SPÖ-Chef Babler: "Wollen nicht, dass Österreich kaputtgespart wird"
Der SPÖ-Chef über die Dimension des Defizits, moralische Zeigefinger-Debatten, die Bedeutung von Rudolf Fußi und die Möglichkeit einer SPÖ-FPÖ-Regierung in der Steiermark.
Seit Juni 2023 ist Andreas Babler Bundesparteivorsitzender der SPÖ, seit der Wahl sitzt er im Nationalrat und nunmehr mit ÖVP-Chef Karl Nehammer und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Verhandlungstisch.
KURIER:Sie haben jetzt Wochen mit Karl Nehammer sondiert. Haben Sie an ihm neue Seiten entdeckt?
Andreas Babler: Neu kennengelernt habe ich ihn nicht, wir hatten nur mehr miteinander zu tun.
Sowohl Sie als auch Nehammer und Beate Meinl-Reisinger sprechen viel von Aufbruch, Veränderung und Zuversicht. Was macht Sie zuversichtlich, dass die Dreier-Koalition auch funktionieren wird?
Der Wunsch nach Veränderung. Das „Kein weiter wie bisher“ ist ja auf vielen Ebenen zu sehen. Wir hatten eine eigene Geschichte mit der ÖVP in der Großen Koalition. Wir wollen nicht nur gegen etwas sein wie die FPÖ, sondern auch eine Perspektive geben.
Die Zahlen sind ja öffentlich bekannt. Es ist nicht meine Aufgabe, Schuldzuweisungen zu machen. Wir wissen alle, was Schwarz-Blau und Schwarz-Grün budgetär zu verantworten haben. Wichtig ist jetzt, wie wir damit umgehen und wie wir Budgetwahrheit bekommen. Und: All unsere Maßnahmen werden in einer Form budgetwirksam sein.
Noch einmal: Sie sitzen mit der ÖVP am Verhandlungstisch. Kommt man da nicht in Versuchung zu fragen: Was habt Ihr Euch dabei gedacht?
Das haben wir in den vergangenen Monaten gemacht. Jetzt ist es Zeit, in die Zukunft zu blicken. Uns geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen. Das Problem beim Budget waren die viel zu vielen Ausgaben ohne Gegenfinanzierung. Da geht es nicht nur um die Abschaffung der kalten Progression mit 7,5 Milliarden Euro, sondern auch um die Senkung der Körperschaftssteuer (KÖSt), die uns jedes Jahr eine Milliarde Euro kostet oder der Familienbonus mit zwei Milliarden – insgesamt 13,6 Milliarden Euro ohne Gegenfinanzierung.
Sie haben betont, dass „in diese krisenhafte wirtschaftliche Lage hineinzusparen nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann“. Wie soll es ohne Sparen gehen?
Alle Wirtschaftsforscher sagen uns: Wir brauchen Aufschwung, Konjunktur, Konsumlaune. Es wäre nicht die beste Idee, nur die Ausgabenseite zu betrachten. Wir müssen den Staatshaushalt aus- und einnahmenseitig konsolidieren, denn die Summe von 15 Milliarden Euro bis 2028 werden wir ausgabenseitig allein nicht stemmen können. Das strukturelle Defizit hat eine Dimension, die sich viele gar nicht vorstellen können.
Können Sie uns ein Beispiel dafür geben?
Wenn wir alle Lehrer einsparen würden, dann hätten wir 14,6 Milliarden Euro. Alle Polizisten und alle Angehörige des Bundesheeres kosten in Summe 6 Milliarden Euro. Die Personalkosten im Gesundheitsbereich betragen rund 12,3 Milliarden Euro – und auch das würde nicht reichen, um das Defizit wettzumachen. Wir werden Einsparungen finden, aber es wird Einnahmen geben müssen. Starke Schultern werden mehr tragen müssen.
Heißt das, Sie fordern weiterhin vermögensbezogene Steuern?
Wir brauchen auch eine einnahmenseitige Konsolidierung, das steht außer Streit. Konkrete Modelle sind Gegenstand der Verhandlungen.
Die "starken Schultern“ sind die Konzerne oder vermögende Einzelpersonen?
Oft sind das die gleichen.
