Rechts wäre auch eine zwangsweise Überwachung in Österreich per neuem Gesetz möglich
Bedingungen für ein neues Gesetz
Laut DSGVO dürfen die minimal notwendigen Daten nur für einen spezifischen Zweck verarbeitet werden – und müssen danach sofort gelöscht werden. Schrems schlägt vor, dass der Gesetzgeber den Quellcode der jeweiligen App veröffentlicht – so könnte jeder Experte prüfen, ob sie wirklich nur das macht, was sie soll
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