Bei einer Flüchtlingskrise dürfen VP und Grüne getrennte Wege gehen

Bei einer Flüchtlingskrise dürfen VP und Grüne getrennte Wege gehen
Karl Nehammer und Susanne Raab, beide ÖVP, managen die Migration in der neuen türkis-grünen Koalition.

Der KURIER beleuchtet die Schwerpunkte zum türkis-grünen Regierungsprogramm. Hier finden Sie, was die neue Koalition beim Thema Pflege und Pensionen plant, hier alles zum Thema Transparenz und hier Steuern und Klima.

Das Abkommen trägt in Sicherheits- und Migrationsfragen ganz klar die Handschrift der ÖVP. „Migration wird mein Herzstück bleiben“, meinte Kurz bei der Vorstellung des Regierungsprogramms. Nur in wenigen Punkten konnten die Grünen hier aufzeigen, wie etwa beim klaren Bekenntnis, dass Österreich in allen Bereichen des Asylverfahrens auf die Mindeststandards der Europäischen Menschenrechtskonvention und des EU-Rechts achtet. Dieser Passus liest sich wie eine Art Präambel im Pakt. Haarig für die Grünen wird vor allem die Einführung der Sicherungshaft für Asylwerber – ein Relikt aus der Ära von Herbert Kickl als Innenminister. Auch auf das Einrichten von Rückkehrzentren hat man sich geeinigt.

Harte Kompromisse im türkis-grünen Regierungspakt

Künftig soll es eine Migrationsstrategie geben: die klare Trennung von Asyl und Arbeitsmigration. Zur Erleichterung der Arbeitsmigration wird eine neue Rot-Weiß-Rot-Karte geschaffen, deren Anwendung erleichtert, beschleunigt und digitalisiert wird.

Außerdem sollen die Asylverfahren beschleunigt und qualitativ verbessert werden. Ziel ist die Kürzung der Verfahrensdauer auf durchschnittlich sechs Monate und somit die Senkung der Grundversorgungskosten.

Ebenso ein Projekt, das unter Kickl startete, ist die Umsetzung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) mit den Tätigkeitsfeldern Grundversorgung, Rechtsberatung, Rückkehrberatung, Dolmetschleistungen, Menschenrechtsbeobachtung. Auch das wurde seinerzeit von den NGOs heftig kritisiert.

Interessant ist der Passus, wie man mit Krisensituationen umgeht – also bei einem Flüchtlingsstrom: Wird kein Kompromiss über die Vorgehensweise und Gesetzesinitiativen zwischen den Koalitionspartnern gefunden, kann jede Regierungspartei eigene Gesetzesinitiativen im Parlament einbringen. Hier wird eine Art koalitionsfreier Raum geschaffen, wo ÖVP und Grüne unterschiedlich abstimmen können.

Keine Brücken gebaut

Der spannendste Passus steht am Ende des Kapitels Migration im Pakt. Was tun, wenn der nächste Flüchtlingsstrom vor der Grenze steht? Ja, für die Grünen ist das ein heikles Thema. Offenbar hat man hier  aus den Brocken keine Brücke bauen können. Stattdessen hat man einen koalitionsfreien Raum geschaffen. Jede Partei kann in diesem Fall eigene Gesetzesinitiativen einbringen – und neue Allianzen im Hohen Haus suchen. Aber verliert man hier nicht wichtige Zeit zum Handeln? Und wäre so ein Verhalten nicht der Anfang vom Ende des türkis-grünen Experiments?

Kommentare