Zudem sei die Unterstützung der Wagner-Gruppe durch die russischen Streitkräfte durchaus gegeben: „Die 106. Luftlandedivision sichert seit einigen Wochen die Flanken der Wagner-Gruppe im Norden und Süden Bachmuts, gleichzeitig unterstützt die russische Luftwaffe den langsamen Vormarsch innerhalb der Stadt mit Bombardements – und auch der Mehrfachraketenwerfer TOS-1 ist in Bachmut im Einsatz. Er hat also durchaus Unterstützung“, sagt Reisner zum KURIER.
➤ Bedrohung für die ukrainische Gegenoffensive: Die russischen FAB
Bezogen auf die Ankündigung Prigoschins, seine Söldner am 10. Mai abzuziehen sieht der Gardekommandant zwei Varianten:
Variante 1: Prigoschin zieht tatsächlich ab
„Sollte er tatsächlich sagen, dass es ihm reicht, dass Hunderte Tote am Tag zu viel sind und er sich tatsächlich nicht ausreichend unterstützt fühlt, dann kann das eine interessante Wende in diesem Konflikt werden. Zieht Wagner aus Bachmut ab und übergibt die Stellungen den regulären Streitkräften, könnten die ukrainischen Streitkräfte die Situation nützen und die Stadt wieder unter ihre Kontrolle bringen“, sagt Reisner.
➤ Mit diesen Waffen soll die ukrainische Gegenoffensive gelingen
Die entsprechenden Änderungen im Frontverlauf und der symbolisch wichtige Sieg würden allerdings aus Sicht Reisners nichts am stattfindenden Abnützungskrieg ändern: „Bachmut liegt auf der zweiten ukrainischen Verteidigungslinie – man käme auf den Urzustand von vor vier bis fünf Monaten zurück.“ Seit der ukrainischen Gegenoffensive im Herbst vergangenen Jahres befestigen die russischen Streitkräfte ihre Stellungen massiv. Nicht nur an der Krim und an der Front bei Saporischschja, sondern auch entlang des Frontverlaufs im Osten.
Variante 2: Prigoschin baut Druck auf
Für wahrscheinlicher hält Reisner, dass der Wagner-Chef Druck auf seine innenpolitischen Gegner – wie etwa Verteidigungsminister Sergej Schoigu – aufbauen will. „Der Tag des Sieges am 9. Mai ist in Russland extrem symbolisch aufgeladen, es gab die Direktive, Bachmut bis zu diesem Tag vollständig einzunehmen“, sagt Reisner und weist darauf hin, dass der Durchbruch bei Popasna, der letztendlich die Einnahme der Städte Lessetschansk und Sjewerodonezk ermöglichte, am vergangenen 9. Mai in Moskau frenetisch gefeiert wurde.
➤ Warum Bachmut noch nicht gefallen ist
„Wenn Prigoschin der ist, der er zu sein scheint – ein Mann, der über Leichen geht, um seinen Vorteil daraus zu schlagen – dann macht er hier seine Feinde dafür verantwortlich, dass er es trotz hoher Opfer nicht geschafft hat, das Ziel zu erfüllen“, sagt Reisner. Nach wie vor dürfte der Wagner-Chef gute Verbindungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin haben – und diese auch nützen.
Reisner sieht Argumente, die für beide Varianten sprechen. Festlegen will er sich nicht: „Grundsätzlich ist Krieg immer reich an Überraschungen, an Ereignissen, die man nicht vorhersehen kann. All das könnte auch eine russische Finte sein“, sagt der Generalstabsoffizier.
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