Afghanistan: Nehammer will weiter abschieben

Afghanistan: Nehammer will weiter abschieben
Der Innenminister sieht im Abschiebestopp einen "Pull-Faktor". Im Büro von Vizekanzler Kogler hält man Abschiebungen derzeit für nicht möglich.

Innenminister Karl Nehammer spricht sich weiter gegen einen Abschiebestopp nach Afghanistan aus. "Es ist einfach, einen generellen Abschiebestopp nach Afghanistan zu fordern, aber andererseits die zu erwartenden Fluchtbewegungen zu negieren", so Nehammer zur APA.

Von einem "Bluff" sprach die FPÖ mit Blick darauf, dass die letzte Abschiebung vor zwei Monaten erfolgte. Im Büro von Vizekanzler Werner Kogler hält man derartige Abschiebungen derzeit für nicht möglich.

"Wer Schutz benötigt, muss diesen möglichst nahe am Herkunftsland erhalten", sagte Innenminister Nehammer am Samstag in einem Statement gegenüber der APA. "Ein genereller Abschiebestopp ist ein Pull Faktor für die illegale Migration und befeuert nur das rücksichtlose und zynische Geschäft der Schlepper und somit der organisierten Kriminalität," erklärte der Ressortchef. Es seien fast ausschließlich junge Männer, die einen Asylantrag in Österreich stellen, betonte er. "Als Innenminister trage ich vor allem Verantwortung für die in Österreich lebenden Menschen. Das bedeutet vor allem den sozialen Frieden und den Wohlfahrtsstaat nachhaltig zu schützen."

Kogler: "Faktisch unmöglich"

Im Büro von Vizekanzler Werner Kogler verwies man am Samstag auf die Aussagen des Grünen Parteichefs vom Donnerstag, wonach laut Experten-Sicht Abschiebungen nach Afghanistan derzeit rechtlich und faktisch nicht möglich seien. Es habe sich an der Sachlage nichts geändert, betonte eine Sprecherin Koglers. "Rechtlich werden die Einzelfallprüfungen dazu führen, dass dies nicht mehr infrage kommt", hatte Kogler dazu am Donnerstag auf oe24.TV erklärt. "Es ist faktisch nicht möglich, weil es für die Flieger gar keine Landeerlaubnis in Afghanistan gibt" - und es sei "so gut wie unvorstellbar, dass in den nächsten Wochen Abschiebeflüge organisiert werden".

Außenminister Alexander Schallenberg will bei der Bekämpfung der Schlepperei auf regionale und internationale Kooperation setzen: "Wir werden die Nachbarstaaten nicht im Stich lassen, wenn es um das Grenzmanagement und den Kampf gegen die organisierte Kriminalität geht", erklärte er.

Kickl: "Peinlicher Bluff"

FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach von einem "peinlichen Bluff der Türkisen": "Die ÖVP versucht mit allen Mitteln den Anschein zu wahren, man würde weiter Abschiebungen nach Afghanistan durchführen. Tatsache ist, dass der letzte Abschiebeflug bereits vor zwei Monaten stattgefunden hat und seitdem kein einziger Afghane außer Landes gebracht wurde", so der Parteiobmann in einer Aussendung am Samstag. Kickl verwies auch darauf, dass bis Juli 2021 den 2.514 Asylanträgen lediglich 199 Außerlandesbringungen von Afghanen gegenüberstünden. "In Wahrheit sind die Türkisen damit voll auf der Linie des grünen Koalitionspartners", so Kickl.

Im Innenministerium bestätigte man, dass der letzte Abschiebe-Flug im Juni (in der Nacht von 15. auf 16. Juni) stattgefunden hat. Im Jahr 2021 habe es (bis Juli) vier Charter-Abschiebeflüge nach Afghanistan gegeben - ebenso viele wie im Gesamtjahr 2017. Im Jahr 2018 seien sechs derartige Flüge durchgeführt worden, 2019 neun und im Vorjahr Corona-bedingt nur drei. Im Schnitt würden alle zwei bis drei Monate derartige Abschiebungen durchgeführt. Dies sei ein "ganz normales Intervall", betonte man im Büro von Innenminister Nehammer. Der letzte geplante Abschiebeflug Anfang August war von Afghanistan u.a. mit Verweis auf die Covid-Bestimmungen abgelehnt worden, hieß es aus dem Ressort.

Mehrere EU-Staaten setzen Abschiebungen aus

Neben Schweden haben mittlerweile auch Frankreich, Dänemark und Deutschland Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt. Im Innenministerium plant man nun anstelle der internationalen Frontex-Abschiebeflüge selbst nationale Charterflüge zu organisieren und durchzuführen, bestätigte man im Innenministerium einen Bericht der "Kleinen Zeitung". Laut Ministerium gelte es nun mit Frontex abzuklären, ob die selbst organisierten Charterflüge über die Agentur laufen und damit aus dem EU-Budget finanziert werden - oder Österreich selbst für die Kosten aufkommen müsste.

Aus dem Außenministerium hieß es dazu auf APA-Anfrage am Samstag knapp, die für Afghanistan zuständige Botschaft Österreichs in (der pakistanischen Hauptstadt) Islamabad bleibe selbstverständlich weiter in engem und konstruktiven Kontakt mit den zuständigen afghanischen Behörden. Die Botschaft sei vorbereitet, bei den afghanischen Behörden in Kabul "alle erforderlichen Schritte zu beantragen".

Im Innenministerium verwies man gegenüber der APA am Samstag darauf, dass - abseits der Abschiebeflüge - weiterhin zwangsweise Außerlandesbindungen von Afghanen in andere EU-Staaten nach der Dublin-Verordnung durchgeführt werden. Seit Jahresanfang seien dies insgesamt 80 gewesen (Stand Ende Juli); alleine im Juli waren es laut Innenressort 20 derartige Überstellungen.

Gerald Tatzgern, der Leiter des Büros zur Bekämpfung des Menschenhandels und der Schlepperei im Bundeskriminalamt, warnte am Samstag im Gespräch mit der APA vor falschen Signalen an die Schlepper bzw. die Betroffenen, die durch die Bekanntgabe eines generellen Abschiebestopps ausgelöst würden. Viele Schlepper versuchen demnach bereits jetzt, aufgrund dieser Meldungen aus mehreren europäischen Ländern ihr Geschäft noch mehr zu forcieren. Dazu würden sie "Garantien" abgeben, dass die Betroffenen nach der Schleppung nicht mehr abgeschoben werden. Dies motiviere aktuell vor allem jene Afghanen, auf die Schlepper zurückzugreifen, die gar nicht mehr in Afghanistan leben, sondern bereits außerhalb des Landes, verwies Tatzgern etwa auf "Millionen Afghanen im Iran". "Man unterstützt das Schleppergeschäft mit diesem Signal", sagte er.

Einen "generellen Abschiebestopp" nach Afghanistan forderte am Samstag unterdessen auch die IG Autoinnen Autoren von der Regierung. "Keiner der dorthin Abgeschobenen ist seines Lebens noch sicher, wenn sie den Taliban in die Hände fallen", hieß es in einem offenen Brief. "Die österreichische Bundesregierung, die gerne den mutigen Kämpfer gegen den radikalen Islamismus gibt, wenn es um heimische Muslime geht, droht nun zum Handlanger der dschihadistischen Truppen zu werden."

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