SPÖ-Parteitag: 88,76 Prozent stimmen für Babler als Parteichef

SPÖ-Parteitag: 88,76 Prozent stimmen für Babler als Parteichef
Babler attackiert in Rede am SPÖ-Parteitag insbesondere die ÖVP. Parteichef kann künftig per Direktwahl gewählt werden.

Die SPÖ hat heute bei einem Parteitag in Graz Andreas Babler als ihren Vorsitzenden bestätigt. Der Traiskirchener Bürgermeister und Bundesrat stand als einziger Kandidat zur Wahl. Babler hatte sich im Juni im Duell mit Hans Peter Doskozil an die Spitze der Partei geschwungen und erreichte ein besseres Ergebnis als Pamela Rendi-Wagner bei deren letzten Antritt. Sie kam vor zwei Jahren 75,3 Prozent. 

Babler erreichte 88,76 Prozent. Er bedankte sich unter Tränen bei den rund 600 Delegierten. "Hey, langsam", sagte er, als "Andi! Andi!"-Sprechchöre starteten. "Was sind wir für eine coole Partei, nach fünf Monaten zusammen solche Ergebnisse zu liefern", meinte Babler. Und das, obwohl von außen "alles zerschrieben" werde von "den Obergscheiten".

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Letzter Platz für Dornauer

Das restliche Parteipräsidium bzw. Bablers Stellvertreter und Stellvertreterinnen wurden ebenfalls gewählt, und zwar mit hoher Zustimmung: Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner erhielt 97,3 Prozent. Vizeklubchefin Julia Herr kam auf 94,4 Prozent. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser bekam 98,5 Prozent. Mit Spannung erwartet worden war das Ergebnis für die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, eine Vertreterin der Wiener Landesorganisation. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig verzichtete ja auf eine Kandidatur. Bures wurde aber mit 92 Prozent bedacht.

Verena Dunst aus der widerspenstigen burgenländischen Landespartei erhielt 94,6 Prozent. Niederösterreichs SPÖ-Chef Sven Hergovich erreichte 93,7 Prozent. Der oberösterreichische Parteichef Michael Lindner kam auf 96,9 Prozent, der steirische SPÖ-Chef Anton Lang auf 97,8 Prozent. Als Kassier wurde Christoph Matznetter, ebenfalls ein Wiener Genosse, mit 92,8 Prozent gewählt. Seine Stellvertreterin ist mit 98,1 Prozent Michaela Schmidt aus Salzburg. Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer fuhr mit 87,4 Prozent das schlechteste Ergebnis ein, seine Stellvertreterin als Schriftführer ist Stefanie Matei aus Vorarlberg mit 98,6 Prozent. Damit sind alle Bundesländer stimmberechtigt im Präsidium vertreten.

Babler macht den Klitschko

Nach den diversen Querelen um Anträge, Statuten und Listen ist man Samstagfrüh in Graz um Einigkeit bemüht. Viele Genossen beschwören die gute Stimmung und relativieren die jüngsten Meinungsverschiedenheiten. Parteichef Andreas Babler werde ein gutes Ergebnis erzielen, so der Tenor. "Es wird für die Medien ein fader Parteitag werden", rechnet Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker im Vorfeld mit gar keinen Kontroversen.

Zumindest der Auftakt vermag wenig zu überraschen. Es wird ein Video mit SPÖ-Legende Bruno Kreisky in Schwarzweiß eingespielt, der darin an die soziale Gerechtigkeit appelliert. Dann betritt Babler die "Messe Graz" zu "Can't Stop" von den Red Hot Chili Peppers. Also zu jener Einlaufmusik, die auch der Ukrainer Wladimir Klitschko während seiner aktiven Karriere als Schwergewichtsboxer verwendete. Babler zeigt sich wie gewohnt mit offenem Hemd, es gibt kräftige Umarmungen für die Genossen, die er auf dem Weg zu seinem Platz trifft. "Wir freuen uns gemeinsam auf einen starken Parteitag, ein starkes Wochenende", schwört er die Genossen ein.

Um Einigkeit ist auch Gastgeber Anton Lang, Chef der steirischen SPÖ, bemüht: "In der Steiermark gibt es eine Koalition, die aus der Mode gekommen ist. Haben seit 2010 eine gute Zusammenarbeit mit der ÖVP. Warum funktioniert das gut? Wir diskutieren heftig, treten aber nach außen geschlossen auf. Diese Geschlossenheit wird von den Menschen honoriert."

Lang weiter: "Es braucht eine Sozialdemokratie, die sich geschlossen für ein besseres Leben einsetzt. Gehen wir nach diesem Wochenende gemeinsam in eine Richtung. Das Land braucht eine starke Sozialdemokratie und vor allem einen Andreas Babler an der Spitze."