Sie wollen also auch eine „Ausgabenbremse“, wie Karl Nehammer sagt. Sind Sie für die Fortführung der Strompreisbremse über 2024 hinaus?
Wir sehen, dass die Menschen aus Sorge und Angst sparen, der Konsum darunter leidet. Wir sehen auch, welche Menschen besonders sparen. Leistbares Wohnen kann dieses Angstsparen aber auflösen und zu mehr Konsum führen.
Sprechen Sie sich gerade für einen Mietpreisdeckel für spezielle Einkommensbezieher aus?
Das ist Gegenstand der Detailverhandlungen, die wir jetzt führen. Ich will nicht vorgreifen. Ich halte mich daran, dass wir uns keine roten Linien medial ausrichten und wir ergebnisoffen verhandeln. Uns ist wichtig, dass Wohnen und Energiepreise leistbar sind. Bei Energie geht es um Leistbarkeit, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit.
Die Neos sind weniger zurückhaltend als die SPÖ: Sie haben offen den Posten des Finanzministers gefordert und ein Papier mit zehn Forderungen veröffentlicht. Zudem meinte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger, sie wolle ÖVP und SPÖ „in den Hintern treten“. Wie kommt das bei Ihnen an?
Im Sinne der Gesamtverantwortung muss man sich auch der Sprache bewusst sein. Die inhaltlichen Linien der SPÖ sind aber genauso klar, etwa was das Thema leistbares Leben, Gesundheitsversorgung oder Kinderbetreuung betrifft.
Was ist ein Herzensthema, das Sie am Ende auf jeden Fall umgesetzt wissen wollen?
Die Grundbedingung ist, dass das Leben wieder leistbar wird. Nachgelagert brauchen wir ein Finanzierungsmodell und einen Plan, wie wir es über die nächsten vier Jahre ohne Abwürgen der Konjunktur und brutales Sparen schaffen. Natürlich ist es möglich, ausgabenseitig zu sparen. Wir wissen aber auch: In Bereichen wie Bildung und Gesundheit wären angesichts der Personalsituation sogar zusätzliche Investitionen nötig. Ich bin der Überzeugung: Es kann nicht sein, dass die große Mehrheit jetzt für die Steuergeschenke, die es in der Vergangenheit für Konzerne gegeben hat, zahlt. Ein Beispiel ist die von uns immer kritisierte Senkung der KÖSt – ein Geschenk, das aber keineswegs zu einer Erhöhung der Investitionsquote geführt hat.
Im Wahlkampf hat die SPÖ stark das Thema Klimaschutz getrommelt. In den Verhandlungen kommt es nur mehr in einer Untergruppe vor. Ist das Thema nicht mehr wichtig genug?
Klimaschutz ist ein zentraler Punkt in allen Untergruppen. Wir wollen aber jedenfalls weg von einer moralischen Zeigefinger-Debatte, weil man damit nicht alle Menschen mitnehmen kann. Wenn ich von den Menschen verlange, nicht mehr mit ihrem Diesel-Pkw zu fahren, ist das nicht realistisch, wenn ich nicht gleichzeitig den öffentlichen Verkehr ausbaue.
Das werden die drei Parteien in den Verhandlungen bewerten. Ich will da nichts vorwegnehmen.
Sie sagen immer: „Wir müssen nicht, wir wollen regieren“. Sollten die Verhandlungen scheitern: Ist es tatsächlich vorstellbar, dass die SPÖ in der Opposition bleibt?
Es gibt Gründe aus sozialdemokratischer Sicht, in diese Regierung zu gehen. Weil wir nicht wollen, dass Österreich in dieser Krise kaputtgespart wird. Wir gehen ergebnisoffen und vorsichtig optimistisch in die Verhandlungen.
Am Sonntag wählt die Steiermark: SPÖ-Chef Anton Lang hat eine Koalition mit der FPÖ nicht ausgeschlossen …
… er hat nicht ausgeschlossen, mit ihnen zu reden. Auf Bundesebene ist die Position der SPÖ zur FPÖ klar. Und auch Lang hat gesagt, dass er eine Koalition mit der ÖVP bevorzugen würde. Natürlich wäre ich kein Fan einer Regierung mit der FPÖ.
Kommentare