Alle wissen, dass die Auswertung der Handy-Daten durch den Geheimdienst zeitlich beschränkt ist. Die Daten nach sechs Monaten gelöscht werden. Sollen. Wer aber kontrolliert dies? Wer kann das kontrollieren? Vor allem, wenn eine nicht vom Wähler legitimierte Übergangsregierung den Geheimdienst beauftragt. Wenn führende Amtsinhaber offen zum Ungehorsam gegenüber den Verfassungsrichtern aufrufen.
Richter am Wort
Israel hat seine Corona-Krise wie alle anderen. Es hat aber auch eine Regierungskrise. Und auch eine Verfassungskrise. Seit dem Amtsantritt von Premier Benjamin Netanjahu 2009 ist das Oberste Gericht (OBG) drohender Hetze durch Netanjahus Handlanger im Parlament ausgesetzt. Der Premier setzte mehrfach ihm genehme Richter ein. Genau die aber waren es, die den überschwänglichen Drang der Übergangsregierung nach Kontrolle in die Schranken wiesen.
Der Erfolg der digitalen Ortung von Corona-Infizierten ist übrigens alles andere als entscheidend. Israel konnte durch die frühe Schließung seiner ohnehin stark abgesicherten Grenzen und frühen Quarantäne-Maßnahmen eine schnelle Ausbreitung des Virus verzögern. Doch die Kurve steigt weiter steil an. 2.700 waren es am Freitag. Alle vier Tage verdoppelt sich die Zahl der nachweislich Infizierten. Trotz strenger Hauskontrollen bei Quarantäne-Pflichtigen durch Polizisten in Schutzanzügen.
Handy-Ortung
Es fehlt hingegen Untersuchungstechnik. Sie kommt erst Mitte April und mit Hilfe eines „nicht zu nennenden arabischen Staates“, der viel Geld, aber keine diplomatischen Beziehungen mit Israel hat. Die umstrittene Handy-Ortung erfasst immer wieder „mutmaßliche“ und nicht nachweislich Infizierte. Gegen ein ausdrückliches Verbot der Richter.
"Treuer Angriffshunde"
Wer nur den isolierten Großeltern von der Straße aus zuwinkt, wird von der GPS-Ortung schon als Kontaktperson eingestuft. „Der Schabak ist ein Muskelprotz mit wenig Hirn“, stellt keineswegs ein Kritiker, sondern Yuval Diskin fest, ein früherer Inlandsgeheimdienst-Chef. „Ein treuer Angriffshund, der jeden beißt, wenn Herrchen es befiehlt“, so Haaretz, „ohne parlamentarische Kontrolle läuft er leinenlos“.
Erst im letzten Monat kam Archiv-Material aus den 1950-er Jahren ans Licht der Öffentlichkeit. In den chaotischen Anfangsjahren des Staates, so zeigte sich, spionierte der Schabak oppositionellen Politikern nach. Auch unliebsame Journalisten wurden „von Unbekannten“ verprügelt.
Die heftigsten Kritiker Netanjahus sind ehemalige Schabak-Chefs, die ihn aus nächster Nähe kennenlernten.
Hoffen auf Parlament und Justiz
Bleiben als Kontrollinstanzen Parlament und Justiz. Netanjahu bemüht sich unverhohlen, beide einzuengen. Selbst die unter Netanjahu ernannten Richter schlagen bissig zurück, wenn es um die rechtlichen Fundamente des Staates geht. Und auch der berüchtigte „Araberfresser“ Avigdor Lieberman protestierte gemeinsam mit der Vereinten Arabischen Liste gegen den Verbleib Netanjahus im Amt eines Premiers, der nicht nur wegen Korruption angeklagt ist. Auch das ist eine Wende.
Kommentare