Seit Ende September geht er wieder heiß her, der Verhandlungskrimi um die Metaller-Kollektivverträge. Die Gewerkschaft fordert 11,6 Prozent und bleibt bislang dabei. Die Arbeitgeber bieten 2,5 und bessern nach einigen Runden auf sechs Prozent nach. Während Gewerkschafter kritisieren, „nicht am türkischen Basar“ zu sein und deshalb den ersten Streik seit Jahren vom Zaun brechen, heben Wirtschaftsvertreter die dramatische Situation einer „Vollrezession“ hervor.
Wer am längeren Ast sitzt, wird sich weisen. Eines ist aber klar: Die Vorstellungen beider Parteien klaffen so weit auseinander wie lange nicht. Unterschiede in noch nie da gewesener Dimension sind es trotzdem nicht, verrät die Archivarin des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) Marliese Mendel. Denn Vorstellungen spießten sich immer schon, erkennt sie bei einem Blick in die Geschichte der Metaller-Kollektivverträge. Manchmal sogar mehr als heute.
Zurück in die 70er
Parallelen zur heutigen Situation finden sich in den 1970er-Jahren, als der erste Ölpreisschock die Wirtschaftswelt in Atem hielt. Die Inflation schoss in die Höhe, erreichte 1974 fast zehn Prozent. Nachdem Arbeitgeber noch verdauten, dass die Arbeitszeit 1969 auf 40 Stunden reduziert wurde, folgte 1977 eine durchaus hohe Lohn-Forderung in der Metaller-Geschichte. Zwölf Prozent auf die Mindestlöhne wünschten die Gewerkschafter sowie Verbesserungen im Rahmenrecht – und das, obwohl die Inflation nur mehr bei 5,5 Prozent lag, liest Mendel aus dem ÖGB-Archiv.
Arbeitgeber fühlten sich überrumpelt, hatten in der Krise bereits viel Geschäft verloren und plädierten vorerst für eine Anhebung der Löhne um vier Prozent. Rahmenrechtliche Verbesserungen wurden generell abgelehnt. Geeinigt hat man sich dann trotzdem – und das ohne Streik. Auf eine Erhöhung von 9,3 Prozent.
Nulllohnrunde der 80er
Die Inflation hatte sich in den späten 1980ern vom zweiten Ölpreisschock erholt. Trotzdem gingen die Gewerkschafter 1986 mit einer harschen Forderung in die Verhandlung. 6,5 Prozent mehr Lohn bei einer Inflation von 1,7 Prozent war das Eröffnungsangebot. Arbeitgeber verstanden diese Forderung nicht, entnimmt Marliese Mendel dem Archiv. Schließlich hatten ihre Arbeitnehmer einiges an Freizeit dazu gewonnen.
Erst in diesem Jahr wurde die fünfte Urlaubswoche eingeführt. Das musste von Unternehmen finanziell abgefangen werden, genauso wie eine schwächelnde Auftragslage aufgrund des sinkenden Dollars. Das Gegenangebot: eine Nulllohnrunde, die wiederum einen Streik in 800 Betrieben als Antwort erntete. Mehr als 150.000 Mitarbeiter protestierten, bis die Unternehmer einlenkten und es zu einem Abschluss kam. Bis zu 3,5 Prozent mehr Stundenlohn sowie eine Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden.
Wichtiger Hinweis: Ein KV-Abschluss ist seitens des ÖGB immer gesamtheitlich zu betrachten. Also inklusive Lohnabschluss und Rahmenrecht (Arbeitszeit, Sonderzahlungen)
1956: 2,8 Prozent Inflation, 6 bis 9 Prozent Lohnerhöhung
1969: 3,1 Prozent Inflation, bis zu 9 Prozent Lohnerhöhung plus Arbeitszeitverkürzung auf 40 Stunden sowie Verbesserung des Weihnachtsgeldes
1975: 8,4 Prozent Inflation, rund 7,5 Prozent Lohnerhöhung und damit unter der Teuerung
2022: 8,6 Prozent Inflation, bis 7,4 Prozent Lohnerhöhung
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