Anderl kontert Androsch-Kritik und will nicht ins SPÖ-Verhandlerteam
Seit Tagen streiken die Metaller. Morgen, Montag, soll wieder verhandelt werden. Die Fronten sind verhärtet. Was ist die Lösung, die Exit-Strategie?
Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer, weiß in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag auch keine Antwort darauf - zeigt sich aber voll auf einer Linie mit der Arbeitnehmerseite. Gestreikt würde nicht "aus Jux und Tollerei", sagt sie.
Katzenfutter unleistbar
Die Inflation ist zuletzt war auf 5,4 Prozent gesunken, viele Arbeitnehmer würden angesichts der vergangenen Preissteigerungen aber noch immer mit dem Rücken zur Wand stehen.
Die Arbeiterkammer-Präsidentin schildert, dass sie von Mitgliedern gehört habe, die ihre Katze weggeben mussten, weil sie sich das Futter nicht mehr leisten könnten.
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"Arbeitnehmer fühlen sich nicht wertgeschätzt"
Die Arbeitnehmerseite ist mit der Forderung nach einem Plus von 11,6 Prozent in die Verhandlungen gegangen. Dass die Arbeitgeberseite dagegen nur 2,5 Prozent vorschlug - "obwohl sie genau weiß, wie hoch die Inflation ist", so Anderl - sei ein schlechtes Signal gewesen. "Die Arbeitnehmer fühlen sich nicht mehr wertgeschätzt."
Einmalzahlungen lehnt auch Anderl ab - diese könnten, um das Gewerkschafter-Zitat zu bemühen - nur "der Schnittlauch auf dem Brot" sein.
Eine Frage, die sich die Gewerkschafter, aber auch die SPÖ gefallen lassen müssen: Geht es bei dem Streik auch darum, sich vor dem Wahljahr zu profilieren? Anderl weist das zurück: "Ich bin überzeugt, dass faire Löhne zu verhandeln, nichts mit der politischen Situation zu tun hat."
Auch den Einwand, dass in Österreich angesichts der Rezession bei zu hohen Lohnabschlüssen (nicht nur bei den Metallern, sondern auch in anderen Branchen) ein Abbau von Arbeitsplätzen und damit für viele ein totaler Jobverlust drohen würde, lässt sie nicht gelten.
Arbeiterkammer unzufrieden mit Mietpreisbremse
Die Regierung habe gerade in der Corona-Zeit viel Geld in die Hand genommen, um Betriebe zu retten, bei den Arbeitnehmern solle jetzt plötzlich gespart werden.
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Auch mit der geplanten Mietpreisbremse ist die Arbeiterkammer nicht zufrieden. Diese wurde im August bei fünf Prozent festgelegt, dabei sei schon da klar gewesen, dass die Inflation sinkt, sagt Anderl.
Wenn die Mieten nun immer um fünf Prozent steigen, könnten sich viele Mieter das irgendwann nicht mehr leisten. Die AK fordert deshalb einen Deckel von zwei Prozent.
Nach Androsch-Kritik: "Wichtig, über Arbeitszeitverkürzung zu diskutieren"
Gestern, Samstag, ließ ein SPÖ-Urgestein mit Kritik an der eigenen Partei aufhorchen: Ex-Finanzminister Hannes Androsch kritisierte in der Kleinen Zeitung etwa den Leitantrag beim Parteitag inklusive Forderung nach einer 32-Stunden-Woche als "Sammelsurium an ideologischen Träumereien".
Es fehlten Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit. So werde man die Kanzlerschaft nicht zurückerobern, attestierte Androsch dem neu bestätigten Parteichef Andreas Babler.
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AK-Präsidentin Anderl will in der "Pressestunde" nicht auf den Ex-Finanzminister antworten. Sie bleibt dabei: Die Arbeitnehmer würden in vielen Bereichen ihres Lebens "nicht mehr können". Daher sei es wichtig, Themen wie die Arbeitszeitverkürzung zu diskutieren. Auf wie viele Stunden, darauf wollte sie sich nicht festlegen.
Anderl will nicht ins SPÖ-Verhandlerteam
Auch auf die Frage, ob die Vermögenssteuer ein Muss für die SPÖ sei, wenn es nach der Nationalratswahl im Herbst um eine Koalition geht, ist aus der AK-Präsidentin keine klare Ansage herauszubekommen.
Nur so viel: "Wir kommen nicht darum herum, über die Vermögenssteuer zu sprechen." Sie wünsche sich, dass das Thema "ganz oben auf der Agenda steht".
Sie sei aber keine Parteifunktionärin und sitze auch nicht in Verhandlungen. Dass sie in Zukunft Teil eines SPÖ-Verhandlerteams sein könnte, schließt sie auf Nachfrage aus.
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"Matura ist eine Momentaufnahme"
Noch ein aktuelles Thema: Die Wiener SPÖ hat beim Bildungstreffen am Samstag vorgeschlagen, die Matura abzuschaffen, stattdessen solle es zum Abschluss der Schullaufbahn "Projektarbeiten" geben.
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"Die Matura ist eine Momentaufnahme", sagt Anderl. Sie habe als Schlüssel zu weiterer Bildung an Bedeutung verloren. Daher sei die Frage: "Warum macht man dann die Matura?", legitim. Es gebe ohnehin ein Abschlusszeugnis.
Bildung sei eine der großen Baustellen - es gehe nicht nur um Noten und Matura, sondern um das ganze System. "Es ist gut, sich Gedanken darüber zu machen, wie man es ändert." Die AK-Präsidentin ist überzeugt, dass dies auch auf Bundesebene zum Thema gemacht werde.
Möglichst langer Verbleib im Arbeitsleben
Beim Thema Pensionen wendet sie sich gegen eine Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters. Wichtiger sei es, den Menschen einen Verbleib im Arbeitsleben zu ermöglichen. "Was nützt mit 67, wenn die Leute trotzdem mit 63 in Pension gehen?", fragt sie.
Wer länger erwerbstätig bleibe, zahle auch Pensionsbeiträge, betonte sie zur Frage der Finanzierbarkeit der Pensionen.
"Verständnis für Betriebe scheint gänzlich zu fehlen"
FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch wertete Anderls Auftritt in einer Aussendung als "Lehrbeispiel für rotes Bonzentum und Sonntagsreden-Politik".
Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker kritisierte, dass die AK-Präsidentin die steigenden Kosten des Pensionssystems ignoriere.
Zufrieden war nur SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder, eine Parteikollegin Anderls. Von ihr gab es volle Unterstützung für die Forderung nach einer Millionärssteuer.
Seitens der Wirtschaftskammer übte Generalsekretär Karlheinz Kopf Kritik. "In einer Phase, in der die heimischen Betriebe mit einem flächendeckenden Arbeitskräftemangel konfrontiert sind, ist es beunruhigend zu hören, dass einige Kräfte pauschal die Arbeit reduzieren wollen", meinte er.
"Das Verständnis für die zahlreichen Betriebe, die mit einem Arbeitskräftemangel kämpfen müssen, scheint gänzlich zu fehlen."
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