Babler hält sich für Themenführer

Schlamm werde von "sogenannten Politexpertinnen und Politikexperten" seit fünf Monaten auf die SPÖ geworfen, startet Babler seine Rede mit einer Medienschelte. Dass über die SPÖ so viel gesprochen werde, zeige, dass die SPÖ die Themenführerschaft übernommen habe, meint Babler: "Alle reden für gerechte Steuern, alle reden für die Beseitigung für Kinderarmut."

Die Normalität seiner Kindheit sei der "Österreichische Traum" Bruno Kreiskys gewesen, sagt Babler. Also eine Realität ohne Sozialmärkte und mit guten Jobs. "Die Österreicherinnen konnten sich darauf verlassen, dass Politik ihre Bedingungen nicht verschlechtert, sondern verbessert." Was man jetzt erleben müsse, sei genau das Gegenteil. 

Beispiel: "Eine Politik, die zulässt, dass heute die Manager von börsennotierten Unternehmen das 64- bis 80-fache von normalen Mitarbeitern verdienen", so Babler. Die Mieten würden explodieren, das Gesundheitssystem kollabieren, während Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) respektlos über Arme, Frauen und Arbeitnehmer spreche. Ein Körperteil würde die Politik von ÖVP und FPÖ beschreiben, so Babler: "Ellbogen". Die SPÖ betreibe hingegen Politik mit dem Herz, "unser Herz". "Wir werden all das wieder aufbauen, was sie planiert haben", verspricht der SPÖ-Chef. 

Dazu gehöre, dass jedes Kind in der Schule ein warmes Essen bekomme und Österreich die besten Bildungseinrichtungen habe. "Wir sind die Partei, die auf diese Kinder schaut, die diesen Kindern Rechte gibt. [...] Allen Kindern alle Rechte! Allen Kindern alle Rechte, liebe Genossinnen und Genossen!", wird der rote Frontmann laut.

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"Respekt" für Pensionisten

Babler beschwört Respekt gegenüber Frauen Stichwort "Lohntransparenz" nach isländischem Vorbild und Pensionisten. 45 Jahre Arbeit seien genug, danach soll man abschlagsfrei wieder in Pension gehen können, spricht sich Babler für die Wiedereinführung der "Hacklerregelung" aus. Er lasse sich auch nicht einreden, die private Säule im Pensionssystem zu stärken. Zusatzversicherungen, mit denen dann an der Börse spekuliert werde? Die seien ja weg bei einem "mittleren Börsencrash", sagt Babler.

In diesem Zusammenhang brauche es auch gerechte Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer. Der rote Gewerkschafter Reinhold Binder sorgte in diesem Zusammenhang zuletzt für Aufsehen, indem er verlautbarte: "Mit die Einmalzahlungen könnens scheißen gehen!" Babler meint: "Ich nehm nicht die Formulierung vom Reini Binder, aber ich denk mir's!"

Attacken auf Medien und ÖVP

Es folgt die nächste Medienschelte: Er könne "geistig fast" lesen, was die üblichen Expertinnen und Experten jetzt in den TV-Studios jetzt analysieren werden. "Und es wird die Frage wieder kommen: Wer soll das alles bezahlen?", sagt Babler. Diese Frage immer der SPÖ zu stellen, während die türkis-grüne Regierung für Unternehmen "Milliarden" verschossen hätte, sei "unmoralisch". "Jetzt stellen wir einmal die Frage, wer eigentlich schaut, dass unsere Leute auskommen, dass wir Kinderrechte haben?" Die Wirtschaftskompetenz der ÖVP führe in Insolvenzen und Arbeitslosigkeit, so Babler. 

Eine Breitseite gegen Unternehmer darf auch nicht fehlen: "Der Rene Benko, dieser Multimilliardär, was der aufgeführt hat, das war wirklich ein Raubüberfall." Auch im Sicherheitsbereich habe die ÖVP nichts weitergebracht. Dabei stelle sie, unterbrochen von "Pferdedompteur" Herbert Kickl (FPÖ), schon 33 Jahre den Innenminister. Wenn es darum gehe, Hassprediger und religiöse Fanatiker dingfest zu machen, dann sei nichts weitergegangen.

Babler betont: "Wir sind immer auf der richtigen Seite gestanden, immer. Wir wollen keine Leute, die für eine Scharia und ein Kalifat schreien." Dann ergänzt er: "Wenn Menschen in unser Land kommen, wenn Wirtschaftsmigration stattfindet, dann darf das nicht auf Kosten unserer Leute passieren." In all diesen Bereichen müsse man aufpassen. Einen Generalverdacht gegen Gastarbeiter werde er aber nicht zulassen: "Das sind unsere Leute!" Es brauche nun auch legale Fluchtrouten, um genau denen Schutz zu bieten, die vor der Scharia fliehen würden.

Bekenntnis zu Israel

Deutliche Worte findet Babler zum Konflikt im Nahost. Die Hamas sei eine Terrororganisation: "Es gibt keine andere Position, als unsere uneingeschränkte Solidarität mit Israel auszudrücken." Österreich habe eine besondere Verantwortung, für den Schutz für Jüdinnen und Juden einzutreten, um alles zu tun, um gegen Antisemitismus zu kämpfen. 

"Wir bezeichnen aber nicht alle Palästinenserinnen und Palästinenser als Hamas-Angehörige", sagt Babler. Unschuldige Palästinenser würden von der Hamas verwendet. "Deshalb müssen wir schauen, dass man bei aller Notwendigkeit eines militärischen Einsatzes, Menschenrechte wahrt." Langfristig sei eine Befriedung der Region und eine Zwei-Staaten-Lösung nach wie vor die Zielvorstellung der SPÖ: Mit einem demokratischen Israel und einem demokratischen Palästina. 

Die Neutralität sei auch in Zukunft der Weg der SPÖ. "Wir werden Frieden fordern!"

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Babler will das Match gegen Kickl drehen

Was ihm klar sei, so Babler: Dass die SPÖ aufholen müsse, denn in den Umfragen liege sie hinten. Er vergleicht das Szenario mit einem Fußballmatch: "Der Kickl ist vorn und die FPÖ ist vorn. Und die Sozialdemokratie ist die einzige Kraft, um Kickl und die schwarz-blaue Abrissbirne zu verhindern." Es gehe um "Abriss oder Aufbau, Vergangenheit oder Zukunft", sagt der SPÖ-Chef. Wenn die SPÖ nun alle Kräfte bündle, "dann gewinnen wir dieses Match", sagt Babler abschließend.

Künftig Direktwahl über SPÖ-Vorsitz möglich

Inhaltlich wurden zwölf Leitanträge abgestimmt. Was Babler besonders wichtig war: Das neue Statut, dem vor allem die Wiener Partei skeptisch gegenübersteht, sieht künftig eine Direktwahl für den Parteivorsitz durch die Paretimitglieder vor, wenn sich mehr als eine Person bewirbt. Dieser Antrag wurde mit Gegenstimmen von weniger als einem Drittel der Delegierten angenommen, Babler jubelte.

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Das detaillierte Programm finden Sie hier

Samstag, 11. November 2023:

• 10.00 Uhr: Beginn
• 10.15 Uhr: Eröffnung durch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Sandra Breiteneder und Klaus Seltenheim
• 10.40 Uhr: Grußworte steirischer SPÖ-Landesparteivorsitzender, LH-Stv. Anton Lang
• Berichte Kommissionen
• 11.20 Uhr: Totengedenken
• 11.50 Uhr: Rede SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler (ca. 45 Minuten)
• 12.30 Uhr: Diskussion der Rede
• 13.50 Uhr: Wahl der Gremien
• 14.50 Uhr: Vorstellung, Diskussion und Abstimmung Anträge und Resolutionen
• 15.50 Uhr: Verkündung Wahlergebnis
• 16.50 Uhr: Fortsetzung Antragsdiskussion, Abstimmung SPÖ-Organisationsstatut
• 18.30 Ende des ersten Tages

Sonntag, 12. November 2023:

• 10.00 Uhr: Beginn
• 10.20 Uhr: Rede SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder
• 10.40 Uhr: Rede SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner
• 10.50 Uhr: Kandidat*innenpräsentation
• danach Diskussion, Wahlgang
• 13.30 Uhr: Verkündung des Wahlergebnisses
• 13.40 Uhr: Schlussworte SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler
• 14.00 Uhr: Lied der Arbeit & Internationale – Ende des SPÖ-Bundesparteitags

Wer nicht dabei war

Erwaretet wurden in der Grazer Messe rund 600 Delegierte sowie etwa 400 Gäste. Gefehlt hat die Spitze der burgenländischen Landespartei um Doskozil, die sich mit Verpflichtungen anlässlich des Landesfeiertags entschuldigt hat. Abgeschlossen wird der Parteitag erst am Sonntag unter anderem mit der Abstimmung über die Kandidatenliste für die EU-Wahl.

➤ Mehr lesen Sie hier: Doskozil wird nicht zum SPÖ-Bundesparteitag nach Graz kommen

